Arbeitszeugnis: Das sagt es wirklich aus

Egal ob Praktikum, Semesterjob oder der erste Job nach dem Studium, bei Beendigung einer Arbeitsstelle haben Sie als Mitarbeiter in Deutschland Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Formulierungen Ihres Arbeitgebers sind meistens wohlklingend, da ein Arbeitszeugnis wohlwollend ausfallen muss. Die Tücke liegt im Detail.

Zu Beginn muss man allerdings sagen, dass es in den wenigsten Unternehmen in Deutschland Zeugnisexperten und oft auch keine Personalmitarbeiter gibt, die sich richtig gut mit einer adäquaten Beurteilung auskennen. Arbeitszeugnisse werden oft nebenher geschrieben – und so zeigt sich dann oft auch die Qualität oder eben keine in den Arbeitszeugnissen.

Was man allerdings immer erkennt: Wenn jemand zwar kein Formulierungsprofi ist, dem Kandidaten gegenüber aber wohlwollend eingestellt ist, kann man das oft auch am Arbeitszeugnis erkennen. Schwierig wird es eher dann, wenn die Formulierungen zwar auf den ersten Blick korrekt aussehen, sich die Aussagen aber widersprechen.

Tipps beim Arbeitszeugnis: Den Schluss zuerst lesen

Aufmerksame Leser können aus den Schlussformulierungen eines Zeugnisses bereits einiges herauslesen. Äußert ein Arbeitgeber Bedauern über das Ausscheiden des Mitarbeiters, spricht er ihm seinen Dank aus und wünscht er ihm alles Gute für die – berufliche wie private – Zukunft, entspricht dies der Note eines guten bis sehr guten Arbeitszeugnisses.
Personalverantwortliche lesen daher Arbeitszeugnisse oft von hinten nach vorn, um schnell einschätzen zu können, ob sich das Weiterlesen lohnt.

Schlechtes Deutsch, aber …

… “stets zur vollsten Zufriedenheit“ bedeutet „sehr gut“, „stets zur vollen Zufriedenheit“ dagegen „gut“. Manche Personaler mögen argumentieren, dass es eben ein „vollstes“ nicht gibt, eingebürgert hat sich die Formulierung dennoch.

Steht der Ausdruck „zur vollsten Zufriedenheit“ allerdings isoliert und ergibt sich kein stimmiges Gesamtbild, wird das Zeugnis auch nicht als Note „Sehr gut“ wahrgenommen.

Versteckte Kritik im Arbeitszeugnis

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Arbeitgeber, einen Mitarbeiter für seine Leistungen in einem Arbeitszeugnis zu kritisieren. Entscheidend ist dabei manchmal nicht, was im Zeugnis selbst steht, sondern ob an manchen Stellen etwas weggelassen oder eben besonders betont wird.

  • Selbstverständlichkeiten betonen: Der Zeugnisschreiber hebt die Ehrlichkeit des Buchhalters hervor oder die freundliche Art der Telefonistin.
  • Notwendiges weglassen: Im Arbeitszeugnis fehlen Teile der Tätigkeitsbeschreibung, Leistungs- und Führungsbeurteilung. Beispiel: Bei einer Führungskraft fehlt die Beurteilung ihrer Leitungsfähigkeiten.
  • Die Nullstellentechnik: Die so genannten Nullstellen eines Zeugnisses werden mit Wörtern wie „außerordentlich“, „immer“, „stets“ oder „sehr“ gefüllt. Fehlen sie an den entscheidenden Stellen, sinkt das Niveau des Zeugnisses.
  • Das Gegenteil verneinen: Dazu gehören Formulierungen wie „war nicht unmotiviert“, „war nicht unhöflich“.
  • Entwertungen: Kleinigkeiten, die nicht viel mit der beschriebenen Tätigkeit zu tun haben, werden stark betont.
  • Die Reihenfolge: Wird der Vorgesetzte bei einer Führungsbeurteilung nach den Kollegen benannt, kann das auf Schwierigkeiten im Verhältnis zum Vorgesetzten hindeuten.

Ein Beispiel: 

Frau Schmitz ist im Umgang mit Kunden freundlich, hilfsbereit und besitzt ein gutes Gespür, angemessen auf ihre Wünsche einzugehen. In der Kommunikation mit Kunden verhält sie sich sehr respektvoll und wertschätzend. Ihre Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und Kollegen ist gut.

Hier fällt auf, dass eher darauf eingegangen wird, dass sich Frau Schmitz als Arbeitnehmerin laut der Formulierungen im Arbeitszeugnis angemessen gegenüber ihren Kunden verhält, mit Vorgesetzten und Kollegen scheint sie dagegen nicht so gut klarzukommen.

Tipps: Wie kann ich mein Arbeitszeugnis als Arbeitnehmer interpretieren?

Wichtige Kernkompetenzen: Obwohl es dazu noch nicht viele Vorgaben gibt, wird die Beschreibung von Kernkompetenzen im Zeugnis immer wichtiger. Schlagworte könnten zum Beispiel interkulturelle Kompetenz, Internationalität, besondere IT-Kenntnisse und Arbeitstechniken sein. Allerdings sollten Sie darauf achten, dass diese Begriffe mit Inhalt gefüllt werden, damit Ihr Arbeitszeugnis wirklich an Wert gewinnt.

Das Unbewusste: Achten Sie darauf, wie sich das Zeugnis insgesamt anhört. Liest es sich flüssig, empfinden Sie selbst den Ton als positiv? Wenn Ihnen Zweifel kommen, dann lassen Sie Ihr Zeugnis lieber von einem Profi gegenlesen und verlangen Sie ggf. eine Korrektur.

Zahlen zählen: Durch konkrete Zahlen, die Ihre Leistung dokumentieren, gewinnt Ihr Zeugnis zusätzlich an Substanz. Hatten Sie Personalverantwortung für 10 Mitarbeiter oder für 1.000? Haben Ihre Leistungen den Umsatz gesteigert und wenn ja, um wieviel Prozent? Insgesamt ist eine Kombination aus absoluten Zahlen und Prozentangaben optimal.

Jedes Zeugnis wichtig nehmen: Auch wenn ein Zeugnis momentan nicht wichtig für Sie als Arbeitnehmer erscheint, und es in nächster Zeit voraussichtlich nicht benötigt wird, sollten Sie sich auf jeden Fall immer eins erstellen lassen. Wer weiß, wie Ihr Berufsleben verläuft und wo Sie es vielleicht doch einmal brauchen können. Zudem haben Sie einen Anspruch darauf!

In kleineren Unternehmen bietet man Ihnen als Arbeitnehmer oftmals auch an, dass Sie selbst einen Vorschlag für Ihr Zeugnis einreichen können. Wenn Sie wissen, dass es im Unternehmen keinen Profi gibt, nutzen Sie die Chance und stellen Sie sich ein gutes Zeugnis aus. Zwar kann Ihr Chef noch an den Formulierungen feilen, aber die Tendenz wird sicher in die von Ihnen gewünschte Richtung gehen.

Arbeitszeugnis: Was muss es enthalten?

Ein vollständiges qualifiziertes Arbeitszeugnis besteht aus folgenden Abschnitten:

  • Einleitung
  • Beruflicher Werdegang
  • Beschreibung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit
  • Leistung 1: Bereitschaft
  • Leistung 2: Befähigung
  • Leistung 3: Wissen/Weiterbildung
  • Leistung 4: Arbeitsweise
  • Leistung 5: Arbeitserfolg
  • Leistung 6: Herausragende Erfolge
  • Leistung 7: Führungsleistung
  • Leistung 8: Zusammenfassendes Leistungsurteil
  • Verhalten 1: Verhalten zu Internen
  • Verhalten 2: Verhalten zu Externen
  • Verhalten 3: Sonstiges Verhalten
  • Beendigungsformel
  • Dankes-/Bedauernsformel
  • Zukunftswünsche
  • Datum
  • Unterschrift des Zeugnisausstellers mit Angabe von Rang und Kompetenz

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Bild: zettberlin/photocase.de

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