[Ein Gastbeitrag von Caroline Timmermann.] Caroline Timmermann arbeitet als Karrierecoach und Dozentin an einer internationalen Wirtschaftshochschule in Deutschland, berät Arbeitgeber bei der Personalauswahl und hat viele Jahre auf der anderen Seite der Gehaltsverhandlung gesessen. In ihrem Beitrag plaudert sie aus dem Nähkästchen und bestärkt Frauen darin, ihren Marktwert durchzusetzen.
Bild: jala/photocase.de
Ich frage mich häufig:
- Warum gibt es überhaupt noch einen Gender-Pay-Gap, wenn jede*r weiß, dass man mehr Gehalt fordern sollte?
- Warum verdienen hochqualifizierte Frauen weniger, als sie am Arbeitsmarkt wert sind, obwohl Informationen darüber frei verfügbar sind?
- Wieso werden eigentlich durchsetzungsstarke Frauen nicht aktiv(er)?
Vielleicht gehörst du zu den 80 Prozent aller Frauen, die ihr Gehalt nicht aktiv ansprechen. Vielleicht kommen dir diese drei Kardinalfehler bekannt vor:
„300 Euro sind nicht viel Geld.“
Den Denkfehler kannst du gerne mal für dich selbst durchrechnen. Der Betrag ergibt im Jahr 3.600 Euro und in 30 Jahren 108.000 Euro. Wenn du ab einem Alter von 37 Jahren alle 2 Jahre eine Gehaltserhöhung in dieser Höhe durchsetzt, sind das bis zu deiner Rente 864.000 Euro zusätzliches Lebenseinkommen! In dieser Berechnung ist noch nicht einmal der Zinseszinseffekt berücksichtigt und auch nicht die Auswirkung auf beispielsweise Rentenzahlungen. Rechne jetzt mal mit ambitionierten Zahlen für dich selbst und stell dir vor, was du damit machen würdest…
„Mir ist ein gutes Arbeitsklima und ein nettes Team wichtig. Geld ist nicht alles.“
Das klingt so, als wäre es eine Entweder-Oder-Entscheidung. Tatsächlich darfst du Freude an deiner Arbeit haben und gut dafür bezahlt werden. Viele Frauen tragen hier Überzeugungen mit sich herum, die häufig noch aus Kindertagen stammen. Vielleicht sind sie im besten Sinne gut erzogen worden, zu Bescheidenheit und zu Leistungsorientierung. Sätze wie „Über Geld spricht man nicht“ oder „Geld verdirbt den Charakter“ können unbewusst blockieren.
„Ich kann so was nicht. Damit muss ich mich gründlich befassen. Mach ich später.“
Viele hochqualifizierte Frauen haben eine starke Motivation, Leistung zu bringen, gut in ihrem Fach zu sein. Sie haben einen enormen Anspruch an sich selbst – sonst hätten sie sich gar nicht so hoch qualifiziert. Dieser Antrieb, wirkliche Qualität zu liefern, erfordert Zeit. Wenn sie etwas machen, dann gründlich, auch sich vorbereiten auf eine Gehaltserhöhung. Es ist ja kein Geheimwissen, dass man sich aktiv um mehr Gehalt bemühen sollte.
Für diesen Typ Mensch stellt das halt eine enorme Hürde dar. Da kommt schnell der Gedanke: „OK, dann muss ich das halt lernen, aber es fällt mir so schwer, dafür brauche ich Zeit und die habe ich nicht, weil ich so viel arbeite. Aber nächstes Jahr packe ich es an!“ Und so vergeht Monat um Monat oder Jahr um Jahr. Ganz zu schweigen von der herausfordernden Lebenssituation von Frauen, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen.
Wenn du dich dann endlich doch damit befasst, stellst du fest, dass viele Tipps und Ratschläge nicht funktionieren. Warum nicht? Die meisten Trainer und Coaches zum Thema Verhandlung verhandeln selbst gerne, sind extrovertiert und rhetorisch topp. Vielleicht trifft das alles aber nicht auf dich zu. Solche Ratschläge werden nur bedingt funktionieren, nämlich wenn du auch eher extrovertiert und kommunikativ bist. Und eher nicht, wenn du ein zurückhaltender Mensch bist.
Welche Strategie funktioniert also für die analytischen, bescheidenen, gewissenhaften Frauen?
Geh auf Nummer Sicher und bereite dich vor
In jeder Hinsicht. Recherchiere deinen Marktwert genau in Datenbanken. Falls die Daten gendern, suche nach den Werten für männliche Personen, weil sie in der Regel 10 bis 20 Prozent höher liegen als die der Frauen. Verschaffe dir Wissen über Verhandlungstechnik. Bereite dich auf mögliche Gegenargumente vor. Übe die Verhandlungssituation.
Formuliere dein Ziel sehr klar. Bleibe respektvoll und wertschätzend.
Formuliere dein Ziel ohne Schnörkel in einem Satz, sowohl für dich in deiner Vorbereitung als auch im Gespräch. Das ist deine Kernbotschaft: „Ich erwarte eine Gehaltsanpassung in Höhe von x, weil das meinen Leistungen y entspricht“. Weil du dich in konfrontativen Situationen vermutlich nicht wohlfühlst und es dir generell ungern mit jemandem verscherzt, ist es hilfreich für dich, dein Ziel von der Person deines Gegenübers zu trennen. Auch wenn du deinen Standpunkt klar vertrittst, kannst du ihr Wertschätzung und Respekt entgegenbringen. Sie hat übrigens fast immer das gleiche Ziel wie du: Leistungsträger*innen ans Unternehmen zu binden.
Speziell für Frauen: Bitte nicht lächeln!
So wichtig ein Lächeln im Leben auch ist: Nicht jetzt! Dein Anliegen ist dir sehr ernst. Also bleibe auch in deiner Körpersprache ernst, sonst sabotierst du die Wirkung dessen, was du deinem Gegenüber rüberbringen möchtest.
Vermeide alles, was flirty oder mädchenhaft wirkt: mit den Haaren spielen, rosa Rüschen und Pünktchen. Bleibe auch klar, was dein Outfit betrifft.
Argumentiere mit deinen Leistungen. Dokumentiere deine Leistungen.
Sammle Informationen über deine eigenen Leistungen. Notiere unbedingt den Nutzen, den das Unternehmen, dein Team oder dein Chef davon hat. Wie profitiert das Unternehmen dadurch: Geld verdient, Zeit gespart, Prozess verbessert… Verglichen mit dem Zeitpunkt deiner letzten Gehaltserhöhung hat sich vermutlich viel verändert. Keine Übertreibungen, sondern Fakten sind deine sachlichen Argumente, die eine Anpassung deines Gehalts erfordern. Das ist deine logische Argumentation, mit Köpfchen und gut auf die Situation vorbereitet. Du brauchst keine harten Bandagen, keine Killerargumente und keine Spielchen. Erfasse ganz sachlich, was du heute oder letzte Woche geleistet hast, und halte deine Vorgesetzte auf dem Laufenden.
Das ist dieser erste berühmte Schritt, mit dem jeder Weg beginnt. Der Schritt, den du sofort umsetzen kannst. Morgen!
Was die Autorin antreibt?
Caroline Timmermann ist Führungskräftecoach, Gründerin der Leadership Diamond Academy und leidenschaftliche Gender-Pay-Gap-Schließerin. Als stolze Working Mum von zwei Teenager-Töchtern verhilft sie seit Jahren Frauen und Männern dazu, für ihre Leistungen fair bezahlt zu werden.
Weitere Beiträge und Buchtipps:
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- Stefanie Kühn: „Ein Mann ist kein Vermögen. Finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit für Frauen.“ edition Kühn Strategie 2011.
- Martin Wehrle: „Geheime Tricks für mehr Gehalt. Ein Chef verrät, wie Sie Ihren Chef überzeugen.“ Goldmann 2013
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