Nehmen Sie einmal an, Sie sind Student. Und träumen davon, Unternehmer zu werden. Die Familie rät ab: zu unsicher, zu risikoreich. Was ist mit der Rente? Krankheit? Pleite? Möglicherweise gibt es aber doch einen Weg, das Unternehmertum zu lernen. Drei Mitglieder der studentischen Unternehmensberatung „Academy Consult“ aus München stellten sich vor zwei Jahren die Frage, ob sich Unternehmertum nicht lehren lasse und entwickelten ein interessantes Konzept.
Unternehmerisches Denken und Handeln
19 junge Frauen und Männer sitzen in einem kleinen Raum im Jugendgästehaus in Köln-Riehl zusammen. Die zehn Studenten und neun Studentinnen sind aus Siegen an den Rhein gekommen, um sich an diesem Wochenende mit anderen Mitgliedern und Interessenten der Siegener „Study & Consult“ zu treffen. Während der neu gewählte Vorstand der studentischen Unternehmensberatung über Ziele und Entwicklungsmöglichkeiten in der nächsten Zeit diskutiert, beschäftigen sich die Workshop-Teilnehmer mit „Unternehmerischem Denken und Handeln“.
„Versucht einfach mal folgendes“, schlägt Benjamin Ruppel, Wirtschaftspädagoge und Absolvent der LMU München, vor und malt eine Pyramide an die Tafel: „Zunächst geht es darum, eine solide Basis durch eine gute Ausbildung zu schaffen.“ Dann solle man bereits während des Studiums regelmäßig kleine Beträge in Fonds, Aktien und Immobilien zu investieren. „Es kann natürlich mal passieren, dass ihr 100 oder auch 200 Euro verliert. Aber dann solltet ihr genau analysieren, warum das passiert ist und wie es hätte besser laufen können. Ich persönlich habe immer dann am meisten gelernt, als es schlecht lief“, erzählt er.
In einem weiteren Schritt stünden Unternehmensbeteiligungen auf dem Lehrplan. Das habe den Vorteil, dass man so viel näher an den Unternehmern dran sei und auch emotional viel eher beteiligt. Die Spitze der Lernpyramide bilde dann das eigene Unternehmen, das aber nun bereits mit erster unternehmerischer Erfahrung gegründet werde. Ein weiterer Vorteil wäre es zudem, sich bereits mit anderen unternehmerisch denkenden Menschen austauschen zu können.
Die Zuhörer sind skeptisch: „Eigentlich machen es Gründer doch meistens anders. Von eurer Vorgehensweise habe ich noch nie gehört“, kommt ein Einwurf aus dem Publikum. „Das, was ihr in den Medien lest, sind natürlich immer die Erfolgsgeschichten. Von den 80 Prozent, die in den ersten fünf Jahren scheitern, hört man normalerweise nicht“, betont Benjamin Ruppel.
Exkurs: Vielleicht sollte man noch viel mehr hinter die Erfolgsgeschichten schauen? Welcher der erfolgreichen Gründer kommt aus einer Unternehmerfamilie und ist von klein auf den Umgang mit Chancen und Risiken gewöhnt? Lernt früh, eine Spürnase für Gelegenheiten zu entwickeln und wird von seinen Eltern dazu ermutigt?
Angst vor dem Unternehmerrisiko
Doch wie steht es mit dem Unternehmerrisiko: Für alles selbst sorgen zu müssen? Mit der Gefahr einer Insolvenz umgehen zu lernen? „Klar, es gibt Risiken. Aber die habt ihr als Angestellte genauso“, erklärt Frederik Naraschewski von „Academy Consult“: „Als Unternehmer ist das Risiko vor allem zu Beginn sehr hoch. Ihr habt noch keine Vermögenswerte gebildet und noch nicht so viel Erfahrung. Doch später kann man die Risiken streuen: Anteile anderer Unternehmen kaufen, mehrere Geschäftsfelder bearbeiten und Geld in verschiedene Anlageformen stecken. Und natürlich habt ihr dann nicht mehr wenige Kunden, sondern viele, so dass ihr auch den Verlust des ein oder anderen verschmerzen könnt.“ Bei einem Angestellten dagegen steige das Risiko. Sein einziger Kunde sei – übertragen gesehen – der Arbeitgeber. Und den könne er verlieren und stehe dann ohne Einkommen da.
Vermeintlich sicher: der feste Job
Anne Ide leuchtet das Argument nicht ein: „Aber als Angestellter kann ich mir doch einen neuen Job suchen.“ Das sei natürlich möglich, bestätigen beide Dozenten, nur die vermeintliche Sicherheit eines festen Jobs sei heute eben nicht mehr so ohne weiteres gegeben: Ein Unternehmer setze sich stattdessen ständig mit diesen Gedanken auseinander und lerne, Risiken zu begegnen.
Als Benjamin Ruppel und Frederik Naraschewski zusammen mit Alexander Koschke den Workshop „Unternehmerisch Denken und Handeln“ als internes Projekt der studentischen Unternehmensberatung „Academy Consult“ aus München entwickelten, setzten sie sich lange mit ihrem Konzept vom Unternehmertum auseinander. Man müsse unbedingt „zwischen Selbständigen und Unternehmern unterscheiden. Als Unternehmer muss ich lernen, Arbeit abzugeben und mich nicht um alles zu kümmern.“ Neben Phasen mit hohem Arbeitsvolumen könne es auch immer Phasen geben, in denen weniger Arbeit anfalle und auch ein Unternehmer eine Work-Life-Balance entwickeln könne.
Was ist mir wichtig im Leben
Dazu gehört es auch, sich mit der Frage nach den Prioritäten im Leben auseinanderzusetzen. Zu diesem Punkt geht es nach der Pause weiter mit der Frage: „Was sollte Bestandteil eures idealen Tages sein?“ Björn Heubner, Anne Ide und drei weitere Studierende diskutieren angeregt. Begriffe wie Freunde, Familie und Partner fallen schnell. Auch die anderen Teilnehmer versuchen in Vierer- oder Fünfer-Gruppen, ihren idealen Tag zu entwerfen.
Später in der großen Runde stellen die einzelnen Gruppen ihre Ergebnisse vor und bilden Cluster mit den Begriffen: Selbstverwirklichung/Erfolg, Familie/Freunde, Gesundheit, Soziales Engagement, Interessen und Job/Geld. Als Favoriten für den idealen Tag gelten Aktivitäten mit der Familie, Freunden, eng gefolgt vom Job.
Übungsfeld Planspiel
Einen weiteren wichtigen Bestandteil des Workshops bildet das vom Trainerteam entwickelte Planspiel, bei dem jedes Unternehmen je ein Produkt auf den Markt bringt. Abgesehen vom Markt werden keine weiteren Komponenten eingebracht. „Aber auch so können die Teilnehmer sehr viele Effekte beobachten“, erklärt der Chemie-Doktorand an der TU München. „Vor allem lassen sich so schon viele Effekte innerhalb der Teams beobachten, je nachdem ob vorsichtige Typen oder risikofreudige aufeinandertreffen“, lacht Benjamin Ruppel. „Schließlich ist es ja ein komplexer Prozess, ein Unternehmen aufzubauen. Und wer in unseren Workshops auf andere interessierte Teilnehmer trifft, kann sich ganz allmählich auf die Idee einlassen, lernen und vielleicht ein Netzwerk mit anderen Gründern aufbauen.“
Genau das war auch einer der Gründe, warum Benedikt Schwaiger, Sebastian Stricker, Florian Fraunhofer und Sven Raak vom Vorstand der „Study & Consult“ die Münchner Kollegen eingeladen haben. „Da wir während unserer Mitarbeit bei „Study&Consult“ in so viele Projekte „hineinschnuppern“, müssen wir ständig bereit sein, über den Tellerrand zu schauen“, erzählt Florian Fraunhofer. Der 24-jährige, der deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Siegen studiert, arbeitete bereits an Marktanalysen für soziale Einrichtungen und an Gebäudebewertungen mit.
Diese Offenheit und auch die Erfahrung, immer wieder neu auch mit Risiken umzugehen, sieht Sven Raak als einen der Gründe, warum viele ehemalige studentische Berater den Sprung in die Selbständigkeit, ob als Unternehmer oder Freiberufler, wagen: „Die Zeit bei einer studentischen Unternehmensberatung können Sie sehen wie die Walz der Handwerker.“
www.erkenne-die-moeglichkeiten.de
www.study.de
Die Schulung „Unternehmerisches Denken und Handelns“ ist Teil des Rahmenprogramms des Motivationswochenende von Study & Consult. Dieses wird einmal im Semester zur Förderung des Vereinslebens veranstaltet. In einer größeren Stadt laden die studentischen Berater Referenten ein, besuchen Alumnis mit mittlerweile eigenen Firmen oder werden von großen Unternehmensberatungen zu Workshops eingeladen.