Die Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmensberaterinnen lernen ständig dazu, knüpfen wichtige Kontakte, kennen keinen Alltagstrott, verdienen gut – und Karrieremachenwollen gehört in der Branche zum ungeschriebenen Jobprofil. Trotzdem gibt es kaum Frauen an der Spitze der großen Unternehmensberatungen. Wir haben die Gründe dafür hinterfragt und geschaut, wie unterschiedlich weibliche Consultants die Macho-Branche bändigen.
Bild: FemmeCurieuse/photocase.de
Werbung:
[adrotate banner=“5″]
Unternehmensberaterinnen kennen keine Langeweile. Sie begleiten Firma X dabei, in den japanischen Markt vorzustoßen, jetten zwischendurch zum Seminar über die letzten Änderungen im Haftungsrecht oder treffen Kollegen beim Sanierungs-Kongress. Dann entlarven sie für Firma Y Kostenfallen und kümmern sich einige Wochen später um die Frage, wieso die Mitarbeiter von Firma Z die teure neue Software nicht nutzen und wie sich das ändern lässt. Das macht den Arbeitsalltag unbeschreiblich, vielseitig, herausfordernd – und anstrengend.
Das Macho-Besserwisser-Klischee
Sie können es nicht, wollen es nicht oder wissen nicht, wie es geht: Dann engagieren Unternehmen Berater. Und so erwartet mancher Kunde von ihnen Superheldenkräfte oder zumindest einen immensen Wissensvorsprung. Beides strahlen Consultants aus. Weil sie es müssen. Oder weil sie es cool finden. Daher rührt jedenfalls auch das Macho-Besserwisser-Klischee, das der Branche anhaftet.
Für Frauen ist das kein Zuckerschlecken. Aber Frauen sind ja bekanntlich zäh. Außerdem gibt bei Unternehmensberatungen kaum eine Wahl: „Up or out“ heißt es da, wer nicht Karriere macht, muss gehen. Das kann so ein Frauenhirn ganz schön beschäftigen. Doch viele Beraterinnen nehmen den Job an der richtigen Stelle mit nach Hause: Sie finden Management-Lösungen für sich selbst.
Auf Nadja Grabenströers Weg in die Unternehmensberatung ist zunächst Zufall im Spiel: Ihr erstes Praktikum führt sie in eine kleine Marketingberatung. Die kurzen Projektzeiten, wechselnden Teams und Fragestellungen treffen einen Nerv, sie will in die Beratungsbranche. Nach dem Amerikanistik- und BWL-Studium arbeitet sie nun als Fellow bei der Unternehmensberatung McKinsey – oder besser gesagt: Sie pausiert.
„Neben den Leuten und der Atmosphäre hat mich das Fellow-Programm gereizt: zwei Jahre arbeiten, danach Freistellung zur Promotion“, sagt Grabenströer. Derzeit ist sie im so genannten „Educational Leave“. Zuvor hat sie zwischen männlichen und weiblichen Consultants nur wenige Unterschiede entdeckt, sagt sie. So könnten Beraterinnen oft Zwischentöne der Klienten besser heraushören. Die Männer wiederum könnten negative Momente schneller abhaken: „Männliche Consultants können gefühlt besser abschalten.“ Und dann ist da noch die Zeitfrage.
Ständig auf Achse und ständig im Wandel
Das Wochenende ist heilig. Mit diesem Satz stemmen sich viele Unternehmensberaterinnen gegen die Anforderungen ihres Berufs: Sie sind mindestens vier Wochentage auf Achse, und selbst wenn sie den fünften Tag im Büro verbringen – eine Uhr können sie sich auch dort sparen.
„Beratung findet beim Kunden statt. Das bringt eine regelmäßige Reisetätigkeit mit sich und lässt sich nur schwer mit einem klassischen achtstündigen Arbeitszeitmodell verbinden“, sagt Kathrin Kammer, Personalexpertin bei Roland Berger Strategy Consultants. Das Unternehmen wisse aber auch, dass Spaß am Beruf mit dem richtigen Ausgleich einhergehe. Deshalb sei es Roland Berger wichtig, Männern wie Frauen aller Karrierestufen Lösungen von Arbeitszeitreduzierung bis Sabbatical anzubieten. Diese Programme nutzen die Mitarbeiter, um mehr Zeit mit der Familie zu verbringen oder den Traum von der Weltreise zu erfüllen.
Für Andrea Streese hingegen ist die Unternehmensberatung an sich der perfekte Weg in die Work-Life-Balance. Ihre Lösung: Sie hat sich damit selbständig gemacht. „Beratungsprojekte sind zeitlich begrenzt und für mich gut mit meinen familiären Verpflichtungen vereinbar“, sagt sie. Zuvor hat sie 25 Jahre lang unter anderem als Personalleiterin unternehmensintern beraten, gut verdient, eine Menge Menschen geführt. Doch nach der Geburt ihres Sohnes konnte und wollte sie nicht mehr so arbeiten wie zuvor.
Als Unternehmensberaterin mit eigener Praxis hat Streese sich auf Change Management spezialisiert: „Bei der IT-Branche renne ich mit dem Thema offene Türen ein. Viele IT-Experten wissen, dass bei der Einführung neuer technischer Lösungen Change Management erforderlich ist.“ Zu ihr kommen etwa IT-Dienstleister, die die Erfahrung gemacht haben, dass Projekt- und Qualitätsmanagement allein die Nutzung neuer Systeme nicht sicherstellt. Wer allerdings nicht wirklich etwas verändern, sondern eine verdeckte Werbekampagne für die Beschlüsse der Geschäftsführung will, ist bei ihr an der falschen Adresse. Da zieht Streese lieber zum nächstmöglichen Kunden.
Neuestes Wissen im Kopf und Butterbrote in der Handtasche
Reiselustig sollte man in der Branche schon sein. Astrid Rauchfuß hat Karriere bei The Boston Consulting Group (BCG) gemacht – und packt ständig ihren Koffer. Als Partnerin und Mitglied des lokalen Management Teams bei BCG folgt sie dem typischen Beraterinnen-Lifestyle: Eine gute Viertelstunde braucht sie zum Packen für die nächste Dienstreise.
Damit es am Flughafen schneller geht, reist sie nur mit Handgepäck, in dem allerdings nie ein gutes Buch fehlen darf. Und ein Extra-Akku. Um ihre eigenen Batterien aufzuladen, achtet Rauchfuß auf zwei Dinge: „Sport am frühen Morgen und immer etwas zu essen dabei zu haben – ich bin bei meinen Teams bekannt für die Tagesration Sandwiches in der Handtasche.“
Ein Leben aus dem Koffer und auf Butterbrot-Diät klingt mehr nach Flüchtlingselend als nach Karriereplan. Doch die Unternehmensberatung lockt mit etwas, das beinahe Suchtpotenzial hat: Es gibt immer etwas Neues. Themen, Teams und Kunden wechseln ständig, Unternehmensberaterinnen müssen am Puls der Zeit sein – sonst nutzen sie ihren Kunden nichts. Also lesen sie, klicken sich durch Datenbanken, lassen sich auf Firmenkosten immer wieder weiterbilden. Das wirkt auf so manche Frau wie ein Magnet.
Augenhöhen und offene Ohren
Rauchfuß zum Beispiel reizt die Arbeit an aktuellen Fragestellungen, besonders im Zusammenspiel mit politischen Rahmenbedingungen. „Ich mag die Abwechslung, die sich aus der Arbeit mit neuen Kunden, neuen Themen und Teams ergibt, und die stetige Lernkurve, die typisch für das Projektgeschäft ist.“ Als Physikerin hat Rauchfuß zuvor in der Forschung gearbeitet. „Dort habe ich mich mit Themen beschäftigt, die erst in zehn bis 15 Jahren relevant werden“, sagt sie.
Die intellektuelle Herausforderung mit Analyse, Quantifizierung und Strukturierung findet Rauchfuß mit ihrem früheren Beruf vergleichbar. Darüber hinaus bedeute Beratung aber auch, Vertrauen aufzubauen, Leute mitzunehmen und Veränderungen zu verankern. „Zuhören können, den Kunden nicht überrumpeln, erkennen, wo dessen Bedürfnisse und mögliche Vorbehalte liegen, solche Fähigkeiten sind die wichtigsten Voraussetzungen für gute Beratungsarbeit“, rät sie.
Ob das auch für das Unaussprechliche gilt? Hinter vorgehaltener Hand berichtet manche andere Unternehmensberaterin davon, dass sie sich ständig beweisen muss, weil sie eben kein Mann ist. Öffentlich will das kaum eine sagen. Aber es schadet sicher nicht, in diesem Beruf die kommunikative Kompetenz strategisch auszubauen.
Die Krux mit den Zahlen
Die erforderlichen Soft Skills werden Frauen ohnehin zugeschrieben. Doch das ist nur ein Grund, warum Unternehmensberatungen sich zunehmend um weibliche Consultants bemühen: Sie wollen gemischte Teams. Schließlich haben sie selbst in diversen Studien herausgefunden, dass eine Mischung aus Männern und Frauen an der Spitze ein Unternehmen deutlicher voranbringt als reine Männerclubs.
Doch noch hat die Theorie nur wenige Spuren in der Praxis hinterlassen. Einer Studie der Marktforschung Lünendonk zufolge lag der Frauenanteil in Unternehmensberatungen im Jahr 2010 bei 21 Prozent. Und keine Frau führt auch nur eine der großen Unternehmensberatungen. Die Branchengrößen beteuern, das sei nur eine Frage der Zeit – und dass sie auch an einem höheren Gesamt-Frauenanteil arbeiten.
Die Türen stehen Frauen deshalb durchaus offen – und alle Fachrichtungen sind willkommen. Kathrin Kammer weist jedoch darauf hin: „In der Beratung ist ein sicherer Umgang mit Zahlen sehr wichtig. Bezüglich der Ausbildung stellen wir fest, dass Absolventinnen ihren Fokus seltener auf Banking, Finance, Accounting und Controlling setzen. Deshalb empfehlen wir Frauen, den Schritt auch in für sie neue Bereiche zu wagen.“