„Kommunizieren Sie auf gleicher Höhe mit den Russen!“ rät die Autorin und interkulturelle Trainerin Daria Boll-Palievskaya. Die Moskauerin lebt seit Jahren in Deutschland und kennt daher die Fallstricke für Deutsche, die sich mit der russischen Mentalität konfrontiert sehen, sehr genau.
Frau Boll-Palievskaya, was empfehlen Sie einem Deutschen, wenn er zum Studium oder für seine Firma nach Russland fährt? Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder Russland-Reisende versuchen sollte, sich von Klischees zu befreien und auf gleicher Höhe mit der anderen Kultur zu kommunizieren. Das bedeutet dann eben, dass Sie sich nicht die ganze Zeit sagen: Wann werden die Russen endlich pünktlich und zuverlässig? Versuchen Sie stattdessen nachzuvollziehen, welche Hintergründe dahinter stecken.
Für Russen gibt es keine strikte Trennung zwischen Beruf und Privatleben, Privates wird mit ins Büro genommen und umgekehrt werden Kollegen auch nach Hause eingeladen und private Gespräche mit ihnen geführt. Eine Untersuchung ergab vor kurzem, dass in russischen Unternehmen die Mitarbeiter zirka eine Stunde mit ihren Kollegen sprechen, 85 Minuten gehen fürs Rauchen drauf, also eigentlich auch wieder für Gespräche und 45 Minuten für Tee oder Kaffee – also Gespräche. Sie als deutscher Chef würden es nicht schaffen, ihre Mitarbeiter umzuerziehen. Also müssen Sie Kompromisse eingehen…
Welche könnten das sein? Indem Sie Ihren Mitarbeitern grundsätzlich Achtung entgegen bringen und Autorität ausüben, ohne sie zu bemuttern. Das heißt, sie tolerieren die Gespräche, vereinbaren aber klare Ziele, die Sie auch konsequent einfordern und entsprechend nachhaken. Sie bringen Ihre Leute eher dazu, loyal zu sein und gut mitzuarbeiten, wenn Sie es schaffen, die Wichtigkeit Ihres Anliegens deutlich zu machen.
Die Russen gelten ja als unfreundlich und verschlossen…? So mag das auf den ersten Blick erscheinen, es stimmt, meistens lächelt man nicht so viel. Aber die Menschen haben auch oft nicht so viel zu lachen: Jeder hat mit Behördenwillkür, bestechlichen Beamten, dem Verkehr, den hohen Preisen zu kämpfen – und dann soll man noch lächeln? Allerdings ändert sich das fundamental, sobald sich Ihnen ein Russe öffnet. Dann haben Sie Zugang zu seiner Familie, seinen Freunden und seinen Beziehungen. Dann versteht es ein Russe auch nicht mehr, wenn Sie sich als Deutscher nach der Regel “Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps” verhalten.