New year, new me? Am 1. Januar setzen wir alles auf null und leben die beste Version unseres Lebens. Das Problem: Das klappt meistens nicht.
Der Grund: Du bist am 1. Januar noch immer dieselbe Person. Wenn du am 31. Dezember noch mit größtem Genuss einen Donut gegessen hast, wirst du am 1. Januar nicht mit Leidenschaft zuckerfrei durchs Leben gehen. Also vergiss Neujahr und beginne jetzt mit Veränderungen. Oder im nächsten Sommer. Oder 2026. Du bestimmst, wann du bereit für Neues bist. Für den Start möchte ich dir fünf Gedanken mit an die Hand geben, die mir immer wieder helfen, die Orientierung bei Veränderungen zu behalten. Sie ergeben sich aus den Permakultur-Prinzipien, die die Grundlage für dieses Konzept der nachhaltigen Lebensweise ist. Let’s go.
Nimm es an, wie es ist.
Eine Familie wünscht sich einen mediterranen Gartentraum – in Norddeutschland. Was tun? Ganz klar! Der Garten wird plattgemacht und völlig neu bepflanzt. Rasen, südländische Pflanzen, inklusive vieler Topfpflanzen. Letztere sind natürlich nicht frostfest. Sie müssen zu jedem Wintereinbruch aufwändig in das Winterquartier transportiert werden. Dafür hat die Familie ein beheizbares Gewächshaus gebaut.
Kann das idyllisch sein? Sicher. Ist es sinnvoll? Nein. Der finanzielle und zeitliche Aufwand, diesen Garten aufrecht zu erhalten, dürfte immens sein. Und: Einheimische Insekten und Tiere finden hier keinen Lebensraum und keine Nahrung. Das Aufreißen des Bodens zerstört ein intaktes Bodenleben, nackter Rasen ist tote Fläche. Wie viel zeit- und ressourcensparender ist ein Garten mit einheimischen Kräutern und Pflanzen. Hier fügt sich eins ins andere. Permakultur zu leben, bedeutet, systemisch zu denken und zu handeln: Anstatt Gärten – Systeme – zu schaffen, die immer wieder künstlich reguliert werden müssen, vertraut man auf die Selbstregulierung des bestehenden Systems.
→ Was kannst du daraus mitnehmen?
Wir alle sind (auch) ein Ergebnis unserer Umwelt, unserer Kultur und unserer Beziehungen. Wenn du dich scheinbar ungesund ernährst, hat das Ursachen wie etwa Langeweile, verdrängte Gefühle, schlechte Beziehungen. Du kannst nicht von heute auf morgen eine 800-Kalorien-Diät starten und glauben, dass das keinen Einfluss und keine Auswirkungen in deinem weiteren Leben hat. Also mach langsam und nimm dich im ersten Schritt so an, wie du bist. Schau genau hin, was schon da ist, was dich ausmacht und umarme dich selbst. Ein erfülltes Leben beginnt immer mit Selbstliebe und dem Annehmen des Jetzt und Hier.
Denke langfristig.
Ein Garten kann Demut lehren. Wenn du heute einen Baum pflanzt, benötigt er viele Jahre, um seine volle Kraft zu entfalten. Du begleitest ihn nur für ein kurzes Stück auf seinem Lebensweg. Noch krasser ist der Humusaufbau. Ich lebe in Brandenburg, mein Boden ist sandig. So hält er kein Wasser und Nährstoffe werden ausgespült. Der Humusaufbau ist hier eine Lebensaufgabe. Aber: Von Jahr zu Jahr, Saison zu Saison wird der Boden etwas fruchtbarer, werfen die Gehölze mehr Ernte ab. Diese Demut, die zum Permakultur-Leben dazugehört, macht mich zutiefst dankbar.
→ Was kannst du daraus mitnehmen?
Nimm dir etwas vor, schaffe dir eine Vision. Und dann arbeite Stück für Stück daraufhin. Passe dein Vorgehen immer wieder den Umständen an. Gehe lieber den langen Weg, denn die Abkürzungen versprechen meist mehr, als sie halten. Klassisches Beispiel: Klar kannst du mit einer Diät schnell Kilos verlieren. Aber wenn du wieder normal isst, will dein Körper zurück in seine alte Form. Das Langsam-Machen widerspricht unserem turbokapitalistischen Anspruch von »höher, schneller, weiter«, ist aber viel gesünder.
Probiere Neues im Kleinen aus.
Ich bin von Natur aus der Typ »Ganz oder gar nicht« – ergibt aber manchmal gar nicht so viel Sinn. Als ich vor vielen, vielen Jahren meinen ersten Schrebergarten in Beschlag nahm, kaufte ich direkt alle Geräte, die man so haben sollte. Dann merkte ich aber nach und nach, dass ich den Vertikutierer gar nicht benötige, nicht einmal den Rasenmäher. Das Geld hätte ich mir sparen können. Deshalb probiere ich heute meine Ideen in möglichst kleinem Format aus. Das spart Energie und Zeit.
→ Was kannst du daraus mitnehmen?
Beginne mit kleinen Veränderungen, anstatt direkt die komplette Revolution anzustiften. Das kann bedeuten, dass du das Smartphone ab 20 Uhr ausschaltest. Dass du versuchst, ein Buch pro Quartal zu lesen. Die letzte Busstation bis zur Arbeit läufst. Dass du mal das Veggie-Schnitzel ausprobierst. Beobachte, wie diese Veränderungen auf dich wirken.
Werde zum:r Energieträger:in!
Permakultur zu leben bedeutet, wo immer es geht, Energie zu sammeln. In diesem Sommer musste ich nicht ein einziges Mal wertvolles Trinkwasser zum Gießen meines Gartens nutzen. An der Regenrinne unseres Hauses sind mehr als ein Dutzend Wassertonnen angeschlossen, in denen ich immer ausreichend Wasser finde. Selbst die Hühner tragen ihren Teil zur Energieversorgung bei: Ihr Kot wird zu Dünger. It’s a long way, aber in einiger Zeit soll der Garten zu einem selbsttragenden System werden, in dem der Energiekreislauf geschlossen ist. Dann braucht es keinen Akku mehr von außen – Trinkwasser, gekaufte Erde, Dünger –, um einen fruchtbaren Flecken Erde genießen zu können.
→ Was kannst du daraus mitnehmen?
Sammle Energie, wo immer du kannst. Was spendet dir Kraft? Woraus ziehst du Freude? Was macht dich gesund? Das kann ausreichend Schlaf sein, der kurze Augenblick am Morgen, in dem du träumend aus dem Fenster schaust. Das Lieblingslied auf den Ohren, wenn du in die U-Bahn steigst. Oder das Sudoku vor dem Schlafengehen. Sei deine eigene Energiequelle, indem du Kraft sammelst: Umgib dich mit Schönem. Mache Dinge, die dir guttun. Zelebriere deinen Alltag – auch wenn niemand hinschaut.
Lebe Gemeinschaft.
Ich bin eigentlich diejenige, die einen Pullover mit dem Aufdruck »Ich hasse Menschen« tragen könnte. Ich bin gern allein. Ein Grund, warum ich (wieder) in Brandenburg gelandet bin ist, dass ich mir keine Berliner Baugemeinschaft mit einem Dutzend anderer Menschen vorstellen konnte. Mittlerweile und mit etwas Abstand gehe ich aber wieder gern in Beziehung zu anderen Menschen, die ähnliche Ziele, Visionen und Werte leben. Besonders bereichernd sind allerdings vor allem die Gespräche mit Personen, die ganz anders leben und andere Meinungen haben. Das – im Rahmen – zu akzeptieren und andere Perspektiven einzunehmen, ist wahnsinnig interessant und zeigt immer, wie groß und vielfältig dieser Planet ist. Mein Weg muss nicht immer der Richtige sein, es geht auch anders. Diese Vielfältigkeit ist auch im Garten wichtig: Permakultur zu leben, bedeutet auch, (Bio-)Diversität anzuerkennen und zu fördern. Gemüse, Blumen und Kräuter werden in Mischkulturen angebaut, weil sie sich gegenseitig stärken, Schädlinge abhalten und Schatten spenden.
→ Was kannst du daraus mitnehmen?
Heute fehlen oft Orte der Begegnung wie etwa die Eckkneipe, der kleine Kaufladen oder die Parkbank, auf der man nette Gespräche mit Nachbar:innen führt. Aber diese Begegnungen sind so wichtig, um aus unserer »Bubble« herauszukommen. Engagiere dich in einem Ehrenamt, tritt einem Verein bei oder geh zum Bingo-Abend im Nachbarschaftszentrum. Wenn wir möchten, dass die soziale Spaltung nicht weiter voranschreitet, müssen wir wieder miteinander sprechen.
Veränderung braucht kein Datum. Fang heute an! Aber morgen ist auch noch Zeit.