Als Frau im Business hat man’s nicht leicht. Der Gender Bias, eine tief verwurzelte Präferenz für das Männliche in unserer Gesellschaft, macht es uns schwer. Männer genießen einen Haufen Privilegien – übrigens unabhängig davon, ob sie das wollen oder sich dessen überhaupt bewusst sind. Frauen dagegen sind eigentlich bei fast allem im Nachteil: Sie tauchen weniger in Fachbüchern, Zeitungsartikeln und auf Veranstaltungspodien auf. Sie haben es schwerer, sich in Ausbildung und Beruf durchzusetzen. Wissenschaftlich bewiesen ist dieser fiese Fakt: Je kompetenter Frauen sind, desto unsympathischer wirken sie.
Bild: femme curieuse/photocase.de
Es ist gut, dass darüber mehr gesprochen wird, dass wir uns dessen bewusst werden und gegensteuern. Und ich bin wirklich die letzte, die mit dem Finger auf die Frauen zeigen will. Oder gar behaupten würde, Frauen seien zu blöd für die Karriere. Im Gegenteil: Ich staune, wie die kleinen Jungs, die (pardon!) in der Schule oft etwas weniger schlau und etwas fauler als die Mädchen waren, als erwachsene Männer die Geschäftswelt erobern. Vielleicht liegt es doch auch an uns. Immer wieder ertappe ich mich, dass ich in manchen Situationen denke: „Frauen, macht doch mal Ernst!“
Ran ans Mikro!
Es gibt Situationen wie diese: Drei junge Menschen stehen auf der Bühne. Sie haben gerade einen Preis als bestes Start-up gewonnen: ein Mann, zwei Frauen. Dreimal dürft Ihr raten, wem der Moderator das Mikro für die Dankesrede hinhält? Dem Mann. Die beiden Mitgründerinnen stehen stumm daneben und – wait for it – eine von ihnen darf den Preisscheck in die Luft halten! Vermutlich, weil sie so ein tolles Fotomotiv abgibt in ihrem roten Kleid. Nummerngirl reloaded.
Ja, was hätte sie denn machen sollen? Das Mikro an sich reißen? Ja! Bitte, Mädels, reißt das Mikro an euch. Ein kleiner Wink an den Moderator und schon habt ihr die Möhre in der Hand. Dreht euch nicht weg und seid nicht froh, wenn der Typ neben euch euch den Job abnimmt, ein paar Worte zu sagen. Denn der nächste Investor oder die potenzielle Kundin, die euch als Trio auf der Bühne gesehen haben, werden den Typen anrufen und nicht euch. Übt das. Greift euch das Mikro und sagt was. Nehmt euch Zeit und versucht, es zu genießen. Notfalls improvisiert Ihr halt. Vielleicht sagt ihr etwas, was andere Frauen ermutigt.
Als ich das erste Mal vor 500 Leuten einen Vortrag gehalten (und, nebenbei bemerkt, den Saal gerockt) habe, habe ich hinterher meine Chance genutzt. Ich möchte noch was sagen, meinte ich. Wir brauchen mehr Frauen auf der Bühne, habe ich gesagt, es ist wichtig, dass wir unsere Geschichten auf unsere Art erzählen. Und auf speakerinnen.org verwiesen, wo man sich als Rednerin kostenlos registrieren kann. Ich konnte das Glitzern in den Augen einiger Frauen im Publikum sehen. High five!
Bei der Berlinale gibt es nach der Filmvorführung oft ein Interview mit dem Regisseur oder der Regisseurin. Dabei konnte ich unzählige Male beobachten, wie der männliche Regisseur ewig redet, während die Hauptdarstellerin schweigend daneben steht. Oder noch besser: Die Regisseurin lässt dem männlichen Hauptdarsteller den Vortritt. Oder dem Kameramann. „Es ist so unangenehm, ich bin heilfroh, wenn das jemand anders übernimmt.“ – ich kenne das.
Bitte macht das nicht! Nutzt Eure Stimme, habt keine Angst vor dem Publikum. Ihr habt genauso das Recht, Euren Standpunkt darzulegen, Eure Meinung zu sagen. Eure Geschichte ist valide und wichtig.
Warum macht es so viel aus, dass ihr auf die Bühne geht? Weil das, so komisch es klingt, Autorität verleiht. Wer auf der Bühne steht, steht erhöht und hat etwas zu sagen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Haltet Männern nicht den Steigbügel!
Wie oft erlebe ich, dass Männer irgendwo die Hauptrolle spielen und Frauen ihnen still und leise alles rundherum organisieren. Das Seminar, wo der Mann der Experte ist und die Frau daneben sitzt und die Fragen der Teilnehmer notiert. Oder sie führt Protokoll oder schreibt das Flipchart voll: „Machen Sie das doch mal, Frau Schneider, Sie haben so eine schöne Schrift.“
Frauen entwickeln Konzepte, Männer präsentieren sie. Frauen machen die Arbeit, Männer heimsen den Erfolg ein.
Frauen sind Deko – immer wieder werden sie mit Sätzen wie „Und jetzt freue ich mich, meine junge und ausgesprochen gutaussehende Kollegin Frau Meier zu begrüßen.“ Nix gegen ein Kompliment an der richtigen Stelle, aber wie lieblich hätte das hier geklungen: „Und jetzt freue ich mich, dass meine geschätzte Kollegin Frau Meier, Expertin auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, bei uns ist.“ Lasst euch nicht zum Augenschmaus degradieren, kontert bei solchen Sprüchen.
Mein großer Favorit sind ja Veranstaltungen, wo der Veranstalter sich am Ende großherzig bei der Frau bedankt, „die das alles organisiert hat.“ Applaus, bitte! Achtet mal drauf: Meistens steht diese Frau, „ohne die all das hier nicht möglich gewesen wäre“, unten neben der Bühne oder huscht irgendwo verlegen durch den Saal. Ab jetzt nicht mehr! Ab jetzt geht diese Frau auf die Bühne und lässt sich beklatschen. Im besten Fall greift sie das Mikro und sagt irgendwas, was nicht devot ist – am besten was Fachliches. Just do it, girls!
Kocht keinen Kaffee!
Früher habe ich mit einer Kollegin, die ein paar Jahre älter ist, ein Büro geleitet. Wir hatten keine Assistenz, und wenn wir (meist männlichen) Besuch bekamen, mussten wir selbst Kaffee kochen und servieren. Sie, ganz alter Hippie und Feministin, hat sich immer standhaft geweigert. „Ich koche für die Typen keinen Kaffee.“ Meine Güte, dachte ich, dann mach ich das halt. Ich hab kein Problem damit. Ich bin eine gute Gastgeberin, dachte ich. Ich habe den Kaffee gekocht und den Herren Kekse serviert.
Jetzt, ein paar Jahre älter und nachdem ich so viel über den Gender Bias weiß, käme das für mich nicht mehr in Frage. Warum nicht? Weil es etwas mit mir macht. Wenn ich den Kaffee serviere, erfülle ich die Rolle, die Frauen jahrhundertelang erfüllt haben bzw. die für sie vorgesehen war. Ich diene. Das macht etwas mit mir – und vermutlich macht es auch etwas mit den Herren. Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich gern Gäste bewirte und möchte, dass sie sich wohlfühlen. Es geht ums Prinzip, um über Jahrhunderte eingeübtes Verhalten. Und außerdem: Selbstbedienung hat noch keinen umgebracht.
Think big!
Mir fällt auch auf, dass Gründerinnen ihr Business oft gern klein und übersichtlich halten wollen, eher familiär. Als ich meinen Fonski Verlag gegründet habe, war mir wichtig, dass er klein bleibt. Ich wollte kein Imperium steuern, kein riesiges Vertriebsnetz aufbauen müssen. Eigentlich wollte ich nicht mal Mitarbeiter. Das alles aus eigener Tasche finanziert, versteht sich. Bis heute mache ich keinen Gewinn und muss überlegen, wie lange ich mir den Spaß noch gönnen möchte.
Und wenn ich mich so umschaue, sehe ich eine Menge Frauen, die genau so an ihre Gründung rangehen: klein und fein, „mein Baby“. Ich verstehe das total. Männer aber denken groß, gründen eine GmbH, suchen sich Investoren – dicke Hose von Anfang an. Währenddessen verkauft die Ulli rosa Häkelschweine auf Dawanda und fragt in der Facebook-Gruppe herum, ob sie ihr Label nach den ersten Silben der Vornamen ihrer drei Kinder benennen soll. (Ich denk mir das nicht aus.)
Klar ist es auch ein Vorteil, dass Frauen im Business weniger Risiken eingehen. Statistisch gesehen wachsen ihre Unternehmen langsamer, überleben aber länger. Wenn man sich allerdings von Anfang an klein und bescheiden macht und lieber semiprofessionell unterwegs ist, wird das nichts mit dem Welterfolg.
Ich verrate euch was: Wenn ihr mit eurem Business 450 Euro im Monat verdient, ist das keine Selbständigkeit. Das ist ein Hobby.
Ich werfe das niemandem vor, denn wie gesagt: Mir geht es ja mit einem Teil meines Business genauso. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass die Geschäftswelt immer eine Männerwelt war, von Männern für Männer geschaffen wurde. Und auch wenn es Fortschritte gibt, wirken die alten Mechanismen weiter. Wir Frauen sind, historisch gesehen, neu im Geschäft. Wir üben noch. Aber wir sollten jetzt mal Ernst machen.