Teresa Hertwig arbeitete als Key Account Managerin in einer Berlin Agentur. Allerdings wollte sie auch nicht verpassen, ihren Neffen in der niederbayerischen Heimat aufwachsen zu sehen. Also setzte sie bei ihrem Chef eine Woche Remote-Arbeit pro Monat durch. Aus einer Woche Passau wurden zusätzlich zwei Monate Thailand und später die Umstellung der ganzen Agentur auf mobiles Arbeiten. 2018 gründete Teresa ihr eigenes Unternehmen, die Get Remote Consulting GmbH, das seine Kunden bei der Umsetzung von Remote-Konzepten berät. In dieser Mittagspause gibt es Salat und viel Nachdenken über unsere Arbeitskultur.
In der Rubrik „Mittagspause am Mittwoch“ stellen wir regelmäßig Frauen – und auch Männer – vor, die uns inspirieren. Anlass für das Gespräch ist die Mittagspause, die frau ja sowieso nie allein verbringen sollte;-) Unser Gast leistet uns also (virtuell) Gesellschaft beim #neverlunchalone.
Was isst du heute Mittag?
Eine Gemüse-Salat-Bowl mit Joghurtsoße – ich bin auf den Geschmack gekommen, dass sich Bowls ganz fantastisch auch zu Hause zaubern lassen und jeder Kühlschrankinhalt immer wieder eine neue Kreation ergibt.
Vegetarisch oder Fleisch?
Solange ich nicht auf Heimatbesuch bin: Vegetarisch. In Bayern esse ich ganz gerne auch wieder mal ein hochwertiges Stück Fleisch, bei dem ich genau weiß, von welchem Bauern es kommt.
Latte oder Grüner Tee?
Weder noch, ich trinke keinen Kaffee und generell ungerne warme Getränke. Falls doch, dann wäre es eine heiße Schokolade :).
Cocktail oder Bier?
Cocktail – Bier ist mir zu bitter, genauso wie Kaffee.
Ausgehen oder Kochen?
Eine gute Mischung: Im Sommer genieße ich es, mich durch alle möglichen kleinen Restaurants Berlins zu testen und draußen zu essen. In der kühleren Jahreszeit koche ich viel und nutze das Schnippeln gerne als Ausgleich zum Bildschirm.
Was machst du eigentlich? Beschreibe deinen Beruf in drei Sätzen.
Ich bin Beraterin für mobiles Arbeiten und die Inhaberin der GRC – GetRemote Consulting GmbH: Unternehmen helfen wir dabei, eine nachhaltige Remote Work Kultur und Struktur zu etablieren, sodass die Produktivität, Kommunikation und Verbundenheit im Team gleichbleibend hoch ist, egal von welchem Ort aus die Mitarbeiter arbeiten. Und Privatpersonen unterstützen wir dabei, bei ihren Chefs ortsunabhängiges Arbeiten einzufordern.
Erzähl bitte mehr von dir. Wie bist du dahin gekommen? Welche Entscheidungen hast du warum getroffen?
Die Entscheidung, mein eigenes Unternehmen zu gründen, ist irgendwann ganz natürlich aus meinem Lebensweg entstanden.
Weil mich die Start-Up-Szene Berlins sehr fasziniert hat, habe ich mich nach dem Studium gegen meinen eigentlichen Plan, bei einer Unternehmensberatung in München anzufangen, und für die Hauptstadt entschieden. und war damit auf einmal 600km von meiner Familie in Niederbayern entfernt. Und das in dem Jahr, als meine kleine Schwester ihren Sohn geboren hat. Damit ich meinen Neffen weiter aufwachsen sehen konnte, war für mich schnell klar: Nur Berlin und 25 Urlaubstage will ich nicht.
Deshalb habe ich mir bei meinem damaligen Chef ausgehandelt, eine Woche pro Monat aus Passau arbeiten zu dürfen. Und das obwohl bis dato alle Mitarbeiter immer vor Ort im Büro waren. Das war 2013. Ein Jahr später war mir auch die Kombination Berlin – Passau nicht mehr genug und ich habe nach der Möglichkeit gefragt, 2 Monate aus Thailand arbeiten zu dürfen. Seitdem war ich keinen einzigen Winter mehr in Deutschland. Ich hatte das große Glück, dass mein Chef meine etwas wahnwitzigen Ideen immer mitgetragen hat und im Gegenzug bekam er mit mir eine extrem engagierte und loyale Mitarbeiterin.
Nachdem er mir dann zwei Jahre später die Agenturleitung übertrug und ich es unfair fand, als Vorgesetzte immer unterwegs zu sein, während das Team täglich ins Büro musste, kam die nächste Entscheidung: Ich ließ mich nebenberuflich zur Change Managerin und Teamentwicklerin ausbilden und habe das gesamte Team auf Remote Work umgestellt. Diesen Prozess habe ich zwei Jahre lang begleitet, bis auf einmal klar war: Ich möchte, dass noch mehr Menschen genauso frei arbeiten können.
So fiel 2018 die Entscheidung, GetRemote zu gründen und Unternehmen und Mitarbeiter:innen bei genau den Schritten zu unterstützen, die ich selbst als Mitarbeiterin und Führungskraft bereits durchlebt habe. Lange bevor das Thema Homeoffice und Remote Work im Mainstream angekommen war.
Als kleiner Wrap-up: Vor jeder Entscheidung stand bei mir die Frage „Wie will ich leben?”. Genau danach habe ich mein Arbeitsleben ausgerichtet. Auch heute als Unternehmerin steht diese Frage an erster Stelle, weshalb mein ganzes Team auch Remote Work lebt und unsere Workshops, Trainings und Beratungen alle virtuell stattfinden.
Was bedeutet Karriere für dich?
Zu Studienzeiten strebte ich eine klassische Karriere in der Unternehmensberatung an. Und dachte dann durch den Schritt nach Berlin, meinen neuen Wunsch nach Individualität und Freiheit gegen meinen Wunsch nach Karriere eintauschen zu müssen. Für die Freiheit war ich quasi bereit, mein Bild von Karriere aufzugeben.
Im Gegenteil dazu, habe ich mich dadurch auf einen Weg gemacht, der mir meine ganz persönliche Karriere erst ermöglicht hat. Nur war das damals gar nicht so geplant.
Heute habe ich meine eigene Unternehmensberatung, in der es keine 60-Stunden-Woche, keine penible Kleiderordnung und auch kein „Up or out” System gibt. Karriere geht also auch anders und meiner Meinung nach viel besser, wenn wir es uns erlauben, unsere ganz eigene Definition von Karriere zu leben.
Vereinbarkeit: War oder ist das ein Thema für dich?
Oh ja, nur nicht in der klassischen Mutter-Rolle. Um sich den Wunsch nach Vereinbarkeit überhaupt erlauben zu können, war es viele Jahre lang (und oft auch heute noch) notwendig, einen genauen Grund zu haben – nämlich ein Kind. Das sehe ich anders.
Jeder Mensch hat meiner Meinung das Recht darauf, mehr vom Leben zu wollen, als 40 Stunden zur immer gleichen Zeit am immer gleichen Ort in einem Büro zu sitzen. Egal ob mit Kind oder ohne Kind.
Jeder Chef und jede Chefin, der oder die das versteht und richtig einzusetzen weiß, gewinnt absolut loyale Mitarbeiter, die dieses Vertrauen sehr zu schätzen wissen und sich mit hohem Engagement ins Unternehmen einbringen. Und damit genau für diese Arbeitsweise die richtige Struktur und Kultur herrscht, unterstützen wir Unternehmen mit GetRemote – Vereinbarkeit für alle und jeden sozusagen.
Noch ein paar Tipps für unsere Leserinnen
- Lieblingsblog: Ich bin keine große Blog-Leserin, mein täglicher Lesekanal ist LinkedIn, auf dem ich selbst sehr aktiv bin und auch gerne Inhalte konsumiere, u.a. von Dr. Natalia Wiechowski oder Dina Brandt.
- Buch, das dich in letzter Zeit beeindruckt hat oder das du gern lesen möchtest: „The E-Myth” von Michael Gerber hat mir nochmal sehr anschaulich den Weg von einer Solo-Selbstständigen zu einer Unternehmerin bestätigt.
- Mit welcher Person, lebend oder bereits gestorben, würdest du gern einmal Essen gehen? Mit meinem Opa und mit ihm als erwachsenes Ich plaudern.
Noch mehr Mittagessen? Kannst du haben:
- Susanne Ackstaller aka Texterella oder „Die Geschäftsberichtstexterin“
- Mittagspause am Mittwoch: Sara Usinger, Program Manager bei einem Accelerator in Teheran
- Mittagspause am Mittwoch: Dr. Astrid Kühne, Change Managerin bei Accenture
- Mittagspause am Mittwoch: Lina Timm vom Media Lab Bayern
- Mittagspause am Mittwoch: Dr. Petra Umlauf, Journalistin und Bloggerin bei „Minimalismus21“
- Mittagspause am Mittwoch: Eva-Maria Bauch, Geschäftsführerin von G+J Digital Products