Bitte, was?! Ja, Einarbeitung. Kennt man ja kaum in Deutschland. Ist mir aber letztens (wohlgemerkt als Freelancer) wieder passiert. Bei einem Auftraggeber aus den USA, der mir die Nutzung einer Software beibrachte. Das lief alles sehr gut organisiert und schnell, freundlich und wohlgemerkt auf deren Kosten.
Ich habe es mehrmals bei der Zusammenarbeit mit US-Amerikanern erlebt (auch an der Uni in den USA), dass man sehr genau eingewiesen wurde. Fast schon überorganisiert für meine Begriffe. Ich brauch ja gar nicht so viel Struktur, finde schon alles selbst raus und gebe dem Zufall gern ein bisschen Raum. I ike to wing it – aber OK. Erstaunlicherweise fand sogar ich es beruhigend, ein paar klare Ansagen zu bekommen.
Bevor es mit der ersten Vorlesung losging, erklärten uns die Uni-Angestellten genau: „Hier sind die blauen Zettel, die füllt Ihr bitte jetzt aus. Und das hier sind die gelben, die braucht Ihr erst morgen. Und die grünen hier, das sind die Feedback-Bögen, die liegen am letzten Tag in den Break-out-Rooms für Euch bereit…“
Einarbeitung in Deutschland? Fehlanzeige
In Deutschland hab ich fast nie eine gute Einweisung erlebt. Da wird einem die Arbeit hingeschmissen: „Mach mal. Und wenn Du Fragen hast… finde die Antworten am besten selbst heraus.“ Meistens hieß es, für eine Einarbeitung sei keine Zeit. Oder kein Geld da.
Wenn wir zum Beispiel bei einem meiner Ex-Arbeitgeber eine neue Software einführten, mussten wir als Führungskräfte immer davon ausgehen, dass die selbsterklärend ist. Flächendeckende Schulungen wären zu teuer und aufwändig gewesen. Das Kaskadenprinzip (wir schulen ein paar Leute, die dann wiederum andere schulen) war ein Mittelweg, hat aber nicht wirklich funktioniert.
Die Folgen waren gravierend: Die Mehrheit der User kannte und nutzte nur einen Bruchteil der tollen neuen Funktionalitäten. Viel Zeit wurde damit verschwendet, wild herumzuprobieren, bei der IT anzurufen oder bei den Kollegen im Nachbarbüro nachzufragen. Hm, was all das wohl gekostet hat?
Übrigens: Dem Neuen oder der Neuen einfach ein Software-Handbuch oder die „Bibel“ des Unternehmens hinzuwerfen, zählt nicht. Das ist nice to have zum Nachschlagen, ersetzt aber nicht die persönliche Unterweisung.
Zurück zu den Amis. Auch diesmal war ich überrascht, was für einen positiven Effekt die Einarbeitung auf mich hatte. (Wie gesagt trotz meiner Danke-ich-find-mich-schon-allein-zurecht-Disposition.)
Fünf Gründe, warum eine gründliche Einarbeitung sich auszahlt
- Eine Einarbeitung ist effizient: Man kann vorab Fragen klären und vermeidet langes Herumprobieren oder teure Fehler.
- Dann verleiht sie dem Newcomer Sicherheit im Tun. In Zeiten, die immer dynamischer und unübersichtlicher werden, ist das wertvoll.
- Es zeigt eine unglaubliche Wertschätzung, dass sich jemand die Zeit nimmt und die Mühe macht, einem etwas beizubringen.
- Und es ist eine Investition in die Zukunft – das Unternehmen setzt ein solides Fundament, auf das es später aufbauen kann.
- Und all das wiederum ist eine richtig starke Motivation, sich mit Feuereifer an die Aufgabe zu machen.
Und obwohl ich im Herzen Autodidaktin bin, muss ich sagen: Ja, es ist ein qualitativer Unterschied, ob ich mich selber irgendwie in etwas hineingefummelt habe oder ob ich es von der Pike auf gelernt habe.
Einen Haken hat das Ganze allerdings: Die Einarbeiter selbst sollten wissen, was sie tun. Und einigermaßen gut organisiert sein. Alles andere fällt auf. ;)
Linkstipps:
- Einarbeitung neuer Mitarbeiter: Ein Pate steht zur Seite
- Der ultimative Führungstipp: Versuch’s mal mit Menschlichkeit!
- Erster Arbeitstag: Wissen, was dich erwartet [Sponsored Post]
Dieser Text erschien zuerst in Lydia Krügers Blog Büronymus – die menschliche Seite der Arbeit.