In der zweiten Lebenshälfte gehören wir noch lange nicht zum alten Eisen. Spätestens jetzt beginnt die Zeit der Selbstbestimmung: Einige reduzieren ihre Arbeitszeit. Andere starten noch einmal so richtig durch in Sachen Karriere. Wie auch immer Frauen 50plus ihre Zukunft gestalten wollen, sie tun es in Eigenregie. Executive Coach Birgit Kersten-Regenstein ist eine von ihnen. Und sie hat große Pläne.
Ich muss gestehen: ich bin ein Fan der Zukunft. Ich habe mich schon immer für alles das begeistert, was noch vor mir liegt und was ich noch nicht kenne. Denn die Zukunft gibt mir die Chance zu gestalten, zu entwickeln und alles das, was geschieht, voranzubringen. Daraus ziehe ich meine Energie.
Jetzt, mit 57 Jahren, sollte ich traditionell eher über die Rente nachdenken. Aber will ich das? Auf keinen Fall! Gerade erst habe ich eine 3-jähirge Fortbildung zur Somatic Experiencing (SE)®-Trainerin begonnen. Habe ich die mit 60 absolviert, möchte ich neben meiner bisherigen Tätigkeit als systemischer Executive Coach und Trainerin noch einmal ein anderes Standbein aufbauen. Ich liebäugle zum Beispiel damit, eine Stiftung zu gründen. Mich aufs Altenteil zurückzuziehen, ist nicht mein Plan.
Ähnlich geht es einer Bekannten von mir. Nicht ganz freiwillig, aber dafür umso erfolgreicher, startete sie mit Mitte 50 in ein neues berufliches Abenteuer. Nach ihrer Scheidung legt sie mit einem kleinen Redesign-Unternehmen noch einmal richtig los. Berufliche Erfüllung mit Ü50 scheint also möglich.
Das etwas andere Ü50-Karrieremodell
Ganz anders sieht das eine Freundin von mir. Neulich erzählte sie bei einem „Ladies-Abend“ mit leuchtenden Augen: „In drei Jahren kann ich in den Sack hauen, endlich aufhören mit dem Arbeiten.“ Dann wäre die Plackerei vorbei und sie könne endlich machen, was sie wolle, betont sie. Sie hat schon Reisen geplant und kann es kaum erwarten, all die Dinge zu tun, für die sie im Moment noch keine Zeit findet. Ähnliches Thema, anderer Kontext: Auf einer Hochzeit begegnete ich einer Jugendfreundin. Sie verkündete, sie habe ihre Arbeitsstunden reduziert, weil das Leben doch viel zu schön sei, um so viel zu arbeiten. Was beide zufällig gemeinsam haben: Sie sind angestellt.
Entrepreneur-Mindset oder Angestelltenmentalität?
Zwar sind beide Geschichten reine Momentaufnahmen. Aber ich stelle mir die Frage: Wollen Angestellte eher in die Ruhe und suchen Unternehmer:innen nach neuen Aufgaben? Das wäre doch zu einfach, oder? Eine Kollegin von mir hat neulich erst mit Ende 40 ihre Verbeamtung gekündigt und ist in die volle Selbständigkeit gegangen. Was also bewegt uns zu den unterschiedlichen Bewertungen der nächsten Schritte und ist es überhaupt angebracht, die beiden Modelle gegeneinander zu stellen?
Neuland erobern mit 50plus
Auch der Schritt aus dem Arbeitsleben heraus, ist ein Step auf Neuland, das erobert und gestaltet werden muss, damit es unser Leben bereichert und uns inspiriert. Und das unternehmerische Neudurchstarten allein macht uns auch nicht zufrieden. Auch Unternehmer:innen investieren Zeit in spannende, andere Lebensbereiche wie Familie, Partnerschaft, Freunde, Urlaub, Reisen, Hobbies. Ob der Fokus auf einer neuen Karriere liegt oder auf der neuen Freizeitgestaltung, beide Entscheidungen weisen die Richtung für unsere kommenden Jahre, setzen klare Maßstäbe dafür, wofür und wie intensiv wir unsere Zeit und Kraft investieren.
Entscheidung für Lebensfülle und Wachstum
Es gibt diejenigen, die sich gerne von der Arbeit verabschieden und das als Zäsur für den Start in einen neuen Lebensabschnitt verbinden. Und es gibt offensichtlich diejenigen, die noch einmal durchstarten möchten und das als nächsten Schritt in ihrem Leben definieren. Neue Ideen haben, sich neu erfinden, neu gründen. Offensichtlich scheiden sich die Gemüter in dem, was für uns für die zweite Lebenshälfte von Bedeutung ist. Und das ist ok.
Egal für welche Richtung ich mich entscheide, es kann nie um Stillstand und Regression gehen, sondern immer um Lebensfülle und Wachstum. Drei Aspekte möchte ich dabei herausgreifen, die unsere Entscheidung maßgeblich prägen sollten.
- Meine Freude: Was macht mir wirklich Spaß und entfacht meine Leidenschaft?
- Meine Gesundheit: Sind meine Entscheidungen im Einklang mit meiner körperlichen und geistigen Gesundheit oder schaden sie mir?
- Mein Risiko: Wie viel Risikobereitschaft bringe ich mit, um Inspiration und Wachstum zu ermöglichen?
Sind diese Punkte geklärt, werden wir alle die gleichen Erfahrungen machen, egal für welchen Weg wir uns entscheiden: Wir werden älter und je bewusster unsere Entscheidung, desto zufriedener bleiben wir damit. Welchen Weg wir auch gehen und wovon wir träumen, wir versorgen uns mit dem, was wir brauchen: Lebensenergie. Und darauf kommt es an.
Unsere Autorin Birgit Kersten-Regenstein
Birgit begleitet mit ihrem Unternehmen Teamkompetenz seit über 17 Jahren Führungskräfte in ihrer Kompetenzentwicklung, moderiert Teams, die sich in die Sackgasse manövriert haben, und unterstützt Menschen, ihre Resilienz, ihre innere Unabhängigkeit und ihre Integrität zu stärken. Denn gute Führung braucht ihrer Erfahrung nach vor allem eins: Persönlichkeit. Zu ihren Kunden zählen namhafte Unternehmen wie Dr. Oetker, Miele, s.Oliver oder die Deutsche Bahn.