Frauen und Gehalt: So erzielst du das Gehalt, das du haben willst

Das Weltwirtschaftsforum hat soeben vorgerechnet, dass wir Frauen und unsere Kinder es nicht mehr erleben werden, gleichberechtigt zu sein. Die Süddeutsche Zeitung sagt gar eine Gleichberechtigung erst in über 250 Jahren voraus. In der Kategorie „Gleiches Gehalt bei gleichwertiger Arbeit“ liegt Deutschland nur auf Rang 68 von 153 Ländern.

2018 verdienten Frauen immer noch pro Stunde durchschnittlich 21 Prozent, etwa 4,50 Euro, weniger als Männer. Also bis zu 9.400 Euro weniger pro Jahr. Diese enorme Lohnlücke ist zwischen 2008 und 2018 sogar noch gestiegen. Nicht einmal im öffentlichen Dienst können Frauen das gleiche Gehalt wie Männer erwarten.

Es wird also höchste Zeit, dass wir Frauen endlich das Gehalt erzielen, das uns zusteht und das wir wert sind. Doch wie soll das gehen? Wie können wir Frauen erfolgreiche Gehaltsverhandlungen führen? Claudia Irsfeld hat dazu einen hervorragenden Ratgeber geschrieben, der für Berufseinsteigerinnen genauso hilfreich ist wie für alte Häsinnen, deren Jahresgehalt nicht ihren Vorstellungen entspricht.

Für Frauen laufen Gehaltsverhandlungen anders als für Männer

Die Münchener Personalleiterin und Karrierecoachin weiß aus langjähriger Erfahrung, was es braucht, damit Frauen das Gehalt erzielen, das ihnen zusteht. „Für Frauen laufen Gehaltsverhandlungen anders als für Männer“, sagt sie. „Von uns werden andere Dinge erwartet, und wir müssen mit anderen Reaktionen rechnen. Verhalte ich mich wie ein Mann, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich eine negative Reaktion bekomme.“ Ein Beispiel dafür gibt der Psychologe Tomas Chamorro-Premuzic: „Übertriebenes Selbstbewusstsein wird bei Frauen kritischer gesehen, während es bei Männern als Kompetenz interpretiert wird.“

„Übertriebenes Selbstbewusstsein wird bei Frauen kritischer gesehen, während es bei Männern als Kompetenz interpretiert wird.“

Viele Ratgeber und Artikel zum Thema geben jedoch uns Frauen die Schuld an dieser Misere. Wir würden nicht genug fordern, heißt es da, wir seien nicht selbstbewusst genug, verhielten uns „zu weiblich“ oder „zu männlich“ (was heißt das überhaupt?), wir stylten uns nicht angemessen oder seien „zu emotional“. Claudia Irsfelds Erfahrungen sind da anders. Einer der Hauptgründe, warum Frauen bei Gehaltsverhandlungen so schlecht wegkämen, sagt sie, seien genau solche gesellschaftlichen Normen, die an uns Frauen angesetzt würden.

Frauen sollen die Lust am Geldverdienen zurückgewinnen

„Für Frauen steht Geld gar nicht im Fokus“, sagt Irsfeld. „Es ist gesellschaftlich akzeptiert, wenn wir etwas für andere tun, wenn wir für eine Kollegin werben oder uns für ein Kind einsetzen.“ Nur der Einsatz für die eigene Karriere und den eigenen Monatslohn werde immer noch nicht selbstverständlich auch als Frauenthema anerkannt.

Aufgrund dieser und vieler ähnlicher gesellschaftlicher Strukturen, die bis heute unseren Lebens- und Arbeitsalltag bestimmen (oder vielmehr erschweren), rät Irsfeld: „Frauen müssen sich damit beschäftigen und sich dessen bewusst werden, dass es Unterschiede zwischen dem eigenen Verhalten und den Reaktionen auf dieses Verhalten gibt.“ Doch viele Frauen haben längst aufgegeben, für mehr Gehalt zu kämpfen, gerade weil sie bei Gehaltsverhandlungen immer wieder negative Erfahrungen gemacht haben.

Deshalb setzt Irsfelds Buch genau da an. Frauen sollen die Lust wiedergewinnen, sich mit dem ganzen Thema noch einmal ganz neu auseinandersetzen, sich neu zu erfinden: als eine Frau, die das Gehalt bekommt, das sie gerne hätte und das ihr zusteht. Das Buch klärt zunächst über jene Geschlechterklischees auf, die sich negativ auf Karriere und Gehalt auswirken. Und gibt dann Schritt für Schritt Erfolgsstrategien vor, die Frauen anwenden können, um sowohl trotz der Klischees, als auch tatsächlich mit ihrer Hilfe ans Ziel zu gelangen.

Man kann es sich gönnen, sich vorher zu stärken

Doch kann das wirklich die oft tief sitzenden Vorurteile von Arbeitgebenden gegenüber Frauen einfach beiseite wischen? „Es ist immer noch in vielen Unternehmen schwieriger für Frauen“, sagt Irsfeld, „aber es hilft, sich gut vorzubereiten und bestimmte Argumente auf den Tisch zu legen. Wenn sie auf schlaue Weise die weibliche Norm mitbedienen, machen meine Coachees positive Erfahrungen, auch weil sie sich selbst wohl damit fühlen.“

Wie das genau gehen soll, welche Argumente es braucht und wie man die vermeintlich „typisch weiblichen“ Normen zum eigenen Vorteil nutzen kann – dafür gibt sie zahlreiche Praxistipps. Darunter auch solche, die man vielleicht nicht automatisch auf dem Schirm hat.

Irsfeld rät zum Beispiel dazu, die eigene Stimme zu trainieren. Denn der Stimme der Frauen, wie die Historikerin Mary Beard in ihrem Buch „Frauen und Macht“ schreibt, wurde schon in der Antike mangelnde Autorität diagnostiziert. Wie wenig sich an diesem Klischee geändert hat, zeigen ein paar tausend Jahre später all die Artikel, die der SPD-Politikerin Andrea Nahles eine „schrille Stimme“ nachsagen.

Was für Gedanken stehen dahinter? Welche Muster muss ich über Bord werfen? Was hilft mir wirklich?

„Ich mache diese Vorschläge“, so Irsfeld, „um das ganze Potenzial der Frauen aus ihnen herauszuholen. Da ist vielleicht nicht alles das Richtige für jede. Aber wenn ich mir, zum Beispiel, bewusst werde, welches Stimmpotenzial ich habe, dann kann ich das nutzen. So eine Vorbereitung bringt mich in die richtige Stimmung und gibt mir den Mut für solche Meetings. Ich muss aber auch hinterfragen: Was für Gedanken stehen dahinter? Welche Muster muss ich über Bord werfen? Was hilft mir wirklich? Solche Gespräche sind ja keine einfachen Situationen. Da kann man es sich durchaus gönnen, sich vorher zu stärken.“

Es ist wichtig, dass Frauen auch mal groß denken

Stärken kann auch ein gutes Netzwerk. „Für Frauen ist es ganz wichtig, sich untereinander auszutauschen und miteinander über Geld zu sprechen“, betont Irsfeld deshalb. „Ich selbst mache total gute Erfahrungen damit. Es ist wichtig, dass Frauen einander unterstützen, sich gegenseitig stark machen, sich etwas zutrauen und auch mal groß denken. Frauen sollten nicht beim Klein-Klein bleiben, sondern sich überlegen, was richtig cool wäre – und das dann anstreben.“ Das geht besonders gut, wenn man ein stärkendes Frauen-Netzwerk im Rücken hat, wie bereits Studien nachgewiesen haben.

Mit „Frauen und Gehalt“ ist Claudia Irsfeld jedenfalls ein sehr leicht lesbarer, verständlicher und besonders hilfreicher Ratgeber gelungen. Er unterstützt Frauen wie eine gute Mentorin dabei, sich klug und mit Bedacht auf das nächste Gehaltsgespräch vorzubereiten und dabei immer das Ziel klar im Auge zu behalten: Erziele (mindestens) so viel Gehalt, wie du wert bist!

Claudia Irsfeld: Frauen und Gehalt
Claudia Irsfeld: Frauen und Gehalt

Claudia Irsfeld: „Frauen und Gehalt. So verhandeln Sie gelassen und erfolgreich“, Marie von Mallwitz Verlag 2019, Euro 22,90.

Mit persönlicher Widmung bestellbar über die Website der Autorin be-on-track.de/

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