Dieser Text ist eine Replik auf den Artikel von Katrin Wilkens im KarriereSpiegel. In diesem beschreibt sie, warum es Frauen ihrer Meinung nach so schwer fällt, nach der Babypause wieder zurück in den Beruf zu kommen. Schuld sei eine Kuschelpädagogik, die die Frauen verweichliche und blind für die Realitäten mache.
Da es in Deutschland viele Stolperfallen gibt, in die man als Frau und noch viel eher als Mutter geraten kann, gibt es nun diese „10 Wege, wie Frauen ENDLICH und GARANTIERT ALLES richtig machen können“. Es ist so einfach, befolge nur diese 10 Punkte und es wird klappen.
1. Du sollst früh Kinder bekommen.
Schließlich bist du dann noch körperlich fit und geistig frisch, um ordentlich mit deinen Rackern herumzutoben. Nicht so wie diese alten Mütter, bei denen ja schließlich das Helikoptern schon vorprogrammiert ist. Als junge Mutter besteht auch eine reelle Chance, Regel Nr. 2 zu befolgen:
2. Du sollst mehr als 1,4 Kinder bekommen.
Ein Kind ist schließlich kein Kind und mehr als die schnöde Durchschnittsmenge pro deutscher Frau muss doch zu erreichen sein. Außerdem ist es wichtig, dass du mehr Kinder bekommst als unsere neuen Mitbürger (– könnte ja sonst zu Überfremdung kommen und das wollen wir der CSU doch wirklich nicht antun).
Wichtig ist zudem, dass du auch nicht zu viele Kinder bekommst: Dann bleibt nur noch eine Karriere als heruntergekommene Mutti bei RTL 2. Immerhin schaffen die jetzt auch in diesem Bereich Jobs für Alleinerziehende.
Drei Kinder sind aber auf jeden Fall zu viel. Wo sollen denn die ganzen Wohnungen her kommen. Schließlich hat man ja den sozialen Wohnungsbau nahezu eingestellt, damit das nicht überhand nimmt mit den Kindern. Gut verdienende Singles machen ja auch viel weniger Lärm. Wo kämen wir denn da hin, wenn auf einmal alle Familien mehr als zwei Kinder bekommen wollten. Schließlich sollen Kinder ja zu wertvollen Mitgliedern der Gemeinschaft werden. Also folgt Regel Nr. 3.
3. Kinder brauchen die GANZE Mutter.
Zumindest in den ersten drei Jahren. Damit du das auch lernst, gibt es eben nur wenige Plätze in guten Kindertagesstätten – jedenfalls weniger als der Bedarf. Um einen dieser Plätze zu ergattern, opferst du deinen Jahresurlaub. Wenn du es dann doch nicht mit einem der geförderten Plätze klappt, musst du eben einen großen Teil eures Familieneinkommens für die Betreuung ausgeben. Wenn sich das finanziell kaum lohnt, und du und dein Partner nur noch auf dem Zahnfleisch kriechen, weil leider auch die Öffnungszeiten nicht so toll sind, wird auf jeden Fall klar:
4. Kinder müssen richtig erzogen werden.
Zu lange in Fremdbetreuung, geht ja gar nicht. Und auch ansonsten, wird das Kind ja eher unvollkommen gefördert: Wenn es zum Fußball geht, fehlt ihm das Klavier. Wenn es englisch lernt, kann es wahrscheinlich nicht richtig deutsch. Und FALLS es das alles machen sollte, womöglich auch noch freiwillig, bist du auf jeden Fall eine Helikoptermutter und lässt deinem Kind zu wenig Freiraum. Deshalb ist es ganz wichtig, dass du arbeiten gehst.
5. Du musst arbeiten gehen.
Klar, das siehst du ein, das ist ja wichtig wegen der Gesellschaft, dass dein Know-how nicht zu Hause in der Küche verschimmelt. Wenn dein Arbeitgeber Druck macht und deine Kollegen, wenn dein Kind mal krank ist, dann holst du die Arbeit eben nach oder klemmst dich zuhause hinter den Rechner. Den Ansprüchen genügen wird es wahrscheinlich nicht. Kein Wunder, dass es da manche Arbeitgeber vorziehen, manche Mütter (und Väter) gar nicht an den Arbeitsplatz zurückkommen zu lassen. Eines ist allerdings klar, das liegt nicht an der schlechten Moral der Unternehmen – du siehst das einfach nicht locker genug. Ansonsten, suche dir halt einen neuen Job. Dass das nicht so leicht ist mit Kindern, geschenkt. Natürlich darf es da keine Rolle spielen, dass unser Steuerrecht ein verheiratetes Paar ohne Kinder mit einem Gutverdiener wesentlich besser stellt als ein Paar mit drei Kindern, das sich den Arsch aufreißt, um Deutschlands künftige Steuer- und Rentenzahler großzuziehen. WENN sie verheiratet sind, macht der Unterschied bei 4.000 Euro Einkommen um 70 Euro mehr beim Netto aus. (Wer nicht verheiratet ist, ist total bescheuert.)
Und wenn sie sich dann trennen, ist der Jammer groß, deswegen gilt:
6. Du darfst dich nicht trennen.
Alleinerziehende werden steuerrechtlich und in allen Punkten des gesunden Menschenverstands allein gelassen, aber so richtig. Dass sie mit einem Einkommen sich und ihre Kinder ernähren, kleiden und zu guten Steuer- und Rentenzahlern erziehen, ist irgendwie eine Tatsache.
Geschenkt. Dass der deutsche Staat sie das merken lassen würde, nicht. Kinder spielen steuersenkend bei der Einkommenssteuer kaum eine Rolle (Huhu, Steuerklasse 2 ist quasi so besteuert wie Klasse 1!). Und für die Rente zählen die Kids nicht so besonders.
Auch wenn sie die Rente für die Politiker mit bezahlen, die das Ganze immer noch und immer wieder verbocken. Immerhin gibt es ja den Unterhaltsvorschuss für die Kinder, deren Väter keinen Unterhalt bezahlen.
Wichtig ist aber, dass du trotzdem Punkt 3 und 4 unbedingt beachtest.
7. Du sollst deine Kinder nicht zu jung bekommen.
Dann hast du schließlich schon eine Karriere gemacht und bist finanziell besser abgesichert(er – das kann sich schnell als Illusion herausstellen! s. Punkt 6).
Das ist wirklich fantastisch: Du bist in der Blüte deiner Schaffenskraft. Eine kurze Pause Mutterschutz und ein paar Monate Elternzeit, das wäre doch gelacht, wenn sich da nicht Karriere und Kinder vereinbaren ließen. Dass du unter Dauerstrom stehst und immer den Eindruck hast, niemandem zu genügen, weder deinem Arbeitgeber noch deiner Familie – geschenkt. Das ist es doch wert! Wichtig ist dabei, dass du weiterhin allen vermittelst, deine ganze Frau zu stehen! Jeden Tag! Aber immer! Deshalb greift hier Regel Nr. 8:
8. Du darfst nicht jammern!
Probleme mit deinen Kindern? Kein Sex mehr mit dem Ehemann? Die Figur im Eimer? Morgens, mittags und abends immer müde? Nein, nein, darüber darfst du höchstens mal mit einer ganz engen Freundin sprechen. Aber bloß nicht, wenn sie keine Kinder hat. Denn dann erzählst du zu viel von deinen Problemen als Mutter, das geht ja auch nicht. Deine Mutter sagt: „Wir haben früher nicht so viel Getue um die Kinder gemacht. Du hast immer durchgeschlafen.“ Deinem Vater sind diese Sorgen eh fremd. Deine Arbeitskolleginnen finden, dass du mit deinen 35 Stunden eh zu wenig arbeitest ( Hallo, in manchen Branchen, zum Beispiel der eher nicht als weiblich geltenden Metallbranche ist das oft noch Standard!). Dein Mann hätte dich gern wieder im alten Zustand. Deshalb gehst du zum Yoga fürs innere Gleichgewicht, zum Fitness für die Figur und zum Babyschwimmen – äh – wegen des Babys. Doch, Vorsicht!
9. Du darfst nicht zu kuschelig sein.
Es könnte sein, dass du zur Helikoptermama wirst, die neue Schreckkuh das neue Schreckgespenst, das durchs Feuilleton und die Ratgeberliteratur getrieben wird. Kennt ja jeder, die doofe superschicke, aufgebretzelte Mama, die ihr Kind mit ihrem Opel Astra Porsche Cayenne vor der Schule abliefert. Wenn sie danach zum Sport muss, ist ja eh alles klar. Zur Arbeit? Auch doof, auf jeden Fall.
10. Du sollst dich einen Scheiß um andere scheren. Es ist dein Leben! Mach dein Ding!
Das ist nämlich das einzige, was zählt.
Wenn es überhaupt so etwas wie einen Tipp gibt: Überlege klug und entscheide dann. Und mache dann bitte auch niemand anderen für deine Entscheidungen verantwortlich!
Für manche Frauen bedeutet das, immer finanziell eigenständig sein zu wollen. Das ist eine Entscheidung. Wenn du deine Zeit lieber deiner Familie widmest, entscheide das (am besten zusammen mit deinem Mann!). Schließe einen Ehevertrag, der dich im Fall einer Scheidung mit Unterhalt versorgt, der den Verdienstausfall kompensiert. Das neue Unterhaltsrecht sieht nämlich vor, dass Frauen nach einer Scheidung selbst für sich sorgen müssen.
Wenn du einen Shop bei Etsy gründest, kann das ein Weg sein, um allmählich zu wachsen. Ein Business-Plan und ein unternehmerisches Herangehen sind aber auf keinen Fall von Schaden. Auch hier helfen innerfamiliäre Verhandlungen.
Und: Beschäftige dich mit Geld. Mit deinen heutigen Einkünften, deinen zukünftigen und dem Worst Case, also Trennung und andere Gefahren. Es macht ein gutes Gefühl, einen Plan B in der Schublade zu haben.
Auch wenn ich Katja Wilkens´ Meinung im Kern nicht widersprechen mag, stieß mir der oberlehrerinnenhafte Ton auf. Und die elegante Verknüpfung ihrer Unternehmung. Frau Wilkens arbeitet schließlich als Beraterin für Frauen, die zurück in den Beruf möchten.
Was meint ihr? Wie seht ihr das?