IT-Beratung, Karriere, Kind – alles auf einmal, und das als Frau. Ihre Laufbahn bei Accenture und McKinsey war für Anke Domscheit-Berg alles andere als rosarot. Nach mehr als zehn Jahren als Consultant wechselte sie zu Microsoft, kehrte aber später in die Beratungsbranche zurück: mit gleich zwei eigenen Firmen und Themen, die ihr am Herzen liegen (siehe fempower.me und opengov.me). Im Interview erzählt Domscheit-Berg, was Frauen eine Beratungskarriere regelrecht vergällt – und wie sich die Mühsal auszahlen kann.
Frau Domscheit-Berg, die Unternehmensberatung McKinsey hat unter anderem mit Ihrer Hilfe in der Studienreihe „Women Matter“ festgestellt, dass Unternehmen bessere Ergebnisse haben, wenn Frauen an der Spitze mitmischen. Warum haben dann die Unternehmensberatungen selbst so wenige Partnerinnen? Anke Domscheit-Berg: Das ist eine berechtigte Frage, die ich auch gerne stelle. Ich habe im BWL-Studium gelernt, der Mensch sei ein homo oeconomicus, es ginge immer danach, das ökonomisch Beste herauszufinden. Doch das ist oft gar nicht das ausschlaggebende Element, insbesondere bei Besetzungsentscheidungen. Weil dabei viele Leistungsbewertungen subjektiviert werden, bekommt am Ende nicht der Beste den Job, sondern derjenige, der sich am besten darstellt, der demjenigen, der darüber entscheidet, am ähnlichsten ist, der stereotypisierten Vorstellungen darüber entspricht, wie eine Person in einer solchen Position beschaffen sein soll. All diese Dinge wirken zusammen, und zwar auch in Unternehmensberatungen, die sich zu dem Thema selbst zu Wort gemeldet haben. Aber intern hat das einige Augen geöffnet, es hat den Frauenanteil erhöht. Zusätzlich kommt in Unternehmensberatungen aber auch das klassische Lebensmodell eines Beraters erschwerend hinzu.
Wie bremst das denn die Frauen aus? Je nach Beratung ist man von Montag bis Donnerstag oder Freitag unterwegs, fliegt permanent in der Gegend herum und hat extrem lange Arbeitszeiten. Das wird für viele Menschen schwieriger, sobald sie einen Partner oder eine Familie haben. Männer kommen mit diesem Konflikt eher klar als Frauen. Weibliche Anhänge sind zudem eher bereit als männliche Anhänge, so etwas hinzunehmen.
Aber es gibt doch auch Frauen, die den Job an erste Stelle stellen und keine Kinder haben? Das ist richtig. Der Wunsch nach Privatleben ist aber nur eines von vielen Hindernissen, und alle anderen gelten immer noch für diese Frauen. Sie verhalten sich nicht ähnlich genug, sehen schlicht anders aus, kommunizieren anders und so etwas. Auf unzähligen Projekten habe ich beispielsweise sowohl von Kunden als auch von Kollegen immer wieder vermittelt bekommen: Frau und IT, das geht nicht. Das nervt viele Frauen total.
Konnten Sie das irgendwann abschütteln? Ich sage zwar Frauen in Führungspositionen in all meinen Workshops, dass sie sich Teflon wachsen lassen sollen und das an sich abperlen lassen, aber man schafft es nicht immer. Ich habe auch nach zehn Jahren Beratung erlebt, dass Kollegen, die erst seit neun Monaten im Berufsleben stehen, sich einbilden, sie wüssten alles besser als ich, die schon seit so vielen Jahren IT-Projekte macht. Da hätte ich manchmal schreien können. .
Was macht man denn in so einem Moment – vermutlich nicht schreien? Das Problem ist, dass die einem ja nicht ins Gesicht sagen: Du bist doof und ich respektiere dich nicht. Sondern man merkt es an tausend kleinen Dingen: Fragende Blicke oder Fragen wie „Bist du dir sicher, dass das so eine gute Idee ist?“ kommen überdurchschnittlich häufig. Dazu sage ich zum Beispiel: „Ja, ich bin mir sicher, vertrau mir, ich habe da mehr Erfahrung als du.“ Aber wenn man all die anderen Nachteile sieht, Reisen und wenig Schlaf, keine Hobbys, man sieht seine Liebsten kaum, und dann noch das Gefühl bekommt, man wird nicht anerkannt, führt das dazu, dass Frauen schlicht vertrieben werden.
Das klingt krass. Gibt es denn auch Vorteile für Frauen in der Unternehmensberatung? Ja! Ich rate jüngeren Frauen nach dem Studium durchaus zur Unternehmensberatung, weil sie dort sehr viel lernen, auf abwechslungsreichen und anspruchsvollen Projekten arbeiten, schnell Karriere machen und auch viel mehr verdienen als woanders. Da ist auch ein bisschen Schmerzensgeld dabei. Man kann zu spannenden Trainings fahren, oft im Ausland, wo man viele internationale Kollegen kennenlernt und mit Fremdsprachen in Berührung kommt. Man ist intern sehr gut vernetzt, und mit Glück hat man auch nach dem Ausstieg ein Alumni-Netz, wo man sich Hilfe, Tipps und Informationen holen kann. Das sollte man nicht unterbewerten. Die Unternehmensberatung ist ein perfektes Sprungbrett: Von dort nehmen Sie alle möglichen Unternehmen extrem gerne. Bei McKinsey ist die durchschnittliche Verweildauer drei Jahre, das überlebt jede und jeder. Aber viele Jahre dort bleiben und dann Direktorin werden, das ist schon sehr hardcore.
Sie haben den Satz geprägt: Macht ist nicht rosa. Welche Farbe hat sie denn? Ich glaube, sie hat keine, schon gar keine geschlechtskonnotierte Farbe. Bei der Google-Bildersuche nach Vorständen findet man durchschnittliche, mittelalte weiße Männer in schwarzen Anzügen und weißen Hemden und irgendeiner besonders langweiligen, kleingemusterten Krawatte. Das ist die Farbe, die Management heute hat. Ich finde es ganz furchtbar, wenn man Macht mit Anthrazit assoziiert. Ich wurde früher massiv darauf hingewiesen, dass man kein rotes Business-Hemd anzieht, obwohl davon nur ein kleines Dreieck aus meinem dunklen Kostüm herausschaute. Ich habe es natürlich trotzdem gemacht. Das Ziel der maximalen Anpassung führt zu nichts, weil wir uns da nicht wohlfühlen. Wir müssen Kompromisse machen und uns den Spielregeln in Grenzen anpassen, wir sollen uns aber nie als Frau verraten. Und für mich gehörte unbedingt dieses rote Hemd dazu. Man muss sich selbst solche Freiheiten erkämpfen. Veränderung geht oft nur in kleinen Schritten, aber sie geht.
Bild: fotografa-Berlin