Amerika, ich komme! So baust du dir deine Selbstständigkeit in den USA auf

Michael Wigge

Nach einer sehr erfolgreichen Karriere als TV-Gesicht und Entertainer wollte ich es noch einmal wissen. Meine zweite Karriere startete ich in den USA als Coach. Was du bedenken solltet, wenn du diesen Schritt auch planst und welche To-dos auf deiner Planungsliste nicht fehlen sollten, erfährst du in diesem Beitrag.

Da stand ich also mit meinem 500 Seiten starken Greencard-Bewerbungsordner und machte mich auf in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

In meinem ersten Leben war ich Abenteurer und Entertainer. Ich arbeitete zum Beispiel als Comedy-Reporter bei MTV und als Deutschlandreporter für die Deutsche Welle. Ich bereiste in meinen Jobs fast 100 Länder, führte unzählige Experimente durch und hielt die Kamera drauf. Einer meiner bekanntesten Trips war „Wigges Tauschrausch“. Mit bescheidenen finanziellen Mitteln und diversen Träumen brach ich auf und begann mit einem kleinen Gegenstand, den ich immer und immer wieder gegen einen wertvolleren tauschte, bis ich schließlich ein Haus auf Hawaii erwarb. Heraus kam mein gleichnamiges Buch.

Im Fernsehen zu sehen waren die Dokumentationen „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“, „Wigges Tauschrausch – vom Apfel zum Haus auf Hawaii“ oder auch „Auf dem Tretroller durch Deutschland – 2473 km in 80 Tagen“. Ich wusste, was ich kann und hatte viel Freude in meinem Beruf. Aber die stressige Arbeit als Reporter, die ständigen Reisen und der Druck, mich immer wieder neu zu beweisen, hinterließen ihre Spuren. Irgendwann erkannte ich, dass ich einen Neuanfang brauchte. Und den suchte ich, indem ich in die USA ging.

In dieses Abenteuer startete ich nicht völlig unvorbereitet. Aber in einem klassischen Auswanderer-Ratgeber stehen selten die feinen Unterschiede zwischen Business in den USA und Deutschland. Und in Business-Ratgebern finden sich oft die Hard Facts zu Schlagworten wie Steuern und Visum, aber eben nicht, warum der deutsche Sprech à la „Das kann man mal deutlich so sagen“ nicht gut ankommt. Da stand ich also mit meinem 500 Seiten starken Greencard-Bewerbungsordner und machte mich auf in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Starter: 3 Tipps für deinen Start in die Selbstständigkeit in den USA

Die Entscheidung, eine zweite Karriere in einer Selbstständigkeit in den USA zu beginnen, ist eine aufregende Herausforderung. Es erfordert nicht nur die Bereitschaft, die eigene Komfortzone zu verlassen, sondern auch die Fähigkeit, sich auf neue kulturelle Unterschiede, dynamische Veränderungen im Markt und eine andere Arbeitswelt einzustellen.

Für einen guten Start solltest du für dich Antworten auf die folgenden Fragen finden:

→ Gibt es für mich einen Platz auf dem US-amerikanischen Arbeitsmarkt?

Bevor du eine zweite Karriere in den USA beginnst, ist es wichtig, gründlich zu recherchieren. Informiere dich über die Branche, in der du arbeiten möchtest, die aktuellen Trends und die Anforderungen für deinen Traumjob. Wenn der Markt sehr gesättigt ist, solltest du dir überlegen, mit welchen besonderen Fähigkeiten du dich positionieren könntest.

→ Bin ich bereit, meine Komfortzone zu verlassen?

Eine zweite Karriere in den USA erfordert oft einen totalen Neustart. Es ist wichtig, bereit zu sein, die vertraute Umgebung und Arbeitsweise zu verlassen. Die Kulturunterschiede, insbesondere im beruflichen Kontext, können erheblich sein. Die USA sind für ihr dynamisches und oft wettbewerbsorientiertes Arbeitsumfeld bekannt – Konkurrenz wirkt oftmals intensiver als in Deutschland. Digitales Marketing ist eine Schlüsselkomponente vieler Selbstständiger, und die Anforderungen können sich schnell ändern. Die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiterzubilden und anzupassen, ist von entscheidender Bedeutung. SEO-, E-Mail- und Social Media Marketing gelten als Grundvoraussetzungen.

→ Habe ich den langen Atem, um an eine Arbeitserlaubnis zu kommen?

Bevor es richtig losgeht, brauchst du die sogenannte Greencard. Du kannst sie auf verschiedenen Wegen beantragen, sie gilt aber als eine große Hürde. Investitionssummen, eine außerordentliche Qualifikation oder das Glück, in der Greencard Lotterie zu gewinnen, sind einige dieser Wege.

Beruflich ankommen: mit Köpfchen und Gefühl die Karriere in USA planen

Meinem Plan, eine neue Selbstständigkeit in den USA aufzubauen, ging eine persönliche Krise voraus, in der ich noch einmal alles hinterfragte, was ich bis dahin erreicht habe. Das Resultat: Ich wollte zukünftig Menschen unterstützen, sie motivieren und ihnen bei der Entwicklung ihrer Soft Skills und der Erreichung ihrer Ziele helfen. Dazu absolvierte ich eine Ausbildung zum Mental Coach und startete meine eigene Karriere als Motivationsredner. Dieser Schritt war nicht leicht, aber er erwies sich als die beste Entscheidung meines Lebens.

Mein neuer Weg führte mich in die USA, wo ich in einer Kleinstadt in den Rocky Mountains, Colorado, sesshaft wurde. Dort war es mir möglich, meine Arbeit als Coach und Motivationsredner fortzusetzen, nachdem ich durch die Veröffentlichung meines Buches „How to Travel the World for Free“ in den USA eine Arbeitserlaubnis erhalten hatte.

Die charmante Kleinstadt inmitten der atemberaubenden Rocky Mountains bot die ideale Kulisse für meine berufliche Neuausrichtung. Obwohl ich als Fernsehgesicht einen gewissen Vorteil hatte, war der Anfang dennoch äußerst herausfordernd. Ich hatte nur wenige Klient*innen und keinerlei Erfahrung im Bereich des Digitalmarketings.

Vertrauen spielt eine herausragende Rolle, da es weniger formale Qualitätsstandards wie Ausbildungen und Regulierungen gibt.

Mein früherer Erfolg als Reporter hatte mich verwöhnt, aber nun befand ich mich in einer völlig neuen Branche und musste mich erneut beweisen. Diese Tipps und Impulse möchte ich dir für deinen beruflichen Neustart in den USA gern ans Herz legen.

✔︎ Verstehe das US-Arbeitssystem

Das US-Arbeitssystem unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den anderen Ländern. Verstehe die Arbeitsgesetze, die Sozialversicherung und die Steuersysteme, um keine unerwarteten Überraschungen zu erleben. Wichtige Frage: Wie bekomme ich meine Krankenversicherung, ohne gleich $1000 im Monat zahlen? Meine Lösung: Ich habe meine deutsche Krankenversicherung behalten, bezahle dafür aber den Preis des Doppelsteuerzahlers.

✔︎  Pass auf dein Geld auf

Die finanzielle Planung spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung deiner zweiten selbstständigen Karriere in den USA. Anfangs solltest du eher vorsichtig kalkulieren, da die Lebenshaltungskosten je nach Bundesstaat stark variieren können. Wohnungen können erheblich teurer sein als in Deutschland, und es kann sinnvoll sein, zunächst ein Zimmer zu mieten, um Geld zu sparen. Wohnungsmieten bewegen sich im Durchschnitt zwischen $1500 und $2000 – abhängig von der Lage.

✔︎  Bau dir schnell ein Netzwerk auf

In den USA ist Networking von großer Bedeutung. Im Gegensatz zu Deutschland kommt hier der Businesserfolg oft über persönliche Netzwerke. Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle, da es weniger formale Qualitätsstandards wie Ausbildungen und Regulierungen gibt. Persönliche Beziehungen sind entscheidend, um Aufträge zu erhalten und Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Das „sich wohl fühlen“ mit Geschäftspartner*innen ist ein wichtiger Faktor bei der Vergabe von Projekten.

✔︎  Investiere in deine Weiterbildung

Eine zweite Karriere in den USA bietet oft die Gelegenheit, neue Fähigkeiten zu erlernen oder bestehende Kenntnisse zu vertiefen. In meinem Berufsbild als Personal Development Coach habe ich mich über die ICF (International Coaching Federation) ausbilden lassen. Ohne ICF kann es als Coach in den USA teilweise schwer sein. Investiere in deine Weiterbildung und berufliche Weiterentwicklung, um deine Chancen auf Erfolg zu maximieren.

Don’ts: Das solltest du vermeiden

Zum Schluss möchte ich dir aber auch gern einen Zahn ziehen. Solange wir uns in unserer gewohnten Umgebung bewegen, in unserer sozialen „Bubble“, nehmen wir vieles als gegeben hin. Sobald du in den USA ankommst, wirst du aber sehr schnell die Grenzen dieser Bubble kennenlernen. Es gibt in vielen Bereichen des Lebens und Arbeitens große Unterschiede zwischen Ländern der EU und den USA.

Genug „Follow-Up“ ist oftmals der Schlüssel zum Auftrag, während es in Deutschland oftmals schon ein Affront ist.

Es ist also sicher nicht empfehlenswert, mit der Überzeugung, die deutsche bzw. europäische Kultur, Kommunikation und Wirtschaftssystematik seien die einzig wahren, auszuwandern. Dann wirst du wie so viele Auswanderer, die „Good bye, Deutschland“ sagten, ganz schnell auf dem Boden der Tatsachen wiederfinden. Vermeide also die folgenden drei Annahmen.

✗ Die direkte deutsche Art kommt nicht gut an.

Die deutsche Kommunikationsweise, die oft als direkt und effizient gilt, musst du in den USA möglicherweise anpassen. Hier ist Small Talk ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation, und es ist entscheidend, positive Gesprächsthemen zu wählen. Außerdem ist es ratsam, Feedback sehr gut und konstruktiv zu verpacken, weil direkte Kritik als unhöflich angesehen werden kann.

✗ Erwarte keine deutschen Standards.

Es ist ein häufiger Fehler anzunehmen, dass Geschäftsabläufe in den USA genauso funktionieren wie in Deutschland. Es gibt signifikante Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel ist die Zuverlässigkeit von Aussagen von Klient*innen und Kolleg*innen oft geringer, und schriftliche Vereinbarungen sind von großer Bedeutung.

Außerdem wird das mehrmalige Nachhaken bei einem Kundeninteresse positiv betrachtet, während es in Deutschland möglicherweise als aufdringlich wahrgenommen wird. Genug „Follow-Up“ ist oftmals der Schlüssel zum Auftrag, während es in Deutschland oftmals schon ein Affront ist.

✗ Auch in den USA wartet der Fiskus auf dich.

Die Steuerregelungen in den USA sind komplex, und es ist wichtig, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Wenn du in den USA leben und arbeiten möchtest, musst du sowohl Landes- als auch Bundessteuern zahlen. Es ist ratsam, sich frühzeitig über die Steuerpflichten zu informieren und gegebenenfalls einen Steuerberater zu konsultieren, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Solltest du zusätzlich, wie auch ich, auch noch in Deutschland Arbeiten ausführen, zahlst du in beiden Ländern Steuern. Das wird zwar durch das Doppelsteuerabkommen verrechnet, aber das heißt auch: zwei Steuererklärungen, zwei Steuerberater und zwei Mal Steuern.

Insgesamt bietet die Verfolgung einer zweiten Karriere in den USA als Selbstständiger viele Möglichkeiten, und ich möchte diesen Schritt persönlich nicht mehr missen, aber es gibt auch Herausforderungen zu bewältigen. Durch sorgfältige Planung, gründliche Recherche und die Einhaltung der richtigen Schritte kannst du aber deine Chancen auf Erfolg maximieren. Denke daran, realistische Erwartungen zu haben und offen für neue Erfahrungen zu sein, während du dir deine Selbstständigkeit als zweite Karriere in den USA aufbaust. Viel Erfolg!

Unser Autor Michael Wigge

Der Coach, Keynote Speaker und Abenteurer Michael Wigge hat sich darauf spezialisiert, unglaubliche Challenge-Geschichten zu dokumentieren. „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ und  „Wigges Tauschrausch“ (als er einen Apfel in ein hawaiianisches Traumhaus nur durch das Tauschen verwandelte), sind nur zwei seiner  Reiseaktionen.  

Sein Selbstversuch „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ wurde zum Erfolg. Das ZDF verlieh ihm dafür den VJ Award in der Kategorie „Bester Videojournalist-Newcomer“. Die Reportagereihe wurde in Deutschland für den Grimme Preis nominiert.

Wigges Firmenseminare und Vorträge basieren auf seinen Abenteuererfahrungen. Er unterstützt damit Mitarbeiter*innen und Führungskräfte als Speaker für Motivation, Resilienz, Zeitmanagement und mentale Gesundheit in den USA und in Deutschland.

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