Wer ein Unternehmen beziehungsweise eine Stelle verlässt oder aber dort arbeitet, wo die Führungsetage wechselt, bekommt ein Arbeits- oder Zwischenzeugnis ausgestellt. Da Zeugnisse in Deutschland immer noch eine zentrale Rolle spielen, sollte man dieses sehr ernst nehmen.
Rechtsanspruch auf Papier
Dabei ist das Arbeitszeugnis eines der Dinge, auf die jeder Arbeitnehmer, vollkommen ungeachtet der Art seines Berufs (Vollzeit, Teilzeit, Minijob, Ausbildung usw.) Anspruch hat. Das ist ziemlich einzigartig – außer Deutschland kennen nur wenige andere Länder einen ähnlichen Rechtsanspruch.
Der gesetzliche Hintergrund dafür ist § 109 der Gewerbeordnung: „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis […]“
Sprich: Eine Chefin muss zwingend ein Zeugnis ausstellen, ohne Wenn und Aber. Auch interessant: Aus dem Gesetz geht ebenfalls hervor, dass das Zeugnis auf Papier ausgestellt werden muss: „Eine Erteilung […] in elektronischer Form ist ausgeschlossen“.
Einfach oder qualifiziert
Dabei haben Arbeitnehmer Anspruch auf zwei mögliche Varianten des Leistungsnachweises:
- Das einfache Arbeitszeugnis gibt nur eine oberflächliche Auskunft darüber, wie lange der Arbeitnehmer im Unternehmen war und welche Tätigkeiten er dort ausgeübt hat.
- Das qualifizierte Arbeitszeugnis indes macht zusätzlich weitreichende Angaben darüber, wie die Leistungen und das berufliche Verhalten des Arbeitnehmers zu bewerten sind.
Welche Variante man möchte, hängt dabei vom Arbeitnehmer ab, der Vorgesetze muss die Wahl akzeptieren. Zu empfehlen ist dabei allerdings die qualifizierte Option, denn nur sie ermöglicht auch eine qualitative Bewertung des Lebenslaufs für den nächsten Arbeitgeber.
Ein Zeugnis muss sich auf drei Grundsätze stützen:
W, W und ein V
Mit einem Zeugnis hätte ein Vorgesetzter die Möglichkeit, einen bei ihm – warum auch immer – ungelittenen Arbeitnehmer die berufliche Zukunft gehörig zu blockieren. Um das zu vermeiden, unterliegt das Ausfertigen des Arbeitszeugnisses drei maßgeblichen Regularien:
- Wahrheitspflicht. Alles, was im Zeugnis steht, muss der Realität entsprechen; es darf weder überzogen sein, noch darf es Dinge auslassen, die für einen künftigen Arbeitgeber von Bedeutung sein könnten.
- Wohlwollen. Das Zeugnis soll letztendlich dem Arbeitnehmer dazu dienen, eine andere Arbeitsstelle zu finden. Aus diesem Grund muss der Tenor generell „wohlwollend“ sein. Gleichsam darf es aber gemäß der Wahrheitspflicht nicht dazu führen, dass echtes Fehlverhalten, etwa dauerhaft schwache Leistungen, unter den Teppich gekehrt werden (hier liegt auch die Krux in der Formulierung für viele Personalverantwortliche).
- Vollständigkeit. Es muss alles darin behandelt werden, was für den Beruf und die Leistungsbeurteilung von Bedeutung sein könnte. Das bedeutet also nicht nur die nackte Leistung des Arbeitnehmers, sondern auch beispielsweise, wie er sich charakterlich im Unternehmen gegenüber Kollegen und Vorgesetzten gegeben hat.
Allerdings hat der WWV-Grundsatz auch zu einem Dilemma geführt, mit dem sich schon des Öfteren Gerichte befassen mussten: Codewörter – auf die das übernächste Kapitel genauer eingehen wird.
Die Gliederung
Für Geschäftsbriefe gibt es in Deutschland DIN-Normen, an die man sich halten muss. Interessanterweise gibt es für Arbeitszeugnisse nichts Vergleichbares. Da hat sich im Lauf der Zeit nur eine Gliederung eingebürgert, die zur semi-offiziellen Pflicht wurde:
- Offizieller Firmen-Briefkopf
- Einleitung
- Firmenvorstellung
- Tätigkeitsbeschreibung
- Leistungsbeurteilung
- Beurteilung des Sozialverhaltens
- Ausscheidungsgrund
- Schlussformulierung mit Dank- und Bedauernsformel
- Datum und Unterschrift des Vorgesetzten
Die meisten Arbeitgeber halten sich daran. Wem allerdings die Möglichkeit offeriert wird, sein Zeugnis selbst zu verfassen – etwas, das immer häufiger gestattet wird – der findet im Internet passende Muster, an die er sich halten sollte. Denn dadurch, dass sich diese Gliederungsreihenfolge und auch die Formulierungen (siehe nächstes Kapitel) eingebürgert haben, kann man bei zu forschem, blinden Vorgehen sich selbst ein Bein stellen und ein schlechteres Zeugnis ausstellen, als man eigentlich wollte.
Formulierungen und Stolperfallen
Noch einmal in Kürze: Das Arbeitszeugnis muss wahrheitsgemäß, aber gleichzeitig auch wohlwollend sein. Ein Widerspruch in sich, denn nicht jeder Arbeitnehmer ist hundertprozentig perfekt. Aus diesem Grund haben sich im Lauf der Zeit bestimmte Formulierungen standardisiert, ein sogenannter Zeugniscode und zwar in:
- Leistungsbeurteilung
- Beurteilung des Sozialverhaltens
- Schlussformulierung
Der Trick dabei: Durch geschicktes Formulieren oder Auslassen von Wörtern wird ein Zeugnis erstellt, das grundsätzlich positiv klingt, aber dennoch dem nächsten Arbeitgeber ein ziemlich genaues Bild über die Eigenschaften seines Bewerbers vermittelt.
Wer etwa „…die ihm übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse erledigt“, der bekommt vom Arbeitgeber das, was im Schulzeugnis einem „Mangelhaft“ entspräche. Er war zwar immer mit Fleiß und Interesse dabei, aber nirgendwo steht, dass er die Aufgaben auch zur Zufriedenheit der Firma erledigte.
Und wer „durch seine Geselligkeit das Betriebsklima aufwertete“ war letzten Endes die Ulknudel des Betriebs, die bei jeder Firmenfeier an der Bar tüchtig zulangte.
Das Problem daran ist, dass § 109 eigentlich Geheimcodes im Zeugnis verbietet: „[…] Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.“. Aus diesem Grund befassten sich auch schon diverse Gerichte mit Fällen, in denen Arbeitnehmer sich zu Unrecht „codiert“ fühlten.
Dabei zeigt der „Kennen gelernt“-Fall, der 2008 in Köln verhandelt wurde, das Dilemma dieses Verbots: Denn in der Praxis lassen sich diese Codes, sofern sie geschickt formuliert sind, kaum stichhaltig nachweisen.
Was tun, wenn man unzufrieden ist?
Zu kurz, voller echter und vermeintlicher Codes, Rechtschreibfehler. Es gibt viele Gründe, warum man ein Arbeitszeugnis nicht in der Form akzeptieren möchte, in der man es bekommen hat. In diesem Falle kann es nur eine Lösung geben: Nachbesserung einfordern. Dazu hat man das Recht auf seiner Seite.
Allerdings sollte man zuvor seine Zweifel von einem Arbeitsrechtsprofi ausräumen lassen. Die gesamte Unart(!) der verklausulierten Formulierungen hat mittlerweile dazu geführt, dass viele Arbeitnehmer Kritik herauslesen, wo eigentlich gar keine gemeint war – denn auch nicht jeder Arbeitgeber ist ein Profi darin, seine Worte so zu wählen, dass sie den gängigen Standards entsprechen.
Und im Zweifelsfall kann es auch schon helfen, den Kreis zu durchbrechen. Mithilfe eines am Ende des Zeugnisses angeführten Satzes, der in aller Ehrlichkeit aussagt: „[…] geben wir ihr, ungeachtet der eingebürgerten Formulierungskonventionen eine Note, die im Schulzeugnis einem „Gut bis Sehr Gut“ entsprechen würde.“.
Linktipps:
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