Claudia Peus (Jahrgang 1977) ist seit Mai 2011 Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement an der TU München. Manches Forschungsergebnis zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ holt sie im Berufsalltag an der Hochschule ein.
Frau Peus, Ihr Beruf hat einen glänzenden Ruf: gut bezahlt, hoher Status, viel Verantwortung. Gibt es auch Aspekte, die das Karriereziel „Professorin“ weniger attraktiv machen als andere Spitzenpositionen?
Erstens ist der Weg dahin risikoreich, weil Sie nur ein relativ kleines Zeitfenster haben zwischen der Habilitation und dem Ruf auf eine Professur. Entweder Sie haben bis ungefähr Mitte 40 eine Professur, oder es wird häufig schwierig. Ab einem gewissen Punkt können Sie in Deutschland aus rechtlichen Gründen überhaupt nicht mehr an einer Hochschule beschäftigt werden, für die Wirtschaft werden sie in vielen Bereichen oftmals als zu alt angesehen und Ihnen fehlt die relevante Erfahrung. Es ist also eine Hochrisikostrategie. Und die Bezahlung ist zwar nicht schlecht, aber mit den Qualifikationen würden Sie woanders oft sehr viel mehr Geld verdienen.
Was ist dann der Reiz an einer Hochschulkarriere?
Man kann etwas machen, das man selbst für hochsinnvoll erachtet. In gewisser Weise können Sie das Feld, in dem Sie tätig sind, und die Fragestellungen, die Sie bearbeiten, ja selber wählen. Sie generieren für eine sinnvolle Arbeit Erkenntnisse und geben diese an die Gesellschaft weiter. Durch den Aspekt der Lehre kann man zudem jungen Leuten Werte oder mindestens Anregungen mit auf den Weg geben. Hinzu kommt eine gewisse Freiheit. Das finde ich hochattraktiv. Und man arbeitet sein Leben lang mit jungen Leuten und muss und darf sich immer weiterentwickeln.
Sie unterstützen nun Doktorandinnen und Post-Docs. Was sagen Sie Frauen, die versuchen, einmal so weit zu kommen wie Sie?
Als erstes sage ich ihnen: Sie können das nur machen, wenn sie wirklich intrinsisch motiviert sind. Sie müssen das Fach und den Weg mögen, sonst können sie das nicht durchhalten und es zahlt sich nicht aus. Außerdem braucht man eine gewisse Frustrationstoleranz. Und mit einem 9-to-5-Job erreicht man das nicht, da bin ich ehrlich, und die sehen ja auch, wie ich arbeite. Ich versuche aber genauso, sie zu bestärken, damit sie an sich glauben. Denn wenn man es will, dann soll man es sich auch zutrauen.
Trotzdem gibt es das Phänomen „Leaking Pipeline“: Beim Schulabschluss ist das Geschlechterverhältnis noch ausgeglichen, dann werden es an jedem Karrierepunkt bis zur Professur immer weniger Frauen. Wohin verschwinden diese Akademikerinnen denn?
Da gibt es alle Varianten: Sie gehen in die Wirtschaft, manche gehen in Teilzeit, andere nehmen längere Elternzeiten. Für Frauen sind auch sichere Jobs attraktiv, etwa eine Beamtenlaufbahn. Manche gehen ins Wissenschaftsmanagement, in der Administration der Hochschule sehen Sie immer mehr promovierte Frauen, weil es dort oft Dauerstellen gibt. Und ein kleiner Teil macht sich selbständig.
Noch viel geringer als etwa in den Sozialwissenschaften sind die Frauenanteile bei Abschlüssen bis Habilitationen in den Ingenieurswissenschaften. Welche Erkenntnisse gibt es dazu?
Interessant finde ich: Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Ich habe ja nun eine Weile am MIT gearbeitet, einer der bekanntesten Ingenieursschulen der Welt, und da sind 44 Prozent der Studierenden weiblich. Das ist in Deutschland ganz anders. Oft erlebe ich deutliche Stereotype im Sinne von: Männer können das besser, Frauen können das weniger. Hinzu kommt: Wenn Sie männlich sind, wird Ihnen schneller zugetraut, dass Sie Professor sind. Im Moment höre ich häufig: Nein, Sie können das nicht, das muss Ihr Professor unterschreiben.
Wie reagieren Sie darauf?
Normalerweise sage ich dann ganz ruhig: ‚Ich bin der Professor.’ Manchmal stoße ich fast auf Unglauben. Man hat schon von mir verlangt, Ausweis und Visitenkarte zu zeigen (lacht). Das passiert meinen männlichen Kollegen selten.
Kann das auch am Alter liegen? Sie sehen schließlich sehr jung aus …
Ich dachte auch, das wäre vielleicht der Grund. Aber gestern saß ich mit älteren Kolleginnen zusammen, und die sagten, das passiere ihnen immer noch. Eine Professorin sagte mir, sie werde immer als die alternde Sekretärin angesehen.
Das sind ja tolle Aussichten! Dann wünsche Ihnen, dass Sie schnell so bekannt werden, dass niemand mehr Ihren Ausweis sehen möchte.
(lacht) Na, schauen wir mal. Aber grundlegend will ich sagen: Ich finde, es ist ein ganz toller, wahnsinnig erfüllender Beruf, und ich freue mich, wenn gute junge Frauen sich das zutrauen.
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