Alyssa McDonald-Bärtl trägt stets Kakaobohnen in der Handtasche spazieren. Das ist keine Schrulle: Die Gründerin eines Kakao-Imperiums der besonderen Art arbeitet eben mit besonderen Mitteln. McDonald-Bärtls Mission mit BLYSS ist eine Schokolade, die für den Menschen und die Menschheit gesund ist; für ihre Sehnsucht nach einer besseren Welt hat sie eine Karriere in der Unternehmenswelt an den Nagel gehängt. Im Interview erklärt sie, wie sie den Absprung in die Selbständigkeit meisterte, was ein Social Entrepreneur für die Arbeit braucht und warum das gegenwärtige Wirtschafts- und Karrieremodell nicht die Antwort ist.
Bild: Rieka Anscheit
Frau McDonald-Bärtl, wann haben Sie zum ersten Mal eine Kakaobohne gemahlen?
Das war 2007 auf Hawaii, am Tag nachdem ich den Ironman mitgemacht hatte. Mein Vater und ich fanden auf einer Kakaofarm Bohnen, setzten uns an den Straßenrand und probierten rohen Kakao. Danach nahmen wir getrocknete Bohnen mit und sprachen darüber, wie man sie zu einer gesunden Schokolade mahlen könnte.
Wann wurde daraus Ihre Firma Blyss?
Gleich an diesem Tag. Der Ironman war vorbei, ich suchte nach meinem nächsten Ziel. Zu dieser Zeit entwickelte sich auf angelsächsischen Märkten die Rohkost-/Gesund-Essen-Sparte, und ich wusste, dort kann ich etwas aufbauen. Ich wollte eine Schokolade herstellen, die dem Körper und der Welt guttut. Offiziell startete die Firma am 14. August 2009 in Frankfurt. Ich flog an dem Tag extra von Ecuador nach Deutschland, um sie an meinem 30. Geburtstag zu gründen.
Wie sind Sie eigentlich ausgerechnet in Deutschland gelandet?
Ich bin in einem herrlichen Dorf namens Sunshine Coast in Australien aufgewachsen, und obwohl meine Familie vom Landleben schwärmte – meine Eltern und Großeltern haben Kautschuk-Wälder bewirtschaftet und Rinderzucht in den wilden Bergen von Papua-Neuguinea und Australien betrieben – machte ich in Australien Karriere in der Energiebranche. Nach einigen Jahren schaute ich mir andere Branchen an, und die Telekommunikation sprang mir ins Auge. Zu dieser Zeit erweiterte Deutsche Telekom T-Systems ihre internationale Abteilung, und ich bewarb mich in der Zentrale in Frankfurt.
Wie lief der Wechsel aus der Angestelltenwelt in die Selbständigkeit?
Am Anfang half mir mein Vater mit dem ganzen Familienwissen weiter. In Ecuador suchte er für mich nach einer ganz besonderen, seltenen Kakaobohnensorte namens Arriba Nacionale, von der ich gelesen hatte, er schickte Infos und Proben. Währenddessen brütete ich drei Jahre lang an den Wochenenden über Gesundheitswissenschaft und Lebensmittelsicherheit und tüftelte in meiner deutschen Altbauwohnung an Rezepten. Sonntags bekamen Freunde dann immer Test-Schokolade mit der Bitte um Feedback. Ich ging den sicheren Weg: Ich behielt meinen Job und ging meiner Leidenschaft in der Freizeit nach.
Wann wussten Sie, dass daraus ein Vollzeitjob wird?
Der Wendepunkt kam mit einem Anruf aus einem Krankenhaus in Ecuador: Mein Vater war schwer krank. Meine Chefs waren so nett, mich sofort nach Südamerika abreisen zu lassen. Mein Vater starb eine Weile später, und noch in derselben Woche sagten mir die Ärzte, dass mir dasselbe Schicksal bevor stünde, wenn ich mich nicht um meine Gesundheit kümmere und meinen Lebensstil ändere. Die Entscheidung fiel mir leicht: Ich kündigte meinen Job.
Haben Sie das bereut?
Mit dieser Entscheidung habe ich alles verloren. Ich habe aber auch mehr dazugewonnen, als ich mir damals je hätte vorstellen können. Ich konzentrierte mich darauf, Blyss als eine moderne Form des Landguts meiner Großeltern aufzubauen. Das Leben kehrte in dem Moment in mich zurück, als ich meine Wahrheit zu leben begann und den Mut hatte, eigene Standards zu setzen.
Wie sehen Sie den Weckruf der Ärzte heute: Was hat Arbeit mit Gesundheit zu tun?
Wir sind, was wir tun. Ich glaube daran, dass man den Wandel verkörpern muss, den man erleben möchte. Egal wie groß oder klein das eigene Tun ist, es bedeutet, dass man nicht länger hinnimmt, wie die Dinge sind, und entscheidet: Ich erarbeite die Lösung.
Viele Menschen haben Rückenschmerzen, fühlen sich erschöpft oder erleiden andere Symptome, die sie mit ihrer Arbeit in Verbindung bringen. Kündigen wollen sie aber deshalb noch lange nicht. Was würden Sie diesen Menschen gerne sagen?
Immer diese Ausreden! Ich habe jede auch nur mögliche Begründung dafür gehört, warum es angeblich einfach für mich ist, meinen Zielen zu folgen, aber für den anderen eben nicht. Das ist schlicht und einfach eine Ausrede, mit der dieser Mensch anscheinend besser leben kann. Die Rückenschmerzen tun definitiv nicht genug weh, die eigenen Ziele bedeuten nicht genug, diesem Menschen ist es nicht ernst genug damit, seine Wahrheit in die Hand zu nehmen und etwas zu unternehmen.
Woher nehmen Sie denn die Motivation dazu?
Ich zähle mich zu den Changemakern. Ein Changemaker weiß, dass er ein Beschleuniger für Verbesserungen ist. Wir sehen es nicht nur als unseren Job an, sondern als zwingende Notwendigkeit, die Staffel zu übernehmen und zum Ziel zu rennen. Das ist keine Option, das ist ein Muss. Unsere ersten Ideen sind nicht immer die besten, aber wir ziehen sie durch und nutzen sie dann als Grundlage zum Überprüfen und Verbessern. Schließlich beruht unsere Evolution auf CANI: „Continual And Never-ending Improvement“, also fortwährende Verbesserungen. Dazu muss man Ideen aber eben umsetzen und sie nicht in der Schublade liegen lassen und abwarten, bis der perfekte Moment kommt. Oder die Rückenschmerzen aufhören.
Unternehmerinnen wie Sie nennt man heute Social Entrepreneur. Was heißt das für Sie?
Für mich ist ein Social Entrepreneur jemand, der sich als Changemaker begreift und kommerzielle Aktivitäten dazu nutzt, um den gewünschten gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen. Wir bringen unsere Waren, Dienstleistungen, Hobbys und Familien in die Gesellschaft, ohne unseren Nachfahren etwas wegzunehmen. Oder, wie meine Großmutter sagte: „Um Paul zu bezahlen, klaust du nicht von Peter.“ Und das ist ein großer Unterschied zu dem, wie unsere Kultur heute arbeitet, die immer noch auf den industrialisierten Träumen unserer Ahnen beruht. Wir glauben dagegen, dass das lineare Wirtschaftsmodell nicht die Antwort ist.
Wieso nicht?
Wir schauen beispielsweise auf die 150-prozentige Steigerung der Rohstoffpreise seit der Jahrtausendwende und fürchten, dass die erwarteten drei Milliarden neuen Mittelklassekunden die Kapazitäten des derzeitigen Marktes sprengen. Das Geschäftsmodell „Ernten, produzieren, wegwerfen“ funktioniert nicht mehr, wenn die Vorräte an Indium, Iridium, Wolfram, Gold und Silber in Echtzeit zu Ende gehen.
Was muss jemand mitbringen, um Social Entrepreneur zu werden?
Zu unseren wichtigsten Werkzeugen gehören unsere sozialen Beziehungen und die Bereitschaft, auf Worte Taten folgen zu lassen. Als Social Entrepreneur fragt man sich natürlich oft, wie etwas, das einen positiven sozialen Wandel mit sich bringen soll, am Ende Geld einbringen kann. Es fehlt einem oft Wissen oder Zugang zu Experten. Deshalb ist es wichtig, Ideen und Projekte zu teilen, Partner ins Boot zu holen, seine Hausaufgaben zu machen. Und die dann gleich noch mal zu machen, damit man sich weiterentwickelt.
Sehen Sie Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Social Entrepreneurs?
Nein. Die Bereitschaft dazu, den Wandel zu verkörpern, den man erleben möchte, vereint Geschlechter, Religionen und Kulturen. Die Geschlechterfrage spielt bei diesem Thema überhaupt keine Rolle.
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