Angela Merkel blieb der Forschung nicht treu und machte trotzdem Karriere. Auch die Biologin Verena Donatz hat Erfolg in einem anderen Feld als ursprünglich geplant. Aber ihr Weg führte wieder nah an die Forschung.
Wenn Verena Donatz ins Büro kommt, warten meist schon zig E-Mails auf sie. In ihrem Terminkalender drängeln sich Besprechungen mit Medizinern, Juristen und Marktforschern, es fehlen noch Unterlagen für den nächsten Fachkongress, Agenturmitarbeiter rufen wegen ausgelagerter Studien an, und die Kollegen aus dem Ausland fragen, wie bei ihr in Deutschland die Fristen bis zur Markteinführung liegen und welche Daten sie noch braucht.
Bei Verena Donatz fließt alles zusammen. Als Senior Manager Health Economics & Reimbursement bei Janssen-Cilag wird sie das Dossier verantworten, an dem ihr Team laufend schreibt, korrigiert und ergänzt und anhand dessen die deutschen Behörden entscheiden werden, ob das neue Krebsmedikament ihres Arbeitgebers einen Zusatznutzen gegenüber den bisher bestehenden therapeutischen Möglichkeiten hat. Das ist auch eine Frage des Zeitmanagements. „Wenn ich selbst Forschung betreibe, etwa einen Analyseplan für eine Versorgungsstudie erstelle, mache ich schon mal die Tür zu und versuche, eine Stunde lang nicht gestört zu werden“, sagt sie.
Verena Donatz wollte immer Forscherin werden. „In der elften Klasse habe ich beschlossen, Biologie zu studieren, weil meine Lehrer meine Fragen nicht beantworten konnten.“ Zunächst wählt sie den klassischen Weg, plant schon beim Studium eigene Projekte, sichert sich Stipendien, gründet mit anderen zusammen die Life Sciences-Studentenorganisation btS, geht ins Ausland, bringt namhafte Einrichtungen im Lebenslauf unter. Alles läuft wie geschmiert, doch dann stellt sie fest: Es knirscht in den Gelenken. „Ich finde die Grundlagenforschung nach wie vor spannend, aber bis die Ergebnisse im Lehrbuch stehen, kann es schon einmal 15 Jahre dauern, und das passt einfach nicht zu mir.“
Personalberater gähnen, wenn auf die Frage nach den Schwächen mal wieder die Antwort kommt: Ich bin ungeduldig. Das sagt doch jeder. Für Verena Donatz aber ist Ungeduld ein wichtiges Signal; sie baut sich aus dieser Eigenschaft einen Karrieresteg. Erster Schritt ist die Idee: Anwendungsforschung ist schneller. Als Doktorandin in einem Biotech-Unternehmen kommt sie mit dem Forschungsmarketing in Berührung, daraufhin kratzt sie eine weitere Kurve in den Lebenslauf: Nach der Promotion in der Krebsforschung wechselt sie zur Johnson & Johnson-Tochter Janssen-Cilag.
Dort forscht sie nicht mehr. Stattdessen bringt sie HIV-Medikamente des internationalen Pharmakonzerns nach Deutschland. Als Gesundheitsökonomin wechselt sie dann in den Geschäftsbereich Onkologie. Dort bereitet sie gerade neue Präparate darauf vor, eine in diesem Jahr neu eingeführte deutsche Gesetzeshürde zu passieren: Unternehmen müssen den Behörden in einem Dossier nachweisen, dass ihr Medikament im Vergleich zu ähnlichen Mitteln, die bereits auf dem Markt sind, tatsächlich den erwähnten Zusatznutzen bringt. Janssen-Cilag legt die Herausforderung in Verena Donatz‘ Hände.
So weit muss man erst einmal kommen. Ganz oben auf die Zutatenliste fürs Karriererezept schreibt Donatz Neugier, lebenslanges Lernen, Mut zu Veränderungen – und Weitblick. „Man sollte immer mal fünf bis zehn Jahre nach vorn gucken, wie sich die Rahmenbedingungen ändern könnten, was dann ein zukunftsweisendes Tätigkeitsfeld sein wird.“ Vor vier Jahren ergibt ihre Analyse: Sie will noch einmal die Schulbank drücken. Ihren MBA in Health Care Management macht sie neben dem Vollzeitjob, finanziert vom Unternehmen, so gerade eben ausgehalten von ihrer Familie. „Ich habe tagsüber gearbeitet und abends und am Wochenende gelernt. Das war für meine Tochter sehr hart.“
Das Zweitstudium ist nicht der erste Anlass, zu dem sie ihrer heute zehnjährigen Tochter fehlt. Als Donatz an der Markteinführung von HIV-Medikamenten arbeitet, hat sie noch ein Kleinkind zu Hause. Dennoch lässt sie sich dort in der Endphase des Projekts nur ein paar Mal pro Woche blicken – statt Spielplatzbesuchen stehen Dienstreisen auf dem Programm. Schließlich steckt Verena Donatz bis zum Hals in ihren Projekten. Sie ist bereits drei Monate nach der Geburt wieder im Büro erschienen. Wie das geht? „Ich habe ein ganz untypisches Rollenbild: Mein Mann ist Hausmann. Das hat mir diese Freiheiten ermöglicht.“ Einen Hausmann heiraten wollte Verena Donatz übrigens auch schon als Teenager. Man soll eben immer mal ein paar Jahre in die Zukunft blicken.