Frauen in den USA: America´s Next Role Model

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – auch für Frauen? In den USA finden sich glänzende Karrierefrauen-Vorbilder, vielversprechende Entwicklungen, aber auch steinharte Hürden. Zu den Kernfragen, die Frauen in den USA derzeit bewegen, nehmen zwei Expertinnen Stellung: Joanna Barsh, Director bei McKinsey in New York, Initiatorin des Projekts „Centered Leadership“ und Autorin von „How Remarkable Women Lead“, und Selena Rezvani, Karriereberaterin, Bloggerin (www.nextgenwomen.com) und Autorin von „The Next Generation of Women Leaders“ und „Pushback“.


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Bild: codswollop/photocase.de

In den USA gibt es viele Worte, die man nicht sagen darf. Fernsehsender zeigen meist sogar Live-Sendungen um einige Sekunden zeitversetzt, damit sie schnell noch einen Piepton über das legen können, was zum Beispiel Oscar-Gewinnerinnen schon mal herausrutscht. Zarte Seelen sollen daran nicht zerbrechen. Erwachsene umschreiben so etwas mit „f-word“. Nicht nur wegen des Anfangsbuchstaben könnte „Frauenquote“ auch eins dieser Worte sein.

Allein die Erwähnung einer Quote ist den meisten Menschen in den USA so richtig unangenehm. Solche Vorschriften vom Staat führen in den Augen vieler Amerikaner auf direktem Wege in Willkür, Sozialismus und Chaos. Selbst liberalere Geister sehen eine Quotenregelung als Gefahr für die Leistungsgesellschaft. Schließlich basiert der amerikanische Traum auf der Idee, dass man nur hart genug arbeiten muss, um alles zu erreichen, was man will. Selbst ist die Frau! Oder doch eher: Bringt mehr Opfer?

Warum wird die Frauenquote in den USA kaum diskutiert?

Joanna Barsh: Weil sie nicht leistungsorientiert ist. Eine Quote wirft außerdem rechtliche Fragen auf: Man darf in den USA niemanden diskriminieren. Wenn man zugunsten von Frauen diskriminiert, dann diskriminiert man Männer. Das klingt zunächst unlogisch, dazu muss man Amerikas Denkweise über Ungerechtigkeit verstehen: Wir wollen jedem gegenüber fair sein. Wird eine Frauengruppe gegründet, sieht man oft sofort noch acht andere. Denn kaum dass man eine Gruppe gründet, hat jede andere Gruppe auch ein Recht, sich zu formieren. Die Afroamerikaner, die Hispanic/Latino-Gruppe, die Schwul-Lesbisch-Transsexuellen-Gruppe, eine Gruppe für Asiaten, Indianer und so weiter. Deshalb sieht man es als allgemeinen Trend, dass sich die Unternehmen in den USA stärker mit Diversity befassen als mit Gender Diversity.

Einen Extra-Burger können sich US-Frauen an anderer Stelle braten: Auf einer katholischen Mädchenschule gewesen zu sein, ist in den USA kein Zeichen von Prüderie. Nicky Hilton, Stefani Germanotta (Lady Gaga) und Christa Miller (die sarkastische Nachbarin in „Cougar Town“) gingen auf die Convent of the Sacred Heart, eine der teuersten New Yorker Privatschulen – nur für Mädchen. Die Schulgebühren betragen dort derzeit 37.395 Dollar pro Schuljahr. Auch später können weibliche Wesen unter sich bleiben: Anders als im deutschsprachigen Raum gibt es in den USA zahlreiche reine Frauenuniversitäten.

Es gibt rund 60 reine Frauen-Colleges in den USA. Sind das nur Relikte der Vergangenheit oder haben sie Bedeutung für die Zukunft?

Selena Rezvani: Ich sage es mal so: Sie sollten keine Bedeutung mehr haben, aber das haben sie. Es machen inzwischen mehr Frauen als Männer einen Uniabschluss in diesem Land, es gibt also genug Studienplätze für Frauen. Aber Frauen verlassen reine Frauen-Colleges mit wesentlich mehr Führungskompetenz als Frauen, die auf gemischten Colleges waren. Fast alle bekannten Politikerinnen waren auf Frauen-Colleges: Hillary Clinton, Nancy Pelosi, Madeleine Albright. Das ist auffällig. Frauen-Colleges sollten heutzutage gar keinen Sinn mehr haben, aber wenn man solche Ergebnisse sieht, möchte man die eigene Tochter wahrscheinlich doch auf lieber ein Frauen-College schicken.

Doch manchmal haben die Amerikanerinnen auch das Nachsehen. Peinlich berührt stellen Expertinnen beim internationalen Vergleich fest, dass die USA als einzige Industrienation keinen gesetzlich geregelten, bezahlten Erziehungsurlaub hat. Drei Monate nach der Geburt müssen Frauen zurück an den Arbeitsplatz, sonst ist der futsch. Dafür haben sie aber kein Problem, einen Kita-Platz zu finden – professionelle Betreuung gibt es in Hülle und Fülle. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Mutterschaft an sich die Amerikanerinnen nicht davon abhält, Karriere zu machen. Eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit und ständige Dienstreisen allerdings schon.

In so mancherlei Hinsicht haben Frauen in den USA dennoch die Führung übernommen. Um die 15 Prozent beträgt der Frauenanteil an der Spitze, in den Vorständen der „Fortune 500“-Unternehmen. 18 Frauen haben dort sogar den Vorsitz, sie sind CEO. Im Vergleich zu deutschen DAX-Firmen ist das viel, da sitzen nur drei Prozent Frauen im Vorstand, den Vorsitz hat überhaupt keine.
Manche sagen, bald schon kommt in den USA noch mehr Bewegung ins Spiel: 2010 machten dort erstmals mehr Frauen einen Hochschulabschluss als Männer. Und Mitte März 2012 titelt das „Time Magazine“ mit „The Richer Sex“ – bebildert mit einer aus Dollarnoten gefalteten Figur mit Rock. Frauen übernehmen dem gleichnamigen Buch von Liza Mundy zufolge zunehmend die Rolle der Familienernährerin.

Was bedeutet es für Frauen, wenn sich das Modell „Papa bringt das Geld nach Hause“ in den USA ändert?

Joanna Barsh: Wir haben nachgeforscht, welcher Anteil von weiblichen und männlichen Führungskräften glaubt, er oder sie sei der primäre Familienernährer. Das behaupten beinahe so viele Frauen wie Männer, jeweils inklusive der Singles. Was dabei ins Auge fiel: Von all den Frauen, die sagten, sie seien die Ernährerin, sagten 75 Prozent außerdem, sie spielten die primäre Fürsorge- und Erziehungsrolle. Von den Männern sagten das nur 25 Prozent. Wenn beide arbeiten, mag es im Haushalt zwei Leute geben, die denken, sie sorgen für den Unterhalt. Aber bei den Frauen ist es dreimal so wahrscheinlich, dass sie sich außerdem noch um die Familie kümmern.

In solchen Untersuchungen werden Frauen und Männer befragt, die es schon auf eine gehobene Position geschafft haben. Besonders gespannt blicken die USA aber auf die nächste Generation, die gerade versucht, trotz Wirtschaftskrise einen Job zu finden – oder sogar noch studiert. Diese Frauen unterscheiden sich grundlegend von früheren Generationen: Ihr oberstes Karriereziel ist das Unternehmerinnentum, und ihr höchster persönlicher Wert heißt Unabhängigkeit.

Die meisten der weiblichen Top-Führungskräfte in den USA sind über 50 oder über 60. Was ist heute ganz anders für die Frauengeneration, die jetzt in den Startlöchern steht, sagen wir: Mittzwanziger?

Selena Rezvani: Meiner Ansicht nach bedeuten die Befragungsergebnisse dieser jungen Frauen, dass sie eine Menge Auswahlmöglichkeiten, Mitspracherecht und Vielfalt in ihrer Arbeit erwarten werden, wenn sie ins Berufsleben einsteigen. Und ich denke, da kommt dann ein „Reality Bites“ auf sie zu (lacht), es wird starke Spannungen geben zwischen diesen Hoffnungen und Arbeitsplätzen, die in den USA immer noch ganz schön unflexibel und von Hierarchien geprägt sind.

Wer als Frau in den USA Karriere machen will, bekommt seit einigen Jahren zudem einen neuen Rat. Der betrifft die Ratgeber: „A sponsor is more effective than a mentor“ lautet das neue Mantra. Frauen sollen sich einen Fürsprecher, einen Paten suchen – der sie für prestigeträchtige Projekte ins Gespräch bringt, zu wichtigen Sitzungen einlädt, die Bewerbung im Stapel nach oben wandern lässt. Entdeckt haben US-Forscher den „Sponsor“, nachdem sie Spitzenkräfte eingehend danach befragt hatten, was ihnen auf dem Weg nach oben geholfen hat.

Warum sind Paten in den letzten Jahren wichtiger geworden als Mentoren?

Joanna Barsh: Weil Mentoren nur Rat geben. Sie sind sehr weise, aber selbst für Frauen mit vielen Mentoren geht es trotzdem oft nicht voran. In den Interviews für mein Buch sagte mir Ruth Porat [Vice Chair bei Morgan Stanley], dass sie gesponsert wurde. Ich fragte sie, was das bedeute. Sie sagte: ‚Das sind Leute, die sich wirklich um mich gekümmert haben. Ich habe mir ihre Loyalität mit harter Arbeit verdient, und dann haben sie mir Türen geöffnet, Möglichkeiten gegeben und dafür gesorgt, dass ich sie auch annahm.‘ Untersuchungen zufolge sagen die meisten Frauen, sie seien noch nicht so weit gewesen für die nächste Beförderung. Und da sagt ein Pate: ‚Oh doch, das bist du‘, und dann schiebt er sie durch die Tür. (lacht)

Den einen Weg an die Spitze gibt es dennoch nicht. Schon gar nicht in einem Land, das so stark durch Vielfalt geprägt ist – und heute noch mit den Folgen jahrhundertelangen Rassismus‘ zu kämpfen hat. Schwarze, hispanische oder asiatische Frauen in den USA stecken deshalb nicht nur in einer Zwickmühle, für welche „Minderheit“ sie nun stehen und kämpfen sollen. Sie haben auch die geringsten Chancen auf eine Spitzenposition im Beruf: Farbige Amerikanerinnen, so heißt es, haben es nicht mit der berüchtigten Glasdecke, sondern mit einer Zementdecke zu tun.

Wie sehen Sie die heutige Situation einer weiblichen schwarzen, hispanischen oder asiatischen MBA-Absolventin?

Selena Rezvani: Für farbige Frauen ist die Situation in diesem Land von Perfektion weit entfernt. Sie sehen am wenigsten aus wie das traditionelle Bild von Führungspersönlichkeit in diesem Land. Die Leute sind einen älteren weißen Mann gewöhnt. Und als junge, farbige Frau – Junge Junge (lacht), da stehen Sie auf der anderen Seite des Spektrums! Es gibt zwar einzelne Erfolge, wie etwa Sandra Sotomayor, die im Supreme Court sitzt, aber sie sind eher die Ausnahme. Auch wenn das Mut macht, müssen wir viel mehr Frauen an die Spitze bringen, die uns alle repräsentieren.

Allen Frauen in den USA fehlen immer noch Vorbilder. Einen Vorteil haben sie im Vergleich zu anderen Ländern aber: Im US-Verlagswesen hat sich vor langer Zeit das Genre „Memoir“ etabliert – Aufzeichnungen von wahren Geschichten verkaufen sich in diesem Land einfach gut. Und so finden junge Frauen reihenweise Bücher, aus denen sie lernen können: Spitzenfrauen haben gar keine Superkräfte, sondern sind eigentlich so wie du und ich. Sie haben Fehler gemacht, mussten Niederlagen wegstecken, sich ihren Ängsten stellen – aber sie zeigen auch, was man alles erreichen kann. Und Amerikas nächste Vorbilder stehen schon in den Startlöchern.

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