Hybride Arbeitswelt: »Wenn nur eine Person außerhalb des Büros arbeitet, dürfen alle in einer remoten Arbeitsweise arbeiten.«

Teresa Hertwig verfügt über ein außergewöhnliches Gespür für Arbeitstrends. Bereits 2018 unterstützte sie Unternehmen dabei, sowohl remotes als auch hybrides Arbeiten zu professionalisieren. Im Interview gibt sie Tipps, was dabei wichtig ist.

Teresa, immer mehr Unternehmen holen ihre Angestellten ins Büro zurück. Was hältst du von diesem Trend?

Ich interpretiere diesen Back-to-office-Trend ehrlicherweise als Mangel an Bereitschaft, wichtige Hausaufgaben zu machen, damit hybrides Arbeiten dauerhaft erfolgreich funktionieren kann. Ich bin ganz sicher: Weder für Produktivität noch für echtes Teamgefühl müssen Teammitglieder in einem Büro sein. Auch solche Artikel, die suggerieren, man muss ins Büro kommen, um Karriere zu machen, sehe ich als verzweifelten Versuch, die Uhr zurückzudrehen. Nachdem wir nun schon viele Jahre in der hybriden Arbeitswelt unterwegs sind, wie können wir immer noch die Präsenz als Gradmesser nutzen? Wenn jemand im Büro sitzt, kann er im Kopf genauso seine Einkaufsliste schreiben wie zuhause. Anwesenheit war noch nie das richtige Messinstrument dafür, ob jemand gute Arbeit abliefert oder nicht. Wenn Führungskräfte einen Mitarbeitenden für eine Beförderung nur dann wahrnehmen, wenn er ihnen vor der Nase im Büro rumläuft, ist das ein Indikator dafür, dass nicht ausreichend Zeit in Führung investiert wird, beispielsweise in One-to-one-Gespräche.

Ich plädiere aber auch nicht dafür, sich gar nicht mehr persönlich zu sehen. Jedes Remote-Team, auch solche, die gar kein Büro mehr haben, trifft sich mindestens zwei bis vier Mal im Jahr zu Workations oder anderen Anlässen. Denn ich kann einem Menschen natürlich ganz anders in einem physischen Raum begegnen. Das heißt aber nicht, dass alle wieder zwei bis drei Tage pro Woche im Büro sein müssen. Produktivität und Teamgefühl entstehen über die Art und Weise der Kommunikation und wieviel Zeit sich eine Führungskraft für Führungsthemen, konkret für den Austausch mit den einzelnen Teammitgliedern, nimmt. Wer seine Kommunikationsweise nicht umstellt, fördert eine Zweiklassengesellschaft. Dann gibt es Leute, die gerne ins Büro kommen, die weiter alles über den Schreibtisch besprechen. Und die, die hybrid arbeiten, sind ausgeschlossen, können nicht teilhaben. Dann funktioniert der Wissenstransfer im Unternehmen nicht mehr. Meine große Empfehlung an der Stelle ist daher immer: Auch wenn nur eine Person außerhalb des Büros arbeitet, dürfen alle in einer remoten Arbeitsweise arbeiten.

Was bedeutet das konkret?

Das bedeutet, dass im Unternehmen so gehandelt, gearbeitet und kommuniziert wird, als gäbe es kein Büro – auch von denen, die weiterhin im Büro sitzen. Dafür braucht es Strukturen und Regeln. Bei meiner Arbeit schauen wir uns zu Beginn erst einmal den Reifegrad eines Unternehmens an, worauf ich hier jetzt nicht näher eingehe. Was aber auf jeden Fall interessant ist, sind die Tools, mit denen in Unternehmen gearbeitet wird. Wir fragen beispielsweise nach vorhandenen Kooperationstools wie Microsoft Teams oder Slack, um nur zwei zu nennen. Die meisten Unternehmen nutzen bereits eines, zumindest eingeschränkt. Nur, weil beispielsweise Teams auf den Laptops der Mitarbeiter:innen installiert ist, nutzen sie noch lange nicht den vollen Funktionsumfang zum Vorteil von allen. Teams kann so viel mehr als nur Videocalls. An der Stelle möchte ich betonen, dass hybride Zusammenarbeit ohne eine Chat-Funktion, egal welche, gar nicht funktionieren kann. Denn ich muss diese kurzen Gespräche ersetzen, die ihm Büro über den Schreibtisch hinweg geführt werden. Das kann ich mit Telefon und E-Mails nicht nachbilden.

Ersetzt der Chat die sagenumwobene Kaffeeküche?

Ja, denn der Chat ist nicht nur dafür da, Nachfragen zu einem Projekt zu stellen oder sich bilateral auszutauschen. Er kann auch den sozialen Austausch fördern und die Kommunikation im gesamten Team, vor allem wenn Führungskräfte zum Beispiel informelle Gespräche orchestrieren. Das geht zum Beispiel mit einem Lunch-Roulette.

Zusätzlich zum Kollaborationstool empfehle ich auf jeden Fall noch ein Aufgabentool. Ich frage immer danach, wie Aufgaben im Team verteilt werden. Es passiert leider noch immer, dass Führungskräfte To-dos per Mail versenden. Ein Aufgabenmanagementtool erleichtert dagegen den gesamten Prozess – auch für die Führungskräfte selbst. Sie können asynchron den Status der Aufgaben der Mitarbeiter:innen einsehen. Und alles, was für eine Aufgabe benötigt wird, ist an einem Ort.

Remotes Arbeiten wirkt an vielen Stellen wie ein Verstärker für die Probleme, die wir häufig bereits aus der Präsenzkultur kennen, aber nie angegangen wurden. Bei der hybriden Arbeitsweise werden sie zwingend. Ein Meeting beispielsweise, der synchrone Austausch ergibt nur dann Sinn, wenn es wirklich etwas zu diskutieren gibt, wenn man gemeinsam kreativ arbeitet, wenn man brainstormt oder gemeinsam Entscheidungen treffen will. Für Statusupdates reicht ein Blick ins Aufgabenmanagementtool.

Wenn alle wirklich damit arbeiten….

Auf jeden Fall. Das muss zunächst einmal etabliert werden. Und am besten gemeinsam mit dem gesamten Team. Für die erfolgreiche Umsetzung hybrider Arbeitsmodelle wird ein klar definierter Teamkodex benötigt, in dem unter anderem Richtlinien für Kommunikation, Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und die Erwartungen an die Reaktionszeiten festgehalten werden. So ein Kodex fördert ein einheitliches Verständnis aller Teammitglieder darüber, wie Interaktionen und Arbeitsabläufe zu gestalten sind, unabhängig davon, ob sie remote oder im Büro arbeiten.

Teresa Hertwig, Get Remote

Über Teresa Hertwig

Teresa Hertwig ist leidenschaftliche Remote-Work-Visionärin mit eigener Praxiserfahrung und Geschäftsführerin der GRC – GetRemote Consulting GmbH. 2013 konnte sie ihren Chef davon überzeugen, teilweise ortsunabhängig arbeiten zu dürfen. Seitdem wechselte sie zwischen Bürophasen in Berlin, Homeoffice bei ihrer Familie im Landkreis Passau und mehreren Monaten Auslandsaufenthalt als reisende, festangestellte Digitale Nomadin. Infolge der positiven Ergebnisse dieser Zeit wurde ihr 2016 die Agenturleitung übertragen und sie stellte das ganze Unternehmen auf mobiles Arbeiten um.

Seit Anfang 2018 begleitet sie mit ihrer Beratungsagentur Unternehmen vom Startup bis zum Konzern eine Remote-Work-Kultur zu etablieren. Die wichtigsten Bausteine für diesen Weg skizziert sie in ihren Büchern »30 Minuten 360° Remote Work« und »Produktivität braucht kein Büro« (beide erschienen im Gabal Verlag).

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