Frauen haben in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. Praktisch alle Jobs stehen ihnen offen, sie müssen die gebotenen Chancen nur ergreifen. Doch eine Hürde gibt es noch: Kinder.
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Mit 20, im Studium, selbst an dessen Ende sind Kinder für die meisten Frauen kein Thema. Man hat schließlich so viel anderes anzupacken: Auslandssemester, Prüfungen, das Praktikum beim Traumunternehmen oder die ersten Weichen fürs Berufsleben. Für Arbeitgeber jedoch sind Kinder ein Thema – und das betrifft jede Frau, ob sie nun jetzt Kinder haben möchte oder später oder auf gar keinen Fall: Die Frage steht irgendwann im Raum. Manchmal spricht sie ein Vorgesetzter an, im Sinne von: „Jetzt, wo Sie geheiratet haben, kommen sicher auch bald Kinder …“ Manchmal behindert sie die Karriere völlig unausgesprochen.
Da mag man sich noch so verwundert die Augen reiben: Kinder, oder besser gesagt, die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern, soll immer noch eine Hürde auf dem Karriereweg darstellen? Wir leben doch nicht mehr in den 60ern.
Doch zumindest in Deutschland sehen Arbeitgeber in jeder Frau das Potenzial zur Mutter – und damit die Gefahr langer Ausfallzeiten. Ganz falsch liegen Chefs damit gar nicht: Unter denjenigen, die sich irgendwann für Kinder entscheiden, kehren tatsächlich viele erst nach langer Auszeit und dann auch meist nur in Teilzeit zurück in ihren Beruf. Und warum?
Der „Schwarze Peter“ wandert endlos zwischen Frauen, Männern, Unternehmen, Gesellschaft und Politik hin und her: Frauen in Deutschland bleiben durchaus gern bei ihren Kindern, Männer ziehen da nur sehr langsam nach. Die Angebote zur Kinderbetreuung, besonders für die ganz Kleinen, sind ein Witz, und Unternehmen zeigen sich wenig flexibel, was Möglichkeiten wie Jobsharing, Homeoffice oder Projektarbeit angeht. Zudem sorgen die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern dafür, dass es sich oft am ehesten rechnet, wenn sie zu Hause bleibt.
Um die Kinder-Hürde zu beseitigen, müssen wir also an einer Menge Schrauben drehen – und wir brauchen eine Vision: das Wir-basteln-uns-das-familiengerechte-Land-Deutschland. Gute Ideen suchen wir uns anderswo zusammen: Anfangen könnte man mit Schweden. Dort nehmen 42 Prozent der Väter Elternzeit (in Deutschland: 25,4 Prozent; und drei von vier Vätern nur für maximal zwei Monate). Nach einem Jahr haben in Schweden alle Kinder Anspruch auf einen Kindergartenplatz, und zwar ganztägig. Auch die Arbeitskultur ist auf einen hohen Stellenwert von Kindern und Familie ausgerichtet.
Aus Frankreich wählen wir das Familiensplittingmodell bei der Einkommenssteuer: Viele Kinder bedeuten geringe Steuern. Außerdem sind auch hier die Kinderbetreuungsmöglichkeiten fantastisch: Es gibt sie in Hülle und Fülle und in bester Qualität – Mütter haben schließlich in der Regel keine pädagogische Ausbildung.
Von den USA nehmen wir die pragmatische Einstellung zu Dienstleistungen mit: US-Karrierefrauen würde es nicht im Traum einfallen, sich dafür zu rechtfertigen, dass sie nicht waschen oder zum Markt gehen. Haushalt, Gartenarbeit, Einkaufen überlassen sie ganz selbstverständlich Service-Unternehmen. Das bedeutet mehr Zeit fürs Wesentliche – zum Beispiel für einen Ausflug mit der Familie.
Machbar ist also vieles. Ob es in Deutschland funktionieren kann, ist letztlich auch eine Frage der Masse. Wäre es etwa, wie von diversen Seiten vorgeschlagen, vorgeschrieben, dass 30 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt sind, dann kämen allein schon deshalb Lösungen, weil es anders nicht mehr ginge. Und es soll bloß keiner erzählen, es sei kein Geld da: Allein von den Kosten für die so genannte Herdprämie ließe sich ein anständiges Schulmittagessen für alle Kinder in Deutschland finanzieren.
Doch der Weg dahin führt sicher nicht über Abwarten und Teetrinken. Jede einzelne Frau kann mit strategischer Planung mitwirken. Das fängt schon mit der Wahl des Arbeitgebers an. Manche Unternehmen sorgen für eine Arbeitskultur, in der Leistung gesehen und belohnt wird. Dort kann man Ergebnisse zählen lassen – statt der Anzahl der Stunden im Büro. Auch mit Familienzeit gehen Unternehmen unterschiedlich um. Das trifft auch diejenigen, die keine Kinder haben möchten. Schließlich bleibt auch an ihnen die Mehrarbeit hängen, wenn ein Unternehmen sich partout nicht organisatorisch auf familienbedingte Ausfälle einstellen mag. Es haben also am Ende alle etwas davon, wenn die besten weiblichen Fachkräfte sich auf Firmen konzentrieren, die eine kluge Familienpolitik betreiben, und damit ein klares Signal an die Konkurrenz senden.
Bleibt noch die innere Einstellung: Braucht ein Kind wirklich unbedingt die Mama – vierundzwanzig Stunden am Tag? In Wahrheit profitieren Kinder von egalitär eingestellten Müttern – sie lernen zum Beispiel besser. Und den Begriff „Rabenmutter“ gibt es nur im Deutschen. Raben sind übrigens ganz wunderbare Eltern.