Karriere im Top-Management: „Die meisten Führungskräfte wissen nicht, dass sie im C-Level eine andere Welt betreten.“

Gudrun Happich

Gudrun Happich ist Sparringspartnerin für Führungskräfte auf C-Level-Niveau. Im Interview verrät sie, welche Besonderheiten einen auf der Top-Etage erwarten.

Erst einmal vorab: Wo beginnt und endet das C-Level?

C-Level-Manager:innen sind dort zu finden, wo die Unternehmenspolitik im Unternehmen anfängt. Vom offiziellen Sprachgebrauch her redet man vom Top-Management. Doch der Begriff schreckt viele meiner Klient:innen eher ab. Er weckt in ihnen die Vorstellung von aalglatten Anzugträgern, und mit denen können und wollen sie sich nicht identifizieren. Insgesamt fällt ein ganzes Sammelsurium an Positionen in den C-Level-Bereich. Das kann die Geschäftsführerin oder der Managing Direktor sein, das kann der Vorstand sein oder die Aufsichtsrätin. Es kann sich aber auch um den Senior Vice President oder die Management-Partnerin handeln. Auch die ganzen C-Positionen gehören dazu: CEO, CIO, CTO et cetera. Daher kommt der Name C-Level.

Müssen Führungskräfte auf der Ebene des Top-Managements andere Dinge beachten als auf den Karrierestufen davor?

Ja, das C-Level ist eine komplett andere Welt als das mittlere Management. Leider wissen aber viele Führungskräfte nicht, was sie erwartet, wenn sie aufsteigen. Ich bin selbst das beste Beispiel dafür: Als ich noch Führungskraft war und mir angeboten wurde, als Mitglied der Geschäftsleitung die Verantwortung für rund tausend Menschen im Raum DACH zu übernehmen, habe ich mich gefreut wie eine Königin und mir gesagt „Na, klar, führen kann ich!“ Ich dachte, ich werde genau das Gleiche machen wie im Middle Management – nur noch einen draufpacken müssen. Im C-Level angekommen, wurde ich dann eines Besseren belehrt, denn hier gelten sozusagen neue Gesetze, andere Spielregeln, unausgesprochene „geheime“ Codes, Hidden Agendas. Es existieren neue Umgangsformen und vor allen Dingen neue Anforderungen und Aufgaben an die Rolle. Hätte ich das vorher gewusst, wäre das hilfreich gewesen – und das geht vielen anderen Führungskräften genauso. Mit meinen damaligen Vorstellungen über das obere beziehungsweise oberste Management bin ich nämlich keine Ausnahme, das stelle ich bei meiner Arbeit immer wieder fest. Und da viele nicht wissen, dass es im Top-Management anders zugeht, entpuppt sich der ersehnte Vorstandsposten für manche als Albtraum. Statt zur beruflichen Erfüllung wird er zum Stolperstein für die Karriere.

Welche Spielregeln und Codes sollte man auf jeden Fall kennen, wenn man eine C-Level-Position anstrebt oder vielleicht sogar schon angenommen hat?

Man sollte sich auf jeden Fall bewusst sein, welche Anforderungen hier gestellt werden. Das C-Level ist eine Welt des Einflussnehmens, der Strategie und des politischen Taktierens. Das, was im mittleren Management am stärksten zählt, nämlich Probleme zu lösen und Ergebnisse zu liefern, wird als selbstverständlich vorausgesetzt und macht nur circa zehn Prozent der Arbeit aus. Dazu stoßen eine Menge weiterer Anforderungen. Für die Rolle als Führungskraft im Top-Management geht es zum Beispiel darum, das Unternehmen als Ganzes zu leiten und gezielt externe Kontakte aufzubauen, etwa zu Verbänden, zu Kund:innen, zu Kooperationspartner:innen und der Politik. Ich würde sagen, 30 Prozent des Erfolges machen ein dem Top-Management gerechtes Auftreten aus und ganze 60 Prozent der Arbeit, beziehungsweise des Erfolgs, des C-Level-Managments sind damit verbunden, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Das bedeutet viel, viel mehr als das, was wir gemeinhin unter Netzwerken verstehen. Die Führungskraft muss Vertrauen aufbauen und wichtige Personen zu ihren Verbündeten machen. Statt den direkten Weg zu nehmen ist es dabei manchmal wirksamer, über Bande zu spielen:

So, wie ich beim Billard die Kugel nicht direkt anspiele, komme ich auch im C-Level in der Regel besser indirekt zum Ziel. Und zwar, indem ich meine Verbündeten von meinen Ideen überzeuge, und sie mir wiederum helfen, meine Ziele zu erreichen, insofern diese auch auf ihren eigenen Erfolg einzahlen.

Gudrun Happich

Das ist in gewisser Weise ein Geben und Nehmen. Argumente und Sachlichkeit sind bei dieser Strategie meist nicht gefragt. Zumindest nicht im ersten Schritt. Im Top-Management haben hat man viel mit Menschen zu tun, die in den Themen, mit denen man sich selbst befasst, gar nicht so detailliert drinstecken – und die sind mit reinen fachlichen Argumenten nicht zu gewinnen. Was zunächst zählt ist die emotionale Überzeugungskraft. Das heißt, die Wünsche und Anliegen des Gegenübers müssen erkannt werden. Dann erst kann man seine Argumentationsstrategie mit Blick auf diese Bedürfnisse ausspielen.

*Dieses Interview ist ein Auszug eines längeren Interviews mit Gudrun Happich aus dem Buch „Der Führungshappen„, das am 22. Mai 2024 erscheint.

Gudrun Happich

Über Gudrun Happich

Gudrun Happich ist seit mehr als 25 Jahren Coach und Sparringspartnerin für Geschäftsführer, Vorstände und C-Levels. Die Diplom-Biologin und Inhaberin des Galileo . Institut blickt selbst auf langjährige Führungserfahrung zurück und war unter anderem als Mitglied der Geschäftsleitung für mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen im Raum DACH verantwortlich. In dieser Zeit entwickelte sie den mehrfach ausgezeichneten bioSystemik®-Managementansatz, der die Natur beziehungsweise natürliche Organisationsformen zum Vorbild hat und auf Nachhaltigkeit, Selbstorganisation, Vernetzung und Kooperation ausgerichtet ist. Dieser Ansatz und die Vereinbarkeit von Professionalität und Menschlichkeit stehen auch bei ihren Coachings fürs Top-Management im Mittelpunkt.

Gudrun Happich ist Autorin mehrerer Bücher, darunter der Business-Bestseller „Ärmel hoch“ und „Herausforderungen im Führungsalltag“, das 2021 den getAbstract Readers Choice Award gewonnen hat. Ihr neues Buch „C-Level. Im Top-Management erfolgreich werden, sein und bleiben“ ist 2023 erschienen. Ihre Erfahrungen im C-Level-Coaching teilt Gudrun Happich außerdem in einem eigenen Podcast und ihrem Leistungsträger-Blog.

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