Dr. Margarete Haase: „Es gibt leider nicht nur unter den Männern Gegner der Quote.“

Margarete Haase, Vorstand Deutz AG
Margarete Haase, Vorstand Deutz AG

Frauen trifft man auf der Karriere-Etage selten: Als Finanzvorstand bei DEUTZ steht Dr. Margarete Haase an der Spitze eines börsennotierten Unternehmens. Die „Managerin des Jahres 2011“ (Financial Times Deutschland) erklärt im Interview, warum Deutschland eine Frauenquote braucht und was das Wort „tough“ wirklich bedeutet.

Frau Haase, Sie arbeiten seit langem als Finanzexpertin in der Motorenbranche. Womit tun sich Ingenieure und Techniker schwerer: Mit einer Frau zusammenzuarbeiten oder mit jemandem aus der Finanzabteilung?

Margarete Haase: Das macht für mich keinen Unterschied. Ich arbeite mit allen sehr gerne zusammen und ich denke, dass man da nicht nach dem Berufsfeld beurteilen sollte.

Und Ihnen gegenüber gibt es keine Vorurteile?

Ich bin ja schon so lange dabei, dass es mir nicht auffallen würde (lacht). Aber ich vermute, auch wenn dies kein Vorurteil ist, dass mir der Ruf vorauseilt, dass ich kann, was ich mache.

Stimmt es, dass Sie sich schon einmal anhören mussten: „Für diese Position ist eine Frau nicht tough genug“? 

Ja, das habe ich schon erlebt, ja.

Und heute lachen Sie drüber. 

Ja.

Das ist ja auch eine ganz schöne Unverschämtheit. Aber jetzt mal unter uns: Enthält diese Vorstellung irgendein Körnchen Wahrheit? 

Ich kann keine Wahrheit darin entdecken. Ich glaube, dass Frauen mindestens genauso tough sind wie Männer, aber weicher wirken durch ihren angenehmeren Auftritt, ihre vielleicht leisere Stimme, ausgeprägtere Diplomatie, mehr Fragen, verstärktes Interesse für Menschen. Aber das hat weder mit mangelnder Durchsetzungskraft noch mit schwächeren Ergebnissen zu tun. Wegen des Habitus einer Frau können sich Männer oft nicht vorstellen, dass so eine Person dann auch Erfolg hat. Das ist eine große Hürde. Aber wenn Männer sich Frauen einfach nur nicht in einer höheren Position als der aktuellen vorstellen können, dann kann man nachhelfen. Deswegen glaube ich, dass dieses kulturelle Manko im ersten Schritt durch eine Quote verbessert werden kann, solange so viele wichtige Personalentscheidungen von Männern getroffen werden.

Muss man denn tatsächlich tough sein, um eine Führungsposition auszufüllen, oder könnte man auch das kulturell ganz anders angehen? 

Das muss man differenziert betrachten: Eine Komponente von „tough“ ist „konsequent“. Wenn Sie einmal etwas gesagt haben, dann müssen Sie dabei bleiben. Wenn Sie sehr viel klüger werden, dann dürfen Sie das auch zugeben und Ihre Meinung ändern. Aber Sie dürfen sich von neuen Informationen nicht gleich umwerfen lassen. Vor allem, was Disziplin und Verantwortung für Menschen betrifft. Das ist ein ganz wichtiger Teilbereich dieses Schlagworts „tough“.

Gibt es noch weitere? 

Eine andere Komponente ist die Durchsetzungsfähigkeit. Wenn Sie etwa mit einem Geschäftspartner verhandeln, müssen Sie Ausdauer zeigen, dürfen auch bei Widerständen nicht einknicken. Und die dritte Komponente ist das dicke Fell. Man kann nicht immer gewinnen. Deswegen müssen Sie dann, wenn Sie sich nicht durchgesetzt haben, ab und zu einfach mal sagen können: Okay, da hat sich der andere durchgesetzt. Diese drei Komponenten zusammen würde ich unter tough verstehen.

Was braucht man, um so auftreten zu können? 

Dazu braucht man Konfliktfähigkeit. Viele trauen sich gar nicht, etwas einzufordern, weil sie Angst haben, zu verlieren. Dann haben sie auf jeden Fall schon verloren. Entweder weil sie sich nicht getraut haben oder weil sie so zaghaft sind, dass der andere merkt: Die kann ich überrennen.

Sie sind in schwierigen Zeiten zu DEUTZ gewechselt, während der Finanzkrise, als es auch dem Unternehmen nicht gut ging. Wie setzt man da als neue Führungskraft Ideen und Strategien erfolgreich durch? 

Es ist in so einer Situation wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen. Das heißt: Gut erklären, wo man steht, also nicht schwarzmalen, aber auch nichts beschönigen, sondern transparent darstellen. Wenn die Leute wissen, wo das Unternehmen steht, dann wissen sie auch, dass etwas passieren muss. Dann sollte man die einzelnen Maßnahmen gut begründen und möglichst die Menschen einbeziehen, so dass sie selbst in der Lage sind, mit zu gestalten, Einfluss zu nehmen, Ideen zu entwickeln, wie es weitergehen kann. Dann hat man schon halb gewonnen.

Und die andere Hälfte? 

Die andere Hälfte ist harte Arbeit (lacht).

Was haben Sie in Ihren Büroräumen verändert, als Sie zu DEUTZ gekommen sind? 

Aufgeräumt. Ich habe gerne den Kopf frei und nicht den Tisch voller Papier und Akten. Ich bevorzuge eine elektronische Ablage und den Hubschrauberblick.

Wenn man wie Sie erst einmal im Vorstand sitzt, kommen die Aufsichtsratsposten dann von ganz alleine? 

Ja. Es ist nicht umgekehrt so, dass man zuerst Aufsichtsrat würde und dann Vorstand.

Und diese Posten werden dann an Sie herangetragen? 

Ja.

Im Januar haben die Anleger von Siemens eine Frauenquote für den Aufsichtsrat des Unternehmens abgelehnt – mit 93 Prozent der Stimmen und Argumenten wie „verfassungswidrig“. Wie erklären sie sich eine so vehemente Ablehnung? 

Das Thema „verfassungswidrig“ ist ja schon geklärt. Ich erkläre mir das aus der Mentalität in Deutschland. Und es gibt leider nicht nur unter den Männern Gegner der Quote, sondern auch unter den Frauen. Vor allem, was ich sehr schade finde, unter denen, die es schon geschafft haben.

Was hat Ihre Ansichten zur Frauenquote über die Jahre geformt? 

Ich hatte eine gute Basis von Elternhaus, Erziehung, Rollenvorbildern und Studium, bin entsprechend rasch auch in berufliche Netzwerke vorgedrungen und hatte schnell Erfolge. Dabei war ich nachträglich gesehen sehr naiv. Erst wenn man merkt, dass man zum zweiten oder dritten Mal überholt wird, fängt man mit dem Nachdenken an. Und erst sehr spät führt man es darauf zurück, dass man eine Frau ist. Weil man zunächst die Schuld bei sich selber sucht und denkt, man müsste noch dies und jenes lernen. Aber nachdem ich bestimmte Aufgaben nicht bekommen habe, obwohl eindeutig war, dass ich sie aufgrund meiner Erfahrungen sehr gut ausgefüllt hätte, und dass wegen meiner Leistungen andere Karriere machten und nicht ich – da habe ich mir gesagt: Es scheint ohne Quote nicht zu klappen. Wenn ein Job frei wird und den Männern immer nur Männer einfallen, die dafür in Frage kämen, dann liegt das daran, dass sie Männer immer wieder treffen. Das ist gar nichts Böses, sondern ihnen fallen diejenigen ein, die sie immer wieder treffen. Frauen sind nicht in diesen Netzwerken.

Sind spezielle Frauen-Netzwerke dann nur eine weitere Bremse? Schließlich bekommen die entscheidungstragenden Männer dadurch immer noch nichts von den weiblichen Talenten mit. 

In der Zwischenzeit gibt es ja auch viele Frauen in wichtigen Positionen, und Frauennetzwerke helfen, frauenspezifische Erfahrungen auszutauschen, einander zu helfen und zu beraten. Denn manchmal erlebt man etwas und fragt sich: Passiert das nur mir? Oder passiert das, weil ich eine Frau bin? Da kann man gut vergleichen und Erfahrungen austauschen. Aber Sie haben schon recht: Frauennetzwerke allein sind sicher keine Lösung.

Was hat Sie bewogen, die Berliner Erklärung zu unterzeichnen? 

Genau diese Thematik. Ich glaube, dass man ohne starken politischen Druck nicht weiterkommt in Deutschland. Wir hinken da hinterher.

Ein wirtschaftliches Argument für die Quote sind diverse Studien, die besagen, dass ein Unternehmen wirtschaftlich besser dasteht, sobald eine oder mehrere Frauen an dessen Spitze arbeiten. Was machen Frauen denn anders als Männer? 

Frauen sind ausbalancierter, was Chancen und Risiken betrifft. Ich glaube, dass Männer manchmal eher dazu neigen, gewagte Entscheidungen zu treffen. Frauen nehmen sich als Person nicht so wichtig, sind deshalb, glaube ich, sachlicher und können so mit kühlem Kopf analysieren, wenn ein Weg falsch ist, den man beschritten hat. Auch können sie leichter wieder zurückrudern und Risiken begrenzen. In der Finanzwirtschaft zeigt sich das: Investmentfonds, die von Frauen geleitet werden, performen ausgezeichnet.

Dass Frauen weniger dazu neigen, gewagte Entscheidungen zu treffen, gilt aber wiederum auch als typische Karrierehürde. 

Ich habe mich im Zweifel immer für die schwierigere, größere, mutigere Alternative entschieden, um zu lernen und auch, weil sie im Zweifel die meisten Chancen bietet und einen weiterbringt. Das liegt nicht jedem. Aber weil Frauen ja leider immer noch weniger zugetraut wird, ist es ganz wichtig, dass sie sich selbst etwas zutrauen. Deswegen sollten sie sich für das Risikoreichere und Operative entscheiden, wenn sie die Wahl haben. Frauen sollten sich eine Funktion zum Ziel setzen, in der sie Geschäftsverantwortung haben, etwa für Vertrieb, Produktion, Operations. Denn diese Arbeit bringt messbare Ergebnisse. Im Gegensatz dazu stehen Stabsaufgaben, die nur beratende Funktion haben, etwa in Strategie-, Steuer- oder Rechtsabteilungen. Man muss natürlich schon genau hinschauen, man soll ja keine Abenteuer eingehen, die man gar nicht bestehen kann. Aber da mache ich mir keine Sorgen: Frauen neigen schließlich immer dazu, sich eher zu wenig zuzutrauen als Zuviel.

Zur Person

Margarete Haase (Jahrgang 1953) stammt aus Österreich. Sie studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Harvard Business School. Zwanzig Jahre lang arbeitete sie ab 1987 im Daimler-Konzern in verschiedenen Führungspositionen, unter anderem als kaufmännische Leiterin des Motorenwerks Berlin. 2007 wurde sie Mitglied im Vorstand der Daimler Financial Services AG Berlin. Im April 2009 wechselte sie in den Vorstand der DEUTZ AG Köln. Dort ist sie für Finanzen, Personal und Investor Relations verantwortlich. Zudem sitzt Haase bei Fraport und bei ElringKlinger im Aufsichtsrat. Die Wirtschaftszeitung „Financial Times Deutschland“ kürte sie zur Managerin des Jahres 2011. Margarete Haase ist verheiratet und hat ein Kind.

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