Frauen und Macht: Raus aus alten Rollenzuschreibungen

Was denkst du als Frau über Macht? Fühlt sich Macht für dich schmutzig an? Macht anzustreben, ist für dich daher Tabu? Falls ja, bist du damit nicht allein, den meisten Frauen geht es so. Sie haben früh gelernt: „Macht ist nichts für dich!“

Frauen in Macht- und Ohnmachtsspiralen

Frauen, die heute ins Management aufrücken, haben oftmals eine Sozialisation und Erziehung zu Anpassung und Gehorsam erlebt, und in der Eltern- und Großelterngeneration eine gewaltvolle Vergangenheit: Rassismus und Faschismus wirken bis heute nach. Sigmund Freud spricht von Gefühlserbschaften, die über viele Generationen weitergegeben werden und eine negative Wirkung entfalten.

Bis heute befinden sich Frauen vielfach in einem Setting – im privaten wie auch im beruflichen Umfeld –, das von Macht- und Ohnmachtsspiralen gekennzeichnet ist: Die Männer dominieren, die Frau passen sich an. Auch sind Frauen immer noch häufig Opfer von Machtmissbrauch.

Es gibt wenige weibliche Vorbilder für Macht

Das führt dazu, dass Frauen wenige weibliche Macht-Vorbilder haben. Das Tabu nach Macht zu greifen, hindert sie daran, gegen Machtmissbrauch vorzugehen, sich nicht dem Missbrauch zu unterwerfen – und eben auch, Machtpositionen anzustreben. Man könnte auch sagen, dass Frauen unter einem Machtvakuum leiden. Ein Dilemma für Frauen in Führungspositionen – denn: Wer führen will, muss nach Macht greifen wollen.

Macht in Unternehmen ist subtil

Im Unternehmenskontext laufen Macht-Ohnmachtsspiralen subtil ab, man spricht hier eher von Mikroaggressionen. Das steht in der Regel im Widerspruch zur Unternehmensbotschaft: Inklusion, Diversity-Maßnahmen und Leadership-Programme, die weibliche Kompetenzen fördern, machen den Eindruck, als ob Frauen alle Türen bis in die Top-Führungsetagen geöffnet werden.

Meine Studie (Side-by-Side Studie, 2020), für die ich psychologische Tiefeninterviews mit 30 Frauen in Spitzenpositionen zu deren Karrierewiderständen geführt habe, zeigt jedoch ein völlig anderes Bild: Frauen erleben in den Unternehmen nicht nur seitens ihrer Kollegen Respektlosigkeiten. Es gibt neben Sexismus auch ein offen oder unterschwellig aggressives Verhalten von Führungskräften ihnen gegenüber.

Frauen leiden unter einem Machtvakuum. Aber wer führen will, muss nach Macht greifen wollen.

Martina Lackner

Was Frauen in Top-Führungspositionen erleben

Die Devise auf dem Kriegsschauplatz „Unternehmen“ lautet noch allzu oft: Frauen kleinhalten und „weichkochen“. Vor allem was die Besetzung von Top-Führungspositionen anbelangt. Zitate von Frauen aus der Studie verdeutlichen das:

  • „Männer sehen nicht ein, dass sie sich mir unterordnen.“
  • „Ziel des Vorstands war, die Quote zu halten: 16 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen. Dabei haben wir über 50 Prozent Frauenanteil im Unternehmen.“
  • „Eine Frau in Führungspositionen kommt dann gut weiter, wenn sie mit Männern gut kann.“

Könnte einer dieser Sätze auch von dir kommen? Was ist deine persönliche berufliche Macht-Ohnmachtsspirale?

Macht entwickeln

Fest steht: Um als Führungskraft wahrgenommen zu werden, brauchst du auch als Frau Macht. Doch wie kannst du sie vor dem geschilderten Hintergrund entwickeln? Indem du dich auf einen inneren Prozess einlässt. Drei Fragestellungen sind dabei wichtig:

  1. Wer begrenzt mich?
    Im Alltag ist uns vielfach nicht bewusst, wer uns eigentlich begrenzt. Versuche es herauszufinden! Handelt es sich um ein altes Thema beziehungsweise um alte Glaubenssätze? Eine Begrenzung, die du verinnerlicht hast und nun selbst täglich anwendest?
  2. Was ist meine gewohnte und trainierte Reaktion auf diese Begrenzung?
    Klopfst du dir heimlich auf die Finger, wenn du daran denkst, mehr zu wollen? Mehr Geld, mehr Freiraum, mehr Macht, einen Karrieresprung… Etwa, weil du Angst hast, zu versagen, zu scheitern, oder weil du einfach aus deiner Komfortzone nicht herauswillst? Setze dich damit auseinander, wie du dich selbst begrenzt: Machst du dich klein? Bewirbst du dich nicht? Willst du unsichtbar bleiben? Werde dir deiner Vermeidungsstrategien bewusst. Und spüre hin: Welche Gefühle überkommen dich, wenn du an mehr Macht und Einfluss denkst? Hole diese Emotionen an die Oberfläche. Denn sie sind dein Feind, solange sie in deinem Unbewussten agieren.
  3. Welche neue alternative Strategie muss ich anwenden, um welches Ziel zu erreichen?
    Wenn du die Emotionen kennst, kannst du neue Strategien erarbeiten. Konkret geht es darum, neue Reaktionsmuster zu erlernen beziehungsweise zu trainieren, damit du dich im emotionalen Raum weiterentwickelst. Solange dich nämlich beispielsweise die Angst dominiert, wirst du dich auf keine Führungsposition bewerben. Solange du nicht an deine eigene Machtentwicklung glaubst, wirst du nie einflussreich werden. Solange du dich selbst als Opfer deines Vorgesetzten siehst, wird er dich dominieren – und dich nicht Herrin deiner eigenen Situation werden lassen.

Transformiere deine Gefühle!

Fazit: Der Aufstieg zur Macht beginnt in dir selbst – in der Transformation der Gefühle, die dir dabei im Weg stehen. Macht hat man nicht erst durch eine machtvolle Position, Macht muss man in sich selbst entwickeln. Nur so kommt man in eine machtvolle Position!

Unsere Autorin Martina Lackner

Martina Lackner ist als Psychologin, Executive Mentorin und Beraterin spezialisiert auf das Thema „Gesunde Machtstrategien und Machtentwicklung für Frauen in Spitzenpositionen in Wirtschaft und Politik“. Sie ist Autorin des Buches „Raus aus dem Regiment der Rollenzuschreibungen“ (Springer 2023), das auf einer Studie zum Thema basiert. Mehr Infos über Martina und ihre Arbeit findet ihr hier: martinalackner.com

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