»Eine schlechte Beziehung zu Teammitgliedern ist besser als gar keine.«

Nicole Pathé im Interview mit Jana Assauer

Nicole Pathé ist eine erfahrene Expertin für agile Unternehmenskultur und Leadership. Sie unterstützt mittelständische Unternehmen in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung. Im Interview betont sie die zentrale Bedeutung von Führungskräften im Bereich Relationship-Management und erklärt, wie wir konstruktive Arbeitsbeziehungen gestalten können.

Nicole, du siehst Führungskräfte vor allem als Relationship-Manager. Was bedeutet das konkret?

Führungskräfte, vor allem im Mittleren Management, sind Bindeglieder zwischen Mitarbeitenden unterschiedlicher Ebenen und Funktionen, die im besten Fall Dialog und Zusammenarbeit als Schlüssel für Erfolg sehen. Ihre Aufgabe ist es, Menschen positiv zu beeinflussen sie weiterzuentwickeln und Ergebnisse sicherzustellen. Ich sehe daher als elementare Aufgabe von Führungskräften, dieses Selbstverständnis als Bindeglied zu entwickeln, sich als Netzwerker im Unternehmen zu verstehen. Und auch das eigene Team ist umso erfolgreicher, je besser ich seine Mitglieder ins Unternehmen vernetze. Wenn ich bei Workshops in Unternehmen bin, lade ich meine Teilnehmer:innen deshalb oft ein, ein Soziogramm zu erstellen.

Wie sieht so ein Soziogramm aus und hilft mir das auch als normales Teammitglied?

Ein Soziogramm zu erstellen, lohnt sich für jeden, aber für Führungskräfte ist die Beziehungsebene besonders wichtig. Und es ist auch ganz einfach: Du nimmst dir einfach ein Blatt Papier und schreibst deinen Namen oder deine Initialen in die Mitte und außen herum die Namen der Menschen im Unternehmen, mit denen du besonders häufig zu tun hast, die sozusagen die Stakeholder für deinen Erfolg sind. Das kann jemand aus einer Nachbarabteilung sein, von einem anderen Standort, eine Person aus dem Vorstand, auf jeden Fall dein Vorgesetzter und deine direkten Teammitglieder. 

Im Anschluss geht es darum, zu reflektieren: Wie sind aktuell die Beziehungen zu diesen Menschen? Damit es übersichtlich bleibt, reduziert auf drei Darstellungsformen: Bist du der Meinung, zu einer Person eine positive, konstruktive Arbeitsbeziehung zu haben, ziehst du von dir zu ihr eine durchgezogene Linie. Meinst du, du hast zu jemandem eine angespannte Beziehung – aus welchem Grund auch immer – zeichnest du eine gestrichelte Linie, eine Linie mit Unterbrechungen. Gibt es eine Person, bei der du es nicht richtig einschätzen kannst, nicht Fisch, nicht Fleisch, stellst du das in einer Wellenlinie dar. Ob dieser Mensch morgen aus dem Unternehmen ausscheidet oder nicht, würde dich nicht besonders tangieren. Auf deinem Blatt Papier sind jetzt möglichst viele durchgezogene Linien, aber vermutlich auch gestrichelte und wellenförmige.

Ist das Ziel, nur durchgezogenen Linien zu haben?

Das ist eher unrealistisch und passt nicht zu einer dynamischen Arbeitswelt, in der es auch Konflikte, Spannungen und kontroverse Sichtweisen gibt. Dennoch empfehle ich einen hohen Anteil durchgezogener Linien, vor allem Führungskräften. Je konstruktiver und positiver meiner Arbeitsbeziehungen zu Stakeholdern im Unternehmen sind, desto eher trage ich dazu bei, dass sowohl die Organisation als auch die Menschen in ihr erfolgreich sind. In der Tat sind aber die gefährlichsten Linien nicht, wie man meinen könnte, solche, die angespannte Beziehungen symbolisieren. 

Die erfolgskritischsten Beziehungen sind die neutralen. In dem Moment, in dem mir egal ist, ob eine Person im Unternehmen arbeitet oder nicht, habe ich gar keine wirkliche Beziehung zu ihr aufgebaut. Das torpediert den Gedanken, gemeinsam erfolgreich zu agieren.

Nicole Pathé

Es besteht also Handlungsbedarf?

Sowohl bei neutralen als auch bei angespannten Verbindungen besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf. Wer hier nicht die Zeit und Energie investiert, bekommt die Beziehungen nicht nach vorne. Müssen Führungskräfte bei einem Mitarbeitenden im eigenen Team ehrlicherweise zugeben, dass sie eine neutrale Linie ziehen müssen, heißt das mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass sie hier ihrer Führungsrolle (noch) nicht wirklich gerecht werden.

Das Soziogramm eignet sich allerdings auch wunderbar als Brücke zum Feedback. Wie empfindet mein Gegenüber die Arbeitsbeziehung? Wo haben wir übereinstimmende Sichtweisen, wo abweichende? Der Austausch kann zu Überraschungen führen, aber selbst, wenn die Wahrnehmung übereinstimmt und beide Seiten von einer guten Arbeitsbeziehung ausgehen, stabilisiert und stärkt ein solches Gespräch das Miteinander.

Das Gespräch immer wieder zu suchen, nicht nur über Fachthemen, sondern tatsächlich auch über die Qualität der Zusammenarbeit, ist ein absoluter Erfolgsfaktor – für Führungskräfte, für Mitarbeitende und damit für Unternehmen.

Nicole Pathé

Über Nicole Pathé

Als Inhaberin von pingcom leitet Nicole Pathé seit fast drei Jahrzehnten ihr eigenes Unternehmen im Bereich Personal- und Organisationsentwicklung. Sie unterstützt mittelständische Unternehmen verschiedener Branchen dabei, eine agile und zukunftsfähige Unternehmenskultur zu implementieren. Nicoles Anspruch: In ihren Workshops, Seminaren und Vorträgen einen offenen Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden zu fördern. Ihr Ziel: Alle Beteiligten begreifen sich als aktive Mitgestalter des Unternehmenserfolgs.

Der Text ist ein Auszug aus Nicole Pathés Interview im Führungshappen.

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