Dieser Artikel ist eine Antwort auf die Replik „Frauen – zu blöd für die Karriere“ von Lydia Krüger auf ihrem Blog Büronymus zu unserem Interview „Frauen tun sich mit dem Karrierestart schwerer als Männer“ mit dem Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis. Hauptkritikpunkt: Ein Mann erkläre Frauen die Welt und dann auch noch, dass sie selbst schuld seien an ihren Schwierigkeiten bei Beruf und Karriere. Das kann man durchaus aus den Antworten herauslesen. Das Problem: Wenn Frauen weiter auf die Systemänderung warten, werden sie auch nicht weiterkommen.
Bild: knallgruen/photocase.de
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Ich frage mich gerade, was geschehen wäre, wenn nicht ein Mann das Interview gegeben hätte, sondern eine Frau. Wird nur dadurch, dass ein Mann seine Meinung zu „Frauenfragen“ sagt, seine Meinung zu etwas Irrelevantem? Oder zu etwas Falschem?
Früher war das mal anders: Da erklärten Männer Frauen die Welt. Wenn Frauen etwas sagten, qualifizierte man das gern ab. Das war natürlich Blödsinn. Heute haben Frauen und Männer das gleiche Recht, zu sagen, was sie denken. Auch wenn es über das andere Geschlecht und dessen Verhalten ist. Auch Frauen lassen sich doch nicht den Mund verbieten, als Mütter etwas über Nicht-Mütter oder als Nicht-Mütter über Mütter zu schreiben. Nur mal so als Beispiel.
Mansplaining verstehe ich so, dass ein Mann einer Frau oder auch einer anderen Person in arroganter Art und oftmals, in dem er ihr über den Mund fährt, eine Sache erklärt, von der er keine Ahnung hat. Was hier sicher nicht der Fall ist, ich habe selten so kluge Artikel zum Thema Karriere gelesen als in Slaghuis` Blog „Perspektivwechsel„.
Harter Tobak – so what?
Ich gebe es zu: Manche von Slaghuis´ Aussagen sind harter Tobak. Nicht „Frauen haben es schwer mit dem Karrierestart“ sondern „Frauen tun sich schwer mit dem Karrierestart“. Ehrlich? Bewirkt nicht gerade das System aus Elternhaus, Schule, Hochschule, Unternehmen, dass sich Frauen schwerer „tun“. Und wird es ihnen damit nicht schwerer „gemacht“?
Das Problem: Das System ist schwer zu greifen. Es sind Einzelerzählungen, Einzeleindrücke. Ja, von unzähligen Frauen. Ich kenne diese Geschichten ja auch alle. Ich muss mir aber ja auch die Frage stellen: Was filtert meine Wahrnehmung? Meine eigenen schlechten Erfahrungen? Höre ich somit nur die Geschichten, die meine schlechte Meinung widerspiegeln? Ebenso wie vielleicht bei Dr. Slaghuis: Nimmt er eher das Positive wahr oder gibt es eine positive Entwicklung?
Auch meine Wahrnehmung – und erst recht meine Meinung – ist subjektiv: Beim Karrierestart finde ich durchaus, dass Frauen sich einfach nicht so viel Gedanken machen sollten. Bei meinen Vorträgen und Coachings habe ich ja oft mit jungen Frauen, Absolventinnen und Studentinnen der so genannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu tun. Ich weiß, dass diese Frauen heiß begehrt auf dem Arbeitsmarkt sind. Wer sich das bewusst macht, kann sich nicht nur die Unternehmen aussuchen, sondern auch noch sein Gehalt diktieren.
Was machen die Frauen? Stellen mir Fragen wie „Darf ich das denn verlangen?“, „Ist das erlaubt?“, „Wie kann ich denn in dem Unternehmen, in sechs Jahren Kinder und Beruf vereinbaren?“
Ehrlich? Ich fand es einen der ermutigsten Absätze in Sheryl Sandbergs Buch „Lean in“, als sie schrieb:
But when it comes to integrating career and family, planning too far in advance can close doors rather than open them.
Vielleicht gibt es das Unternehmen in sechs Jahren nicht mehr. Oder die Pläne haben sich geändert?
Gebt einen Sch… darauf, was andere denken!
Daher lautet meine Empfehlung: Gebt einen Sch… darauf, was andere von euch denken könnten. Macht einfach! Denkt nicht alles so weit im Voraus, es kommt immer alles anders, als man denkt.
Vielleicht es auch das Geschenk der Erfahrung: Zu Beginn meiner Karriere habe ich mir auch all diese Gedanken gemacht. Wie sich wahrscheinlich viele von uns viel zu viele Gedanken machen und unsicher sind. Übrigens auch Männer. Mir haben diese Gedanken kaum geholfen, das meiste hat sich eh ganz anders ergeben als gedacht.
Trotzdem gibt es ja die Erlebnisse von Frauen: Geschichten von Vorstellungsgesprächen mit diskriminierenden Fragen oder Einstellungshindernissen im Kopf von Personalverantwortlichen, wenn es um Frauen um die 30 geht. (Sagen würde das natürlich niemand mehr, aber hinter verschlossenen Türen…)
Es bleibt die Frage: Was tun?
Die Frage bleibt: Was können wir tun? Was kann ich tun? Die Schranken in den Köpfen abbauen, also: Das System ändern? Ja, das auch. Dass wir heute viele Fragen von Diskriminierung und Ungerechtigkeit auf diesem Niveau besprechen, hat ja mit dem Einsatz und langen Kampf von Frauen und Männern gegen das System zu tun. Wir müssen also unbedingt dran bleiben!
Es dauert nur ziemlich lange.
Haltung, Baby!
Meine Haltung kann ich jetzt sofort ändern. Danach kann ich meine Entscheidungen treffen. Wichtig finde ich zum Beispiel:
- Ich suche mir einen Arbeitgeber, der Diversity und eine wertschätzende Kultur lebt. Und zwar nicht nur in PR-Sprüchen auf seiner Internetseite und in Hochglanzbroschüren. Informationen dazu finde ich zum Beispiel bei Kununu oder in meinem eigenen Netzwerk. Wenn mein Arbeitgeber diskriminiert, berichte ich darüber und halte andere Frauen oder Männer davon ab, dort arbeiten zu wollen.
- Ich denke strategisch: Welche Skills und Kontakte machen mich als Mitarbeiterin schwer(er) ersetzbar. Das ist zwar kein Garant, ist es übrigens nie, auch nicht für Männer, hilft aber doch.
- Ich verhandle hart in meinem Interesse: Das gelingt tatsächlich nur durch Training. Dazu gehört es übrigens auch, sich auf das Gegenüber einzustellen. Das sind wohl meistens Männer, so what?
Der Karriereknick – ein Mythos?
Kommen wir zu dem Punkt mit dem Karriereknick. Ich kenne die Geschichten zu genüge, die Frauen für die Business Ladys berichten: „Der Knick kam, als meine Tochter geboren wurde.“ „Nach der Elternzeit stand ich auf dem Abstellgleis.“ „Als ich nach einem Jahr zurück auf meine alte Stelle wollte, war diese nicht mehr frei. Stattdessen sollte ich Akten sortieren.“
Hierbei ist nichts empirisch, aber viele Frauen empfinden die Ankunft der Kinder als Zäsur in ihrer Laufbahn. Und das zieht sich durch von großen, mittleren und kleinen Unternehmen. Männer erleben das grundlegend anders: Bei ihnen geht es beruflich dann oft erst richtig los, sie arbeiten oft mehr als vor der Familiengründung, weil sie sich finanziell verantwortlich für die Familie fühlen. Männer, die dagegen länger Elternzeit wünschen, erleben in einigen Unternehmen Diskriminierung und fühlen sich in ihrer beruflichen Entwicklung behindert.
Hier von einem Mythos zu sprechen, finde ich schwierig. Bedenkenswert finde ich den Ansatz von Dr. Slaghuis aber durchaus: Wie ist meine Sicht auf die Dinge? Welche Haltung nehme ich ein? Sehe ich mich selbst als Opfer?
Manche kennen das vielleicht aus der Therapie: [clickandtweet handle=““ hashtag=““ related=““ layout=““ position=““]Ändern kann ich nur mich selbst.[/clickandtweet] Ich kann mein Gegenüber nicht ändern. Also kann ich mir als Frau (oder auch als Mann) schon die Frage stellen: Wie sehe ich das? Passt das noch zu mir? Denn „Karriereknick“ ist ja vielleicht auch wieder nur eine Sicht auf irgendein anonymes System.
Ich musste jetzt auch ein paar Tage ins Land gehen lassen, um meinen eigenen Blick zu schärfen. Den Begriff „Mansplaining“ sollten wir uns für die echten Fälle von diesem aufheben. Die Sicht eines erfahrenen und klugen Coaches sollten wir nicht einfach unter diesem Begriff abqualifizieren. Damit machen wir es uns zu leicht.
Der pragmatische Weg
Aber was könnte ein Weg sein? Mein Ansatz ist eher pragmatischer Natur, das „System“ ist mir meistens zu abstrakt – und zu wenig genau und nicht unbedingt statistisch nachweisbar.
Versteht mich nicht falsch, es muss ich vieles ändern. Den Begriff der „Gender Empathy“ in Unternehmen mitzudenken, Diversity Management am besten in allen Unternehmen, Behörden und in der Politik einzuführen, ja bitte, unbedingt! Die skandinavischen Länder sind ja auch nicht von heute auf morgen zu so relativ gleichberechtigten Verhältnissen gekommen. Und ja, auch ich engagiere mich über meinen Berufsalltag hinaus im Netzwerk der Digital Media Women e.V. für einen Wandel in der Gesellschaft: für mehr Sichtbarkeit von Frauen auf allen Bühnen – ob Konferenz, Fachmedien oder Management Board.
Trotzdem, trotz allem, kann auch jede Frau für sich etwas tun. Das ist meine persönliche Überzeugung, jede kann für sich davon annehmen, was sie für richtig hält:
- Herausfinden, was sie wirklich will. Dazu stehen. Manchmal kommt dabei etwas sehr konkretes wie Ärztin oder Feuerwehrfrau raus. Es kann auch erst einmal etwas sein wie „Irgendwas mit Medien“ oder „Technik“. In diese Richtung zu gehen, hilft, mit Elan und Begeisterung bei der Sache zu sein. Meistens wird man dann auch gut auf seinem Fachgebiet.
- Die Wirklichkeit mitdenken. Wenn ich unbedingt „etwas mit Medien“ machen möchte, bedeutet es, dass ich harte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt habe, was meistens zu Lohndruck und mehr finanzieller Unsicherheit führt. Das nicht auszublenden, ist wichtig. Auch wenn ich Geisteswissenschaften studiere, heißt das nicht, automatisch Taxi zu fahren. Warum nicht BWL oder Jura im Nebenfach machen oder eine andere Qualifikation erwerben, die mich begehrter macht?
- Mich für ein Unternehmen entscheiden. Immer wieder. Oder auch mal nicht. Zumindest die Lippenbekenntnisse der Unternehmen zeigen doch schon mal, dass sie das Thema „Diversity“ nicht mehr so einfach vom Tisch bekommen. Wer sich wirklich schlau macht, kann die richtigen Fragen stellen und ebenso seine Weichen.
- Meine Haltung überprüfen: Welche Glaubenssätze denke ich hier gerade? „Ich muss nicht glauben, was ich denke!“ ist einer der besten Sätze, die ich je gelernt habe. Wendet ihn an, jeden Tag.
- Sich frei machen. Opferrolle ablehnen.
- Netzwerken, unterstützen, #Sisterhood leben. Sich für andere Frauen engagieren. Und mit Männern zusammen arbeiten, die das alten Denken in Unternehmen ablehnen und ändern.
Wie geht ihr das an? Was ist eure Haltung? Wo ändert ihr das System?