Susanne Ihsen: „Im Beruf geht es nicht darum, nett zu sein!“

Auch wenn die Berufsaussichten für Ingenieurinnen ebenso gut sind wie die für Ingenieure, gibt es immer noch Unterschiede bei den Aufstiegschancen. Susanne Ihsen, die sich als als Professorin an der TU München mit „Gender Studies in Ingenieurwissenschaften“ beschäftigt, erklärt im Gespräch, was sich  an Hochschulen, bei Unternehmen, Männern und den Frauen selbst ändern müsste. 

Die Berufsaussichten für Ingenieure gelten momentan als sehr gut. Gilt das ebenso für Ingenieurinnen? Stimmt, die Berufsaussichten für Ingenieure sind sehr gut. Natürlich nicht in allen Fächern, aber bei den Maschinenbauern oder Elektrotechnikern gilt das uneingeschränkt, für Frauen ebenso wie für Männer.
Ein Unterschied liegt noch immer in der Bewerbungsdauer: Bei Frauen dauert es länger, ehe sie einen adäquaten Job gefunden haben.

In vielen Unternehmen wird aber mittlerweile ganz anders auf Bewerbungen von Ingenieurinnen geachtet. Diese Unternehmen bieten dann auch nicht erst zum Berufseinstieg, sondern bereits vorher gute Einstiegsmöglichkeiten, z.B. durch Praktika und Mentoringprogramme.

Wie sieht die weitere Karriereentwicklung von Frauen und Männern aus? Welche Unterschiede stellen Sie fest? Da wäre zunächst das Gehalt: Die Forscherin Sonja Bischoff von der Universität Hamburg spricht von bis zu 25 Prozent Gehaltsunterschieden zwischen Frauen und Männern, in den gleichen Berufen wohlgemerkt. Und je höher Sie in der Hierarchie kommen, desto größer werden meines Erachtens die Unterschiede. Das fängt an, sobald Sie aus dem tariflichen Bereich herauskommen und um die leistungsabhängigen Gehaltsbestandteile verhandeln. Die besondere Schwierigkeit für Frauen liegt darin, dass wir es nicht gelernt haben, unseren Wert zu beziffern und um einzelne Prozentpunkte zu kämpfen.

Wir Frauen müssen lernen, besser zu verhandeln, doch manchmal ist die berufliche Position schwerer als die eines Mannes: Er kann eher mal pokern und einen Jobwechsel riskieren. Das sieht bei einer Frau Anfang 30 ganz anders aus. Einen neuen, adäquaten, Job zu finden, wenn mein (männliches) Gegenüber schon die “biologische Uhr” ticken hört, ist nicht einfach. Es wird ja immer noch häufig angenommen, dass Frauen um die 30 Kinder wollen und dass Mütter aus dem Job ausscheiden. Das macht die Verhandlungen nicht sehr komfortabel.

Was empfehlen Sie Frauen in Technikberufen, um ihre Karriere wirkungsvoll voranzutreiben? Erstens: Frauen sollten sich grundsätzlich bewusst machen, wie unterschiedlich Frauen und Männer erzogen werden. Im Beruf geht es nicht darum, nett zu sein und von allen gemocht zu werden. In Männerdomänen herrscht der Wettbewerbsgedanke. Da geht es darum, sich Respekt zu verdienen.
Männer müssen das auch, doch bei Frauen dauert es meist etwas länger. Sie müssen dann manchmal einfach die Herausforderung annehmen und um ihr Projekt, ihre Idee kämpfen und ihre Position so festigen.
Zweitens sollte ihr klar sein, dass sie Verbündete braucht. Eine Karriere macht man nie allein. Dazu gehört zum Beispiel ein Netzwerk auf allen Hierarchieebenen im Unternehmen.
Zusätzlich sollte sie noch über ein externes Netzwerk an Kolleginnen verfügen. Wenn ich dann zum Beispiel als Ingenieurin ins Ausland geschickt werde, kann ich schnell auf erfahrene Kolleginnen zurückgreifen, und mich über die Tücken im Detail informieren. Ich muss ja nicht jeden Fehler wiederholen, den andere schon gemacht haben.

Empfehlen Sie eine strategische Vorgehensweise zur Karriere? Ich brauche natürlich eine Vision, eine Idee, was ich mit meinem Leben anfangen will. Wenn ich diese Vision habe, dann wird deutlich, was ich tun muss, um diesen Traum zu verwirklichen. So werden aus Visionen Ziele, die mit einer Strategie umgesetzt werden.
Planen können Sie eine Karriere nicht im Detail, aber Sie können sich Handlungsoptionen verschaffen. Wenn Sie gut und sicher Englisch sprechen und Sie jemand Freitag nachmittags bittet, für ihn auf einer wichtigen Tagung einzuspringen, dann können Sie das! Und schaffen sich damit wieder neue Möglichkeiten. Also sollten Sie in der ersten Zeit nach dem Berufseinstieg an Ihren Sprachkenntnissen arbeiten, Präsentationstechniken lernen usw..

Auf jeden Fall nicht aufhören mit dem Lernen und sich dann auch trauen, mal den Hut in den Ring zu werfen, wenn eine spannende Chance vorbei kommt.

Für wie wichtig halten Sie den Doktortitel oder einen MBA? Für Frauen, die Karriere machen wollen, ist es von Vorteil, einen Doktortitel zu haben. Frauen müssen ja immer einen Deut besser sein und der „Dr.“ dokumentiert die Kompetenz. Allerdings sollte die Promotion in enger Kooperation mit der Industrie stehen, da Praxiserfahrungen sehr wichtig sind.
Beim MBA geht es in Deutschland darum, wie hochwertig die Institution ist, bei der der Abschluss erfolgt. Die Angebote müssen genau geprüft werden, schließlich sollte die Schule international anerkannt und akkreditiert sein.

Und später: Bedeuten Kinder immer noch den Scheidepunkt? Häufig immer noch. Hier sind auch die Unternehmen in der Pflicht, sich um das Thema zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es kein Thema mehr ist. Sie könnten Betreuungskonzepte entwickeln, sich bei der Einrichtung von Krippen mit anderen Unternehmen und mit den Gemeinden zusammentun. Wenn sich Unternehmen hierbei als vorbildlich beweisen, bedeutet das oftmals einen Wettbewerbsvorteil als Arbeitgeber, gerade für kleine Unternehmen.

Frauen würde ich raten, das Thema Familiengründung partnerschaftlich zu planen und umzusetzen. Eine aktuelle VDI-Studie zeigt, dass junge Männer durchaus bereit wären, ihren Teil an Elternzeit beizutragen. Und keine falschen Kompromisse machen, wenn es zum Beispiel darum geht, auf Dienstreisen zu fahren. Wenn Sie wegen einer nicht geregelten Kinderbetreuung absagen, fragt Ihr Chef Sie nämlich kein zweites Mal.

Welche Unterstützung für Studentinnen in technischen Studiengängen halten Sie denn für sinnvoll? Angebote für angehende Ingenieurinnen an der Hochschule müssen von ganz oben unterstützt werden. Sobald sich der Dekan hinstellt und diese Angebote zur Chefsache erklärt, ändert sich auch die Sicht der Kommilitonen. Ohne diese Unterstützung von oben werden Mentoringprogramme und Frauentutorien oft als “Nachhilfestunden” abgewertet.
Hier an der TU München in der Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik werden wir ein Frauentutorium für Studentinnen aller Semester einrichten. Das wird von Fakultätsleitung und der Studierendenvertretung unterstützt.

Eine weitere Frage lautet: Wie kann man das Selbstbewusstsein von Frauen stärken? Dafür biete ich Seminare für Frauen und auch gemischte mit Männern gemeinsam an.
Am Anfang sagen Studenten oft: ´Wozu brauche ich denn so was? Frauen und Männer sind eben unterschiedlich.´ Heute kann man da leichter sagen: ´Wie ist es denn, wenn du mit den Schultern zuckst und so reagierst, wenn dir eine Vorgesetzte gegenübersteht?´ Da sind sie sehr schnell bereit, doch über ihr Verhalten nachzudenken.
Auf jeden Fall braucht eine Frau in einer Männerdomäne viel Humor und Kampfeslust, um die guten Projekte zu bekommen. Wettbewerb kann man auch als Wertschätzung sehen.

Zur Person:  Bereits in ihrer Magisterarbeit an der RWTH Aachen beschäftigte sich Susanne Ihsen mit dem Thema „Studentinnen an einer Technischen Hochschule. Zur Studiensituation von Maschinenbau-Studentinnen an der RWTH Aachen“. Nach Promotion und Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hochschuldidaktischen Zentrum in Aachen, wechselte sie Anfang 1999 zum VDI, wo sie im Frühjahr 2001 die Leitung der Abteilung Beruf und Karriere im VDI übernahm. Seit Ende 2004 lehrt Susanne Ihsen als Professorin für Gender Studies in Ingenieurwissenschaften an der TU München.

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