
Husten, leichter Druck im Kopf, etwas gliederschwer. Kein Grund, sich krankzumelden – oder doch? Gerade für Selbständige oder Angestellte im Homeoffice ist die Schwelle oft niedrig, sich trotz Krankheit an den Laptop zu setzen. Schließlich spart man sich den Arbeitsweg, muss mit niemandem sprechen und kann sich notfalls zwischendurch hinlegen. Aber tut es uns wirklich gut, zu arbeiten, wenn wir krank sind?
Im Moment würde ich ganz klar sagen: Ja. Ich bin seit fünf Wochen krank. Mein Körper hat eine lange Pause gefordert und ich habe versucht, sie ihm zu geben. Ich habe gelegen, geschlafen, geruht und vier Staffeln »Only Murders in the Building« geschaut. Alles super. Aber langsam bin ich kurz vorm Durchdrehen. Ich kann nicht mehr liegen, ich will nicht mehr warten, bis ich wieder topfit bin. Ich will etwas tun: schreiben, nachdenken, Struktur in meinen Tag bringen, mich mit Kolleg:innen austauschen …
Arbeit als Teil des Heilens
Kranksein ist schließlich nicht nur ein rein körperliches Thema – es ist auch eine psychisches. Zurzeit frage ich mich: Was brauche ich – außer Ruhe – wenn ich krank bin? Vor allem das Klackern der Tasten, wenn ich texte, und die Freiheit, immer wieder neue Ideen zu entwickeln. Fehlt das, folgt Frust und schlechte Laune. Ich arbeite einfach gern und damit bin ich nicht allein.
Warum wir auch krank arbeiten
Studien zeigen: Viele Menschen entscheiden sich bewusst dafür, auch mit leichten Krankheitssymptomen zu arbeiten. Der Grund ist nicht immer Druck von außen. Oft spielt das eigene Pflichtgefühl mit hinein: Man will keine Projekte verzögern, keine Verantwortung abgeben, keine Schwäche zeigen. Im Homeoffice fällt es leichter, sich über den eigenen Zustand hinwegzutäuschen. Kein Blick aus dem Team, keine spürbare Distanz zum Arbeitsort. Der Laptop liegt nur einen Handgriff entfernt.
Ein bisschen Arbeiten kann guttun – muss es aber nicht
Eine Untersuchung der Hochschule Darmstadt zeigt, dass viele Mitarbeitende positive Effekte wahrnehmen, wenn sie trotz leichter Krankheit arbeiten: Sie fühlen sich eingebunden, bewahren Struktur und erleben ihren Tag als sinnvoller. Kurzfristig kann das stärkend sein. Aber: Langfristig zeigt sich ein anderes Bild. Wer regelmäßig krank arbeitet, riskiert Erschöpfung, längere Ausfallzeiten und höhere Fehlerquoten. Im Homeoffice, wo Erholung und Arbeit oft ineinander übergehen, ist das Risiko besonders hoch.
Warum ins Büro gehen keine gute Idee ist
Anders als im Homeoffice gefährdet Arbeiten, wenn man krank ist, im Büro nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die der anderen. Viren verbreiten sich schnell. Und was für dich nur ein leichter Infekt ist, kann für Kolleg:innen mit Vorerkrankungen ernst werden. Dazu kommt: Sich im Büro krank durchzuschleppen führt nicht zu mehr Produktivität, dafür aber oft zu Folgeerkrankungen. Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben. Punkt.
Dein Körper, dein Kompass
Wer im Homeoffice mit leichtem Schnupfen etwas arbeiten will, kann das guten Gewissens tun. Aber nicht alles, was geht, trägt zur Genesung bei. Als wichtiger Kompass in solchen Situationen dient nicht der Kalender, nicht die To-do-Liste und auch nicht das schlechte Gewissen. Es ist dein Körper. Wenn du merkst, dass du dich nicht konzentrieren kannst, deine Glieder immer müder werden oder deine Stimmung kippt: Mach Pause. Gute Selbstführung beginnt damit, dir selbst zuzuhören. Du musst nicht gleich beim ersten Niesen den Rechner runterfahren. Aber manchmal reicht ein Schnupfen für die Devise: Laptop zu, unter die Decke schlüpfen und Pause machen – auch wenn es schwerfällt.
Checkliste: Arbeiten bei Krankheit – ja oder nein?
- Kann ich mich überhaupt konzentrieren?
- Würde ich einem guten Freund oder einer Kollegin empfehlen in dem Zustand heute zu arbeiten?
- Habe ich die Option, nur das Nötigste zu tun – z. B. E-Mails checken, aber keine Meetings?
- Bin ich ehrlich zu mir oder funktioniere ich nur?
Wenn du diese Fragen alle mit ja beantworten kannst, setz dich ruhig eine Weile an den Schreibtisch und arbeite.