Ich war immer eine Verfechterin von „Stellt euch nicht so an, Frauen! Es ist nun einmal so in Unternehmen, dass die Kommunikation in Unternehmen, in der Politik, in der Öffentlichkeit meistens männlich geprägt ist. Lebt damit. Passt euch halt an!“
Der Artikel „Warum Frauenförderung in Unternehmen meist ins Leere läuft“ von Robert Franken war der Auslöser, noch einmal über das Thema nachzudenken.
Robert schrieb davon, dass es nicht darum gehen könne, dass sich Frauen anpassen. Dass es auch nicht darum gehe, dass man ihnen Mentorinnen zur Seite stelle, die ihnen die (männliche) Sicht erklären. Denn das nütze niemanden etwas, den Frauen nicht, aber auch nicht den Unternehmen.
Auf lange Sicht zumindest. Da ist also etwas Wahres dran.
Bis jetzt ist es für Frauen in Unternehmen meist so, dass sie sich oft in männerdominierten Teams wiederfinden. Je technischer die Unternehmen und Branchen, je höher die Karrierestufe, umso kleiner wird der Anteil an Frauen.
Deutschland ist da beileibe keine Ausnahme: Die Infografik zu „Frauen in der Technik-Branche“ zeigt den geringen Frauen-Anteil zum Beispiel auch am Beispiel von US-Unternehmen. Es gibt Ausnahmen, was einzelne Branchen anbelangt, aber auch hier sind die Führungspositionen oft männlich besetzt.
Anpassung wird gewünscht
Für Frauen bedeutet das oft eine enorme Anpassungsleistung in ihrer Kommunikation, in der Kleidung, im Verhalten, in der Art, wie Konflikte ausgetragen werden etc.
Das führt manchmal dazu, dass wir uns selbst nicht mehr ernst nehmen. Oder wie kann es dazu kommen, dass wir bei allem kollektiv aufschreiben, was als weiblich, niedlich, feminin und damit klischeehaft belastet ist.
Hier einmal ein paar Beispiele:
- Kollektiver Aufschrei, wenn es auf einer Konferenz einen Frauen-Bereich mit Nagelstudio oder Friseursalon gibt (wie es das zum Beispiel auf der DLD Women gab oder auf der DMexpo in Köln),
- Ironische Kommentare, wenn man seine Liebe zu „Miss Kitty“-Accessoires gesteht (bei mir war es eine Tasse, die ich in einer Blogparade erwähnt hatte),
- Naserümpfen, wenn eine Frauen-Website pink als Farbe wählt ( – hier könnt ihr raten, welches wohl gemeint ist;-) – ),
- Ironisches Augenzwinkern, wenn eine Frauentruppe in einer geschlossenen Veranstaltung auf lustige Manga-Musikvideos steht,
- …
Dabei ist doch die Frage:
- Ist Star Wars pauschal ernster zu nehmen als Hello Kitty?
- Ist Kickern per se sinnvoller als schicke, rote Nägel zu haben?
Wer legt eigentlich fest, was lächerlich ist oder nicht?
Warum dürfen da keine Brüste sein? Oder sollte sie zumindest nicht sehen, fragt Ninia LaGrande in ihrem Blog. Der Beitrag entstand als Reaktion auf einen Artikel im ManagerMagazin, in dem Designerin und Beraterin Katharina Starley auf die Gefahr von falscher Kleidung für die Karriere hingewiesen hatte: „Wie viel Dekolleté ist zu viel?“
Ganz so einfach ist es dann allerdings doch nicht. Männer sind im Business ja auch Kleiderregeln unterworfen. Auch da kann der falsche Anzug oder schräge Krawatten Karrieren stoppen.
Und wir Frauen: Machen uns auch schon mal fertig, wenn eine von uns auf Rosakram steht. Oder wenn wir dem Rosakram zugeordnet werden.
Ich selbst stehe jetzt nicht unbedingt darauf, mir auf einer Konferenz die Nägel lackieren zu lassen(, obwohl ich lackierte Nägel sehr mag). Aber Kickern ist jetzt auch nicht so mein Ding.
Und was hat das jetzt mit Karriere zu tun?
Kommen wir zurück zur Jobwelt. Wenn hier vieles „Weibliche“ wenig stattfindet und Frauen ständig Anpassungsleistungen vollbringen, macht das die Arbeit anstrengend. Oft mag das gar nicht auffallen.
Es gibt auch sicher viele Frauen, die sich überhaupt nicht fremd fühlen, die sehr gut mit den Kommunikationsmustern und Verhaltensweisen klar kommen. Oft sind das Frauen, die bereits in der Kindheit „männlich“ sozialisiert wurden.
So wie Melek Balgün, die als Profi-Gamerin „Counterstrike“ spielte, und heute als Host Spiele moderiert: „Ich bin mit Jungs aufgewachsen. Deswegen kann den rauen Ton, der im Chat oft herrscht, gut ignorieren. Ich lasse das überhaupt nicht an mich heran.“
Anderen Frauen fällt das schwerer. Und manchmal, meiner Meinung nach viel zu oft, ziehen sie für sich die Konsequenzen zu gehen. Auch das zeigte die Infografik „Frauen in der Technik-Branche“ sehr deutlich: Im mittleren Management verlassen 56 Prozent der Frauen die Tech-Unternehmen.
56 Prozent! Von einem Anteil, der eh schon fast zu vernachlässigen ist
Als Gründe nennen sie:
- Arbeitsbedingungen,
- Work-Life-Balance,
- und Arbeitsumgebung (Kommunikation mit Chefs, Kollegen oder die Unternehmenskultur).
Gender Diversity sieht anders aus
Robert bringt in seinem Artikel ein schönes, neues Wort mit ins Spiel: Gender Empathy. Es geht nicht darum, dass sich Frauen den vorhandenen (männlich geprägten) Strukturen anpassten, sondern dass die Chance genutzt werden sollte, die sich aus der Bereitschaft zur Veränderung ergibt: „die Fähigkeit Vielfalt zu antizipieren und die Unterschiede von Frauen und Männern positiv nutzbar zu machen“.
Wie ließe sich das konkret umsetzen?
Mein Vorschlag: Fragt die Frauen. Nutzt Candidate Experience, nehmt die Female Workforce Experience ernst. Sprecht mit ihnen.
Ein Beispiel: Eine erfahrene Beraterin einer großen Unternehmensberatung ist mit ihrem zweiten Kind schwanger, als wir uns auf einer Veranstaltung treffen. Wir sprechen über Elternzeit, Teilzeit und den Umgang damit. Sie: „Beim ersten Kind war ich nach acht Monaten wieder im Job. Mit 80 Prozent habe ich praktisch Vollzeit gearbeitet, wie verrückt organisiert und mich oft aufgerieben. Nicht einmal hat jemand aus dem Management-Team seine Anerkennung ausgedrückt. Beim zweiten Kind komme ich nicht so schnell zurück. Vielleicht suche ich mir auch ein anderes Unternehmen.“
Aus Sicht des Vorgesetzten war ja auch keine Frage oder ein anerkennender Satz notwendig, es lief ja. Und wenn sie mal gesagt hätte: „In dieser Woche weiß ich gar nicht, wie ich es schaffen soll, hätte er wahrscheinlich gesagt: „Das gehört nicht hierher, regeln Sie das.“ Etwas, dass er eventuell nie machen musste, weil seine Frau das wahrscheinlich erledigte…
Dabei kostet ein anerkennender Satz, mal ein: „Kein Problem, kommen Sie morgen gern eine Stunde später, wenn es in dieser Woche Probleme mit der Kita gibt“, noch nicht einmal Geld.
Und was hat das alles mit „Hello Kitty“ zu tun?
Es hat etwas damit zu tun, dass wir unsere Sicht auf Weibliches oder vermeintlich klischeehaft Weibliches ändern sollten. Wir sollten unsere „Sexism Glasses“ so wie „Racist Glasses“ ablegen. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir die oft aufhaben.
Wir sollten auf jeden Fall aufhören, uns deswegen gegenseitig lächerlich zu machen. Und wir sollten Unternehmen die Chance geben, uns sehr ernst zu nehmen. Damit sie uns nicht reihenweise verlieren.
Buchtipps & Links:
- Robert Franken schreibt regelmäßig in seinem Blog „Digitale Tanzformation“ über Gender-Themen, Transformation und Generation Y.