„Einen Kausalzusammenhang von Erwerbsarbeit und Mutterliebe gibt es nicht.“

Oft ist es doch so: Die Themen, die uns beruflich umtreiben, die suchen wir uns nicht aus. Sie finden uns. So erging es auch Julia Lenders. Schon mit dem ersten Kind wurde der Projektmanagerin klar, dass die eigenen Vorstellungen von Elternschaft und die der Umgebung nicht immer zusammenpassen. Da heißt es dann, Stellung zu beziehen.

Im vergangenen Jahr wurde Julia zum zweiten Mal Mutter und stand wiederum vor neuen Herausforderungen. Heute ist die Dortmunderin mit uns in der Mittagspause am Mittwoch und erzählt uns, wie aus diesen Herausforderungen und ihren Fragen die Idee einer Selbstständigkeit wurde.

→ STARTER

Hi Julia, was isst du heute zu Mittag?

Einen schnellen Tomate-Mozzarella-Salat.

Vegetarisch oder Fleisch?

Vegetarisch

Latte oder Grüner Tee?

Latte

Cocktail oder Bier?

Virgin Sunrise

Ausgehen oder Kochen?

ausgehen

→ HAUPTGANG

Erzähl uns doch ein wenig von dir, was machst du so?

Vor einem halben Jahr bin ich zum zweiten Mal Mama geworden. Daher verbringe ich aktuell sehr viel Zeit mit meiner kleinen Tochter. Neben dem Mamasein bin ich außerdem Projektmanagerin in Elternzeit und nebenberuflich selbstständig. Als Vereinbarkeitsmanagerin berate und coache ich Privatpersonen und Unternehmen im Kontext von Beruf, Familie, Diversität und Inklusion.

Und wie bist du dazu gekommen?

In meinem Berufs- und Privatleben gab es einige Erlebnisse und Erfahrungen, die ich gemacht habe, die mich unser derzeitiges Wirtschaften generell und den Umgang mit Eltern im Speziellen in Frage stellen ließen. Als ich das erste Mal Mutter wurde, war für viele Personen aus meinem (engsten) Umfeld klar, dass ich ein Jahr gar nicht und danach lediglich in Teilzeit arbeiten würde. Auch für mich war das klar – und das, obwohl ich innerlich, aber sehr heimlich, den Wunsch hatte, weiterhin Vollzeit zu arbeiten.

Der Umfang meiner Erwerbsarbeitszeit sagt rein gar nichts über die Gefühle zu meinen Kindern aus.

Julia Lenders

Ich habe damals schon gespürt: Ich brauche diesen Ausgleich. Aus Sorge davor, dass Außenstehende die Liebe zu meiner Tochter und meine Kompetenzen als Mutter in Frage stellen könnten, hätte ich das aber damals, vor inzwischen fünf Jahren, nicht zugegeben. Heute, nach mehrjähriger Reflexion, ist mir die Absurdität dieses Kausalzusammenhangs von Erwerbsarbeit und Mutterliebe erst bewusst. Es gibt ihn schlicht nicht, denn der Umfang meiner Erwerbsarbeitszeit sagt rein gar nichts über meine Gefühle zu meinen Kindern aus. Dadurch habe ich gemerkt, wie fest verankert alte Rollenbilder in unserer Gesellschaft sind und wie sehr jede:r Einzelne sein bzw. ihr Handeln nach ihnen ausrichtet, ohne sie zu hinterfragen.

Mit dem Hinterfragen fing ich bald an und je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto größer wurde mein Änderungswunsch und der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen bezogen auf ihre Rolle als Eltern. Gleichzeitig möchte ich auch auf der anderen Seite, nämlich auf der unternehmerischen Seite, ein Umdenken anregen und bei Veränderungen unterstützen. Ein weiteres einschneidendes Erlebnis war für mich die Diagnose einer punktuellen spastischen Lähmung meiner Tochter. Hierdurch habe ich mich vermehrt mit den Themen Inklusion, Diversität und auch Pflegeverantwortung auseinandergesetzt, für die ich mich mit meiner Tätigkeit ebenfalls einsetzen und ihnen mehr Raum und Beachtung in unserer Lebens- und Arbeitswelt verschaffen möchte.

Nimm uns doch einmal mit: Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich aus?

Puh, derzeit gibt es tatsächlich keinen Arbeitstag, der wie der andere aussieht. Je kleiner die Kinder sind, desto unplanbarer ist für mich jeder neue Tag. Mein Mann und ich teilen uns die Arbeitswoche derzeit auf und meine (Erwerbs-)Arbeitstage sind montags und freitags. Wenn alle rechtzeitig aus dem Bett kommen und keine größeren Katastrophen passieren, schaffe ich es zwischen neun und zehn Uhr am Schreibtisch zu sitzen. Dann produziere ich Content für die sozialen Medien, beantworte E-Mails oder bereite mich auf Gespräche mit (potenziellen) Klient:innen und Kund:innen vor, bevor ich dann auch schon die erste Stillpause einlege und dann nochmal bis zum Nachmittag weiterarbeite.

Wenn ich mache, was ich liebe und authentisch bin, ziehe ich genau die zu mir passenden Menschen an.

Julia Lenders

Den Mittag bzw. Nachmittag nutze ich dann anstelle der Stillarbeit gerne zum Netzwerken und treffe mich mit Partner:innen digital oder auf einen realen Kaffee. Aber so glatt läuft es praktisch nie und das liegt nicht nur an den Kindern, sondern auch daran, dass ich den Wechsel zwischen Care- und Erwerbsarbeit gedanklich nicht immer so schnell schaffe, wie es meine Tagesplanung eigentlich vorsieht.

Dort, wo du jetzt bist: Wie wichtig ist dir deine Karriere?

Karriere bedeutet für mich, mit einer Tätigkeit, die mir Freude bereitet, viele Menschen zu erreichen und damit gleichzeitig meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Beides ist mir sehr wichtig.

Was hättest du aus heutiger Sicht gern früher über dein Business gewusst?

Dass ich mich nicht verstellen und anpassen muss. Wenn ich mache, was ich liebe, und authentisch bin ziehe ich genau die zu mir passenden Menschen an.

Und was machst du zum Ausgleich zum Job?

Ich gehe gern und regelmäßig zum Yoga. Die Yogastunden sind meine Me-Time. Mit meiner Familie habe ich auch ein gemeinsames Hobby, nämlich das Reisen mit dem Wohnmobil. Dieses Jahr steht unser erster Urlaub zu viert an, darauf bin ich schon sehr gespannt.

Welchen Job würdest du gern einmal für einen Tag vertesten?

Für einen Tag wäre ich gerne mal Erzieherin, um zu verstehen und wertschätzen zu können, was in den Kindergärten jeden Tag von dem dortigen Personal geleistet wird.

→ DESSERT

Verrätst du uns deinen persönlichen Kraftort, an dem du dir Inspiration holst?

Genauso vielfältig wie ich selbst bin, so vielfältig sind auch die Orte, an denen ich mir Inspirationen hole. Es sind eher Situationen, z. B. allein beim Spazierengehen und Podcast hören, aber auch beim Abendessen mit meinem Mann oder bei Gesprächen mit Freund:innen.

Kannst du unseren Leser:innen einen Life- oder Workhack empfehlen?

Geräteübergreifendes Arbeiten. So gehen Notizen nicht verloren und ich kann auf wichtige Dokumente jederzeit und auch unterwegs zugreifen.

Wenn du nur ein Gericht für den Rest deines Lebens essen dürftest, welches wäre es?

Tapas

Und jetzt bitte noch ein paar Tipps für unsere Leser:innen:

  • Dein Lieblingspodcast: Mama Lauda
  • Ein Buch, das dich in letzter Zeit beeindruckt hat: “Alle Zeit” von Teresa Bücker beeindruckt mich sehr und ich habe es noch nicht zu Ende gelesen. Die Autorin ist eine so kluge Frau, für mich ist das Buch voller Aha-Erlebnisse.

Und zum Schluss: Hast du ein Guilty Pleasure, mit dem du dir den Arbeitstag oder den Feierabend versüßt?

Ich nasche sehr gerne Schokolade mit Joghurtfüllung. In den ersten Wochen nach der Geburt meiner zweiten Tochter war ich regelrecht süchtig danach.

Vielen Dank, liebe Julia! 🙏🏻

In der Rubrik „Mittagspause am Mittwoch“ stellen wir regelmäßig Frauen – und auch Männer – vor, die uns inspirieren. Anlass für das Gespräch ist die Mittagspause, die Frau ja sowieso nie allein verbringen sollte ;-) Unser Gast leistet uns also (virtuell) Gesellschaft beim #neverlunchalone.

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