Neuanfang mit 50 – Zeit für einen Spurwechsel? 

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang. Ich weiß das aus eigener Erfahrung, denn auch ich habe mich nach Jahrzehnten Konzernkarriere als Mentor und Managementcoach selbstständig gemacht. Als ehemaliger Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat in mittelständischen Technologieunternehmen weiß ich, wo vielen Führungskräften der Schuh drückt, und kenne mit vier Kindern und als Teil einer Patchwork-Familie auch viele Facetten des Familienlebens. Ich möchte euch dazu ermutigen, den beruflichen Neuanfang ab 50 zumindest einmal zu durchdenken – um dann eine reflektierte Entscheidung zu fällen. 

Die 4 Phasen einer Konzernkarriere: Wo stehst du?

In jeder Führungskräftekarriere gibt es Höhen und Tiefen. Große Umwälzungen werden von eher ruhigen Episoden abgelöst. Was ich in meinem Berufsleben und bei vielen Klienten beobachtet habe, sind vier grundsätzliche Phasen, die praktisch jede Führungskraft durchläuft, wenn sie nicht vorzeitig die Spur wechselt. 

Wahrscheinlich findest auch du dich in der Beschreibung wieder.. 

Phase 1: Einstieg 

Die ersten zwei bis drei Jahre im Beruf dienen zur Orientierung und Einarbeitung. Man ist hochmotiviert, lernbegierig, hat großes Interesse an Weiterbildung und neuen Projekten. Fehler dürfen gemacht und durch hohen Einsatz ausgebügelt werden. Oft folgt ein Arbeitgeberwechsel nach dieser Zeit.

Phase 2: Aufstieg 

Diese Phase kann fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahre dauern und ist eine Zeit der Professionalisierung und des Karrierewegs nach oben. Gespickt mit neuen Aufgaben, internen Wechseln, Führungsverantwortung und Gehaltssprüngen. Der Beruf steht im Lebensmittelpunkt, die Arbeit erfüllt und macht Spaß. In der Regel findet diese Phase zeitgleich mit der Familiengründung, dem Hausbau oder anderen Aktivitäten statt. Es bleibt nur wenig Zeit für sich selbst, man ist immer erreichbar und entsprechend gefragt. Die Arbeit ist eine Quelle für neue Herausforderung und ständige Bestätigung. 

Phase 3: Konsolidierung 

Danach gibt es keine weiteren hierarchischen Aufstiegsmöglichkeiten mehr und ehrlicherweise auch kaum entsprechende Ambitionen. Man ist gefragt aufgrund der Erfahrung, des Netzwerks und der erreichten Position. Die inneren Werte verschieben sich allerdings: Beziehungen zu pflegen und Unterstützung anzubieten werden wichtiger als Status und materielle Themen. 

Phase 4: Ausstieg 

In dieser letzten Phase werden Nachfolger eingearbeitet, das »Feld geordnet«. Bei entsprechender Position folgen für manche Mandate in Verwaltungs- und Aufsichtsräten. Die Tage werden allerdings zunehmend gefüllt mit Hobbys, Familie und neuen Aufgaben außerhalb der Firma, zunehmend auch mit ehrenamtlichen Tätigkeiten. 

Gründe für einen Spurwechsel

Es scheint mir, dass gerade in der späten Aufstiegsphase und der Konsolidierung der Anteil der Spurwechsler am höchsten ist. Motivation und Leistungsbereitschaft sind nach wie vor hoch, aber die Aussicht auf »weitere 12 Jahre den gleichen Stiefel zu machen« deprimiert und demotiviert viele. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um über den beruflichen Neuanfang mit 50 nachzudenken, vor allem wenn du dich zunehmend dissoziiert in deiner Tätigkeit und deinem beruflichen Umfeld fühlst.

Kennst du solche Gedanken:

  • »Ich lebe im falschen Film!«
  • »War das schon alles?« 
  • »Was mache ich mit dem Rest meines Lebens?« 
  • »Ich will etwas Sinnvolles tun und etwas bewegen!« 
  • »Noch kann ich etwas Neues anfangen – wann, wenn nicht jetzt?«

An dem Punkt braucht es oft nur einen gewissen Schubser von außen, wie eine Krankheit oder das Abfindungsangebot – und schon wird die Gelegenheit zum Komplett-Umstieg beim Schopf gepackt. Denn richtig zufrieden in der alten Rolle waren die meisten Spurwechsler schon länger nicht mehr. 

The world has much more to offer than sitting on a desk.

Kari Honkaniemi

Die Gründe für den berufliche Neuanfang mit 50 liegen meist in einem Mix aus privaten und beruflichen Gründen. Vielleicht sind die Kinder ausgezogen, oder auch der Partner. Dann gibt es plötzlich einen Freiraum für eine Neugestaltung der Lebensumstände. Im beruflichen Kontext ist es oftmals die wachsende Unzufriedenheit mit dem Job oder dem Vorgesetzten, aber auch eine Restrukturierung, eine Standortschließung oder ein Abfindungsprogramm. 

In einem Satz: Das berufliche Umfeld passt nicht mehr zur veränderten Lebenssituation.

Während der Recherchen zu meinem Buch „So macht MANN das“ habe ich unter anderem mit Kari gesprochen. Er ist einer der etwa 20 Fallbeispiele und Mutmacher in meinem meinem Buch zum Thema beruflicher Spurwechsel. Kari hat eine internationale Karriere im Finanzwesen hinter sich gelassen, um noch einmal komplett neu anzufangen. Sein Schubser von außen war der große Bankencrash, nach dem sich die Finanzwelt neu aufstellen musste. Kari, der gerade auf Jobsuche war, nahm das als Anlass, um sich neu zu orientieren. Denn, so sagt er es, „war ich um ehrlich zu sein, zu Tode gelangweilt in meiner alten Position“. Heute führt er mit seinem besten Freund sein eigenes Unternehmen, verdient aber nur die Hälfte seines früheren Gehalts in internationalen Großbanken. Aber er sagt: „Meine Zufriedenheit mit der neuen Aufgabe ist gar nicht in Zahlen zu fassen. Ich mache eine sinnvolle Arbeit, die mich zufriedenstellt. Ich nenne das ›labour of love‹ und meine Frau Mona sagt, dass ich wieder der frühere, energiegeladene Kari bin, den sie vor vielen Jahren kennengelernt hat.“

Barrieren beim Spurwechsel: Was sind deine Befürchtungen?

Ein wichtiger Schritt für einen erfolgreichen Spurwechsel ist, sich der inneren Barrieren bewusst zu werden. Denn oftmals stecken starke Glaubenssätze hinter unseren Ängsten oder den Zielen, die wir nicht angehen. Wenn du diese Glaubenssätze kennst, kannst du aktiv an ihnen arbeiten. 

Angst vor dem Scheitern

Niemand scheitert gern, ob beruflich oder privat. Und auch ich will nichts schönreden: Ich bin definitiv lieber erfolgreich, als dass ich scheitere. Es fühlt sich einfach besser an, ist finanziell interessanter und bringt Anerkennung. Aber: Wenn die Angst vor Misserfolg so groß wird, dass sie mein Berufs- und Lebensglück verhindert, dann läuft etwas falsch.

Angst vor dem »Nicht-mehr-dazugehören«

Konzerne wie etwa Siemens, die Deutsche Telekom oder jede andere dieser Größenordnung haben eine eigene Kultur, eine eigene Sprache, eine eigene Geschichte und einen Stolz auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Auch wenn es viel Kritik, Konflikte und interne Missstände geben sollte: Nicht mehr dazu gehören fühlt sich furchtbar an, und die dabei entstehenden Gefühle sind im Extremfall dieselben wie bei körperlicher Folter. 

Angst vor Statusverlust

Die Welt der Konzerne hat ihre eigenen Regeln, was Hierarchie und Positionen betrifft. Mitarbeiter:innen, gerade in Führungsetagen, sind meist sehr statusbewusst.

Dies drückt sich natürlich in Position und Titel aus, aber auch in anderen Aspekten, wie der Anzahl der Mitarbeitenden, dem Budgetvolumen, dem Firmenwagen und vielem mehr. Was das mit dir zu tun hat? Du wirst erst mal auf ganz viel Status verzichten müssen, wenn du Spurwechsler:in wirst. Und dir vielleicht eingestehen, dass dir Status gar nicht sooo unwichtig war, wie du selbst immer dachtest. 

Das liebe Geld

Je nachdem, in welcher Phase deiner Karriere du dich befindest, ist die finanzielle Belastung nicht zu unterschätzen. Gerade in der langen zweiten Phase gibt es vielfältige finanzielle Verpflichtungen wie die Hypotheken für das Haus und die Ausbildungskosten der Kinder. Bevor du den beruflichen Neuanfang wagst, solltest du also Kassensturz machen. Und dich eventuell auf finanzielle Einschränkungen einstellen.

Und jetzt? Herzensprojekt finden

Das ist für viele die Mutter aller Gründungsfragen und sicherlich hast du dich auch schon mal gefragt: Wie finde ich denn mein Herzensprojekt? Viele Menschen sehnen sich nach einer sinnvollen Aufgabe, stehen aber oft wie vor einer Wand, wenn es um Ideen und die generelle Richtung geht. Hier gilt wie immer: Es gibt kein Patentrezept, wohl aber Vorgehensweisen und Modelle, die sehr hilfreich sein können. 

  • Analysemethoden: Strukturierte Tools und Fragebögen wie das Reiss Motivation Profile (RMP), Professional Self-Assessment von Dorie Clark und Gallup StrengthFinder bieten Einblicke in persönliche Motivationen und Stärken.
  • Coaching und Mentoring: Externe Unterstützung hilft vor allem bei der Strukturierung des Prozesses und bei der Ideenfindung. Sie hat den Vorteil eines Spiegels und Sparringpartners, vor allem bei Ideen, die man nicht im persönlichen Umfeld oder gar im Unternehmen diskutieren will.
  • Selbstcoaching: Durch Reflektion, z.B. in einer beruflichen Auszeit ,kann man sich selbst und seine Bedürfnisse besser kennenlernen. Dabei helfen Leitfragen wie „wann bin ich wirklich glücklich?“, „welche Arbeit mache ich gerne und welche passt zu meinen Werten?“ und vor allem: „“wobei komme ich in einen Flow, in dem mir alles leicht von der Hand geht?“

Durch praktische Schritte wie Praktika, Vorträge halten, ehrenamtliche Arbeit und aktive Teilhabe an Veranstaltungen kann man sein Herzensprojekt testen – auch parallel zum derzeitigen Job – und erste Erfolge feiern. Kleine Schritte sind entscheidend auf dem Weg zur Verwirklichung großer Träume.

Tipps zum Neuanfang mit 50

Unser Autor Bernhard Fanger

Bernhard Fanger ist Jahrgang 1962 und ein „Spurwechsler“, der nach Konzernkarriere zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat. Nach seinem Studium an internationalen Universitäten und mehr als 25 Jahren Führungserfahrung in internationalen Unternehmen als Geschäftsführer, Vorstand und Aufsichtsrat in mittelständischen Technologieunternehmen weiß er, wo vielen Führungskräften der Schuh drückt. Heute arbeitet er als Coach und Berater mit seinen Kunden am liebsten in Bewegung und in der Natur. Er unterstützt Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte unter anderem als Sparringspartner bei der Initiierung und Begleitung von Change- und Transformationsprozessen und beim Aufbau von Teams über Kultur- und Landesgrenzen hinweg. Sein 2021 bei Wiley erschienenes Buch „So macht MANN das“ liefert Strategien und Ideen für Führungskräfte, die sich beruflich neu erfinden möchten.

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