Rosa Laptop, Katzenfotos auf Facebook, keine Ahnung von tausend Knöpfchen: So denken Männer über Frauen und Computer. Kein Wunder, dass es so wenige Frauen in der Branche gibt. Doch die Unternehmen brauchen Frauen, um voranzukommen – und deshalb ist der gesamte IT-Bereich eine Goldgrube für die Karriere. Auch wenn man da noch so einigen Nerds das Sprechen beibringen muss.
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Wir haben keine Zeit. Das kommt davon, dass die meisten berufstätigen Frauen immer noch die Hauptarbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung tragen. Dass die Zigfachbelastung inzwischen seit Jahrzehnten zum Alltag gehört, hat Vorteile: Viele Frauen haben sich glänzendes Organisationstalent antrainiert – und bringen eine gehörige Portion Pragmatismus mit. Damit etablieren sie sich derzeit als Traumkandidatinnen der IT-Branche. So sagte Regine Pohl, Director Business Development bei Hewlett Packard, auf einer Konferenz über das Touchpad: „Es ist intuitiv und natürlich in der Benutzung – so wie Technologie seit 30 Jahren wäre, wenn sie von Frauen entwickelt worden wäre.“
Frauen wollen unkomplizierte Lösungen – und zwar schnell. Während viele Männer in Sachen Computer, Smartphone und Software dazu neigen, immer mehr Funktionen, blinkenden Lichtern und tief verschachtelten Menüs nachzujagen, die dann wiederum größere Prozessoren und dickere Akkus erfordern, bringen Frauen ein Gespür dafür mit, wie wichtig flotte Orientierung und leichte Bedienung sind. Und das kommt bei den Unternehmen gut an.
Wie das Jonglieren mit Haushalt, Job und Kindern zum Karrierevorteil wird
„Ich habe beobachtet, dass Frauen in der Technologie-orientierten Domäne neue Themen und Perspektiven einbringen können, die wichtig für die Innovationskraft der Branche sind“, sagt Gesche Joost. Die Professorin für Designforschung an der UdK Berlin leitet seit 2005 das Design Research Lab an den Deutsche Telekom Laboratories. Dort gestaltet ihr Team Schnittstellen zur Kommunikation und zur Interaktion mit dem Computer – das reicht von taktilen Handschuhen für Taubblinde über formverändernde Handys bis zu Strickjacken mit integriertem Notfall-System. „Kommunikation und seine technologische Unterstützung vom Menschen in seiner ganzen Vielfalt aus zu konzipieren – das ist mein Ziel“, sagt Joost.
So hat ihr Team zum Beispiel im Forschungsprojekt „Gender-inspired Technology“ Frauen in den Mittelpunkt gerückt und gemeinsam mit ihnen neue Ideen entwickelt. Ergebnis: Bedarf an neuer Technologie um der Technologie willen äußert kaum eine Frau. Stattdessen steht die alltagstaugliche Nutzung im Vordergrund. „Zudem waren Themen wie die kommunikative Auszeit, die soziale Interaktion in der digitalen und mobilen Welt sowie die Privatsphäre zentral – Themen, die in der heutigen Innovationsentwicklung kaum vorkommen.“
Stattdessen denken dann Leute aus einer Zielgruppe nach, was wohl die anderen beglücken wurde. Sie malen dann den Computer rosa an – und wundern sich, wenn das nicht funktioniert. „Es ist eine lahme Reduzierung von weiblichen Bedürfnissen, die ja zum Glück auch am Markt floppt – wie kürzlich am Beispiel der Media-Markt Kampagne mit rosa Laptops gesehen“, sagt Joost. „Frauen mit ihren vielfältigen Bedürfnissen und Alltagswelten ernsthaft bei der Technologie-Entwicklung zu fokussieren, würde eine Bereicherung der Innovationslandschaft bedeuten – und zwar nicht nur an Produkten für Frauen!“
Warum Freude am Reden in der IT-Branche gefragt ist
Frauen tummeln sich in der IT-Branche dennoch so spärlich wie Fische in der Wüste. Noch seltener trifft man hier weibliche Nerds, die eine harmlose Frage mit einem Batallion aus Fachbegriffen beantworten. Auch wenn sie wissen, was Kernel, SEO und Coltan sind. Stattdessen schlagen Unternehmen Kapital daraus, dass Frauen ihre soziale Ader von klein auf anzapfen müssen: Wer gut mit Kunden kann und auf das Gegockel eines Fachidioten pfeift, macht sich schließlich bestens in einer Branche, die viel zu erklären hat. Wie das Programm funktioniert zum Beispiel.
Mit Freude am Miteinander und Motivieren kommen Frauen auch innerhalb der IT-Unternehmen an die Spitze. Besonders die großen Namen der Branche arbeiten mit interdisziplinären, internationalen Teams – und irgendwer muss die Bagage ja zusammenhalten. Das erfordert eine Mischung aus Entschlossenheit und Fingerspitzengefühl: „Männer sind noch klar in der Überzahl“ stellt Gesche Joost fest. „Daher gilt es, ein angemessenes Miteinander zu entwickeln und gegenseitig die individuellen Herangehensweisen zu verstehen. So kann eine gewinnbringende Zusammenarbeit entstehen – für beide Seiten.“
Es muss nicht immer Programmieren sein …
Was Frauen abschreckt, ist eigentlich ein doppelter Irrtum. Erstens macht Technik Spaß – wenn jeder so damit umgehen kann, wie es ihm – oder eben ihr – liegt. Zweitens muss man keine Code-Königin sein, um Karriere in der IT-Branche zu machen. So kommen etwa viele Spitzenkräfte bei der Datenanalyse und Spam-Bekämpfung aus einem linguistischen Studiengang. Und in Produktmanagement, Vertrieb und Marketing ist Wirtschaftswissen gefragt. Für so ziemlich jede Leidenschaft findet sich die passende Aufgabe: Die eine bringt die neuesten Smartphones in die Läden, die andere tüftelt eine Cloud-Lösung für den Schulunterricht aus oder beschafft Musiklizenzen für Videospiele.
Selbst der Umgang mit Nullen und Einsen kann lustig sein. Hilary Mason, die unter anderem in New York für Ingenieurs-Studenten die Gruppe „HackNY“ gegründet hat, arbeitet hauptberuflich beim Link-Verkürz-Dienst bit.ly. Dort wertet sie aus, worüber die Menschen sich im Netz austauschen, genauer gesagt: Worauf sie in ihren Links auf Facebook, Twitter und Co verweisen. Jetzt weiß sie, dass gegen das Klischee mehr Hunde- als Katzenbilder durchs Netz geistern – und die Leute auch hier ständig über das Wetter reden.
Praktische Anwendungen haben auch Maria Anhalt zum Computer gezogen. In der Schule in Bulgarien arbeitete ihre Klasse daran, Pizzabestellungen zu verbessern – daraufhin meldete sie sich gleich für einen Programmierkurs an. Später studierte sie erst in Sofia, dann in Karlsruhe und machte dann Karriere bei Hewlett Packard: Seit November 2011 ist sie dort Director HP Software und Operations Management Center. Für sie ist Softwareentwicklung genau das Richtige: „Es ist einer der wenigen Bereiche, der praktisch auf jeden anderen Zweig der Industrie Auswirkungen hat und sich auch im Alltag wiederfindet“, sagt Anhalt. „Und es gibt so viele Bereiche, in denen man arbeiten kann. Dazu entwickelt sich die Informatik und Computertechnik ständig weiter. Es ist toll, immer Neues zu lernen und neue Sachen gestalten zu können.“
Was Frauen aus anderen Ländern den Deutschen voraushaben
In Deutschland findet Maria Anhalt da noch nicht so viele Gleichgesinnte. „Während meines Vordiploms in Bulgarien waren wir 45 Prozent Frauen und 55 Prozent Männer. Bei meinem Hauptstudium in Deutschland an der Universität Karlsruhe waren wir dann zwölf Frauen und 400 Männer im Informatikstudium“, erzählt Anhalt.
Es sticht ins Auge, dass die Namen vieler bekannter IT-Frauen nach dem ehemaligen Ostblock klingen. Unter der sozialistischen Herrschaft zählte das Kollektiv, nicht die Familie – und das führte dazu, dass Frauen ganz selbstverständlich zur Arbeit gingen und in allen Berufsgruppen vertreten waren. Angesichts der unterdrückerischen Elemente dieser Gesellschaftsform wird das als Vorbild kaum taugen, aber es zeigt, dass Frauen nicht per se technikscheu sind.
Und es ist nicht nur eine Frage des politischen Systems, wo sich weibliche Computergenies entwickeln; auch die Kultur spielt eine große Rolle: Wo Technikjobs nicht als Männerberufe gelten und berufstätige Frauen nicht als Rabenmütter, da haben Frauen längst einen Fuß auf der IT-Karriereleiter. „In Frankreich, Indien oder Israel gibt es viele Frauen im Softwarebereich, in Deutschland und Holland sehr wenige. Die USA liegen dazwischen“, befindet Maria Anhalt.
Doch das bedeutet nicht unbedingt, dass es in Deutschland schwieriger wäre, sich als Frau bei einem IT-Unternehmen ins Gespräch zu bringen. Dass Anhalt ihren Job beherrscht, wundert dort niemanden mehr. Überrascht hat sie Kollegen und Freunde mit etwas anderem: „Ich habe ein Baby zu Hause, arbeite aber trotzdem zu 100 Prozent. Das ist auch ein Vorteil der Berufe, die mit Informatik zu tun haben: Man kann sich etwa durch Homeoffice die Zeit zum größten Teil selbst einteilen.“
Ob Extra-Ausbildung für Frauen die Lösung ist?
Trotzdem ist Maria Anhalt – noch – eine Ausnahme. Die deutsche IT-Landschaft steht in Monokultur da: Der Männeranteil ist überwältigend. Doch der Fachkräftemangel führt dazu, dass wie in der Nachkriegszeit plötzlich um Frauen geworben wird: Es gibt nicht genug Männer für all die offenen Stellen in der Branche. Darauf haben auch die Universitäten reagiert: mit Frauenstudiengängen.
Dem Branchenverband Bitkom sind keine Fälle bekannt, wo das zum Nachteil würde. Und so manche Frau weiß es zu schätzen, unter Frauen mit Codes, Softwarearchitektur, Hardwareproblemen oder Produktionsfragen zu experimentieren. Ganz ohne das komplizierter-schneller-fetter-Gerangel der Nerds. Wie gesagt: Dafür haben Frauen keine Zeit.