Frauen? Zu blöd für die Karriere! (Und die Erde ist eine Scheibe.)

Experten relativieren: Auch nicht alle Männer machen Karriere. Wie denn auch? Wenn wir uns eine Hierarchie vorstellen, dass gibt es eben eine Basis – ganz oben die Spitze. Da ist ja nicht so viel Platz, also bleiben zwangsläufig ein paar Karrierewillige auf der Strecke. 

Bild: FemmeCurieuse/photocase.de

Dabei könnte man ja auch durchaus die Frage stellen, was wir eigentlich unter Karriere verstehen? Und ob das noch eine passende Vorstellung ist? Ist Karriere der gradlinige Weg von der Basis an der Spitze in einer hierarchischen Organisation? Also vom Trainee zum Vorstand oder wie manchmal noch: vom Azubi bis zum Vorstand? Hier klappt es ja nicht besonders gut mit den Frauen. Vorstände, Aufsichtsräte, Verwaltungsspitzen? Geschlossene Männerriegen mit Farbtupfen.

Da hineinzukommen, ist nicht leicht. Für Frauen nicht, aber auch nicht für Männer, die nicht auf den ersten Blick dazu passen: Also zum Beispiel Muslime, Schwule, Farbige. Die US-Amerikaner haben dafür den schönen Begriff des WASP (White Anglo-Saxon Protestant) geprägt. Um das zu ändern, gibt es Diversity Management. Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen, die ihre Diversity wirklich managen, erfolgreicher sind als Unternehmen, die sich dem nicht stellen.

Gern stellt man sich den Weg an die Spitze als einen Kampf im Haifischbecken vor, wie es das Autorenduo Wolfgang Schur und Günter Weick mal so treffend in ihrem Buch „Wahnsinnskarriere“ beschrieben hat:

Wenn Sie wirklich weiterkommen wollen, müssen Sie Ihre Karriere ganz obenan stellen. Solange die dazu notwendigen Maßnahmen gleichzeitig die Unternehmensinteressen stützen, ist das einfach. (2005, S. 100)

Wie Karrieremacher tricksen, was sie opfern, wie sie aufsteigen„, so der durchaus treffende Untertitel. Da bleiben viele Frauen auf der Strecke, mit ihnen übrigens auch viele Männer. Schließlich kann nur eine Chefin werden.

Die Herkunft des Begriffes „Karriere“

Laut wissen.de bedeutet „Karriere“ folgendes:

  1. Schnellste Gangart des Pferdes
  2. rascher Aufstieg im Beruf, glänzende Laufbahn
    ∇ aus frz. carriere „Rennbahn für Wagen und Pferde; Strecke Weges, die ein Pferd zurücklegen kann, ohne zu ermüden“, übertr. „Laufbahn, Lebenslauf“, aus ital. carriera „(bes. aufsteigende) Laufbahn“, aus spätlat. via carraria „Fahrstraße“, zu lat. carrus „Wagen, Karren“

Lassen wir die Gangart des Pferdes mal weg. Auch wenn das einige interessante Assoziationen wecken könnte;-).

Beim „raschen Aufstieg im Beruf“, der „glänzenden Laufbahn“ nähern wir uns dem traditionellen Verständnis an. Jemand kann also einen Lebenslauf vorweisen, eine Laufbahn, eigentlich so etwas wie eine „Fahrstraße“. Damit können wir den Begriff aber auch weiter fassen – mehr in Sinne eines „Lebenswegs“, eines „Berufswegs“.

Stimmt unsere Idee von Karriere?

„Karriere“ im Sinne eines „Weges“ könnte doch eine Idee sein. Dabei kann ich auch

  • Umwege gehen,
  • in eine Sackgasse geraten,
  • mich auf der Überholspur befinden,
  • nach dem richtigen Weg suchen,
  • stehen bleiben oder
  • langsam oder schnell voranschreiten.

Grundsätzlich bleibe ich aber in Bewegung. Das unterscheidet dann die „Karriere“ von einer „Position“.

Und was haben Frauen damit zu tun?

Natürlich sind Frauen nicht zu blöd für Karriere. Sie haben es aber hier in Deutschland mit einer Berufswelt und Vorstellungen zu tun, die eigentlich viel zu konservativ sind für dieses Land.

Hier ein paar Fragen:

  • Warum gibt es immer noch so viel Vorstellungen dazu, wie ein Mädchen und wie ein Junge zu sein hat? Mädchen und Jungen antizipieren das und treffen oft konforme Entscheidungen.
  • Warum unterstützt unser Steuer- und Rentensystem das einseitige Versorgermodell, bei dem Rollen in Familien eher traditionell gelebt werden (Mann verdient, Frau bleibt zu Hause), anstatt diesem Rollenverständnis mit sinnvollen Methoden entgegen zu treten?
  • Warum gibt es keine flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung? Und zwar vom Säuglingsalter an bis in die weiterführende Schule?
  • Warum wird die Elternzeit nicht zu 50:50 aufgeteilt statt der zwei Monate Väterzeit? Warum gibt es Mehrheiten für eine „Herdprämie“?

Vorrangig geht es dabei gar nicht um Karrierefragen. Im Hintergrund spielen diese Realitäten aber immer mit – und beeinflussen Entscheidungen.

Ein Beispiel: Ein Paar bekommt sein erstes Kind. Die Frau bleibt die ersten Monate zu Hause, und will dann zurück in den Job. Leider ist der alte Job wieder besetzt, so dass sie nur eine andere Arbeit bekommt, die sie nicht so ausfüllt. Als sich das zweite Kind anmeldet, bleibt sie gleich länger zu Hause. Es wird immer schwieriger, wieder zurück in den alten Job zu kommen. In der Zwischenzeit macht der Mann seine ersten Karriereschritte, das Gehalt steigt merklich, so dass es für die Familie immer schwieriger wird, die Rollen auch mal wieder anders zu verteilen. Irgendwann fühlt sie sich wie auf dem Abstellgleis.

Wird die Zukunft verspielt?

Das Bittere daran ist, dass es sich Unternehmen in Zukunft nicht mehr leisten können, dieses Potenzial zu verlieren. Jedenfalls dann, wenn man den Rufen zum Fachkräftemangel glauben schenken darf. Sie sollten sich genau anschauen, was Frauen wichtig ist: Eine Studie des ICEDR für das Zeitarbeitsunternehmens Studitemps aus Köln zeigt, auf was Frauen der Generation Y Wert legen. Auch die Zahlen für die jungen Männer unterscheiden sich nicht sehr von denen der Frauen, so die Verfasser der Studie:

  • Für ganze 100 Prozent der Frauen ist es wichtig, dass sie in einem Unternehmen ihre Fähigkeiten, darunter Soft und Hard Skills erweitern können.
  • Für 94 Prozent ist es wichtig, dass das Unternehmen einen Zweck hat, der sie inspiriert und nicht ausschließlich nach Gewinn strebt.
  • Ebenfalls 94 Prozent erwarten, dass ihr Vorgesetzter sie als gesamte Person begreift – und nicht nur als Arbeitskraft.
  • 87 Prozent der Befragten wollen mit tollen Kollegen und einer guten Gemeinschaft vernetzt werden.
  • 79 Prozent erwarten, dass das Unternehmen sie fordert und dabei unterstützt, ihr Potenzial zu entfalten und eigenverantwortlich Projekte zu leiten.

Frauen mit Berufserfahrung sehen vielleicht manches nicht mehr so idealistisch, wissen dafür aber eher, was ihnen wirklich wichtig ist. Daher kann man davon ausgehen, dass sich auch ihre Wünsche gar nicht so sehr von denen ihrer jungen Kolleginnen unterscheiden. Eine andere Untersuchung bei IT-Absolventen zeigte ähnliche Ergebnisse, auch wenn sich die Wünsche der Frauen von denen der Männer in einigen Punkten unterschieden.

Die Konsequenz: Abstimmung mit den Füßen

Wenn sich Unternehmen nicht bewegen und einen neuen Karrierebegriff statt der „glänzenden Laufbahn“ entwickeln, werden sie ihre besten Kräfte kaum halten können.

Und wenn sich Unternehmen taub stellen und nichts ändern?

Dann, ja dann sind Frauen vielleicht einfach zu klug für diese Art von Karriere.

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