Früher oder später geht es immer ums Geld, wenn Carolin Kindermann mit ihren Klient:innen spricht. Genauer gesagt, um die persönliche Haltung dazu. Und die ist oft negativ. Aber sie lässt sich anpassen. Kindermann glaubt allerdings nicht an reine Affirmationen. Im ikonist:a-Interview spricht sie über die notwendigen Schritte für ein förderliches Money Mindset.
Werden wir durch unseren Verstand reich, Carolin?
Nein, so einfach ist es nicht. Das würde die Realität vieler verdrehen. Wenn wir ein Minus auf dem Konto haben, dann müssen diese Schulden erst einmal getilgt werden. Dafür reicht es nicht, sich Reichtum vorzustellen. Ich halte auch nichts davon, auf dem Sofa zu sitzen und Affirmationen à la »Ich bin eine Millionärin« aufzusagen, wie wir das vielfach von Social Media-Postings kennen. Wir können unser Gehirn nicht für blöd verkaufen. Das merkt, wenn wir uns selbst etwas vormachen. Dieser Weg führt schnell in die Identitätskrise. Wenn du also mehr Geld haben möchtest, musst du runter vom Sofa und etwas dafür tun.
Was empfiehlst du?
Im Grunde gibt es drei Schritte, die jede:r gehen kann, um reich zu werden: Sein, tun und haben. Und zwar in dieser Reihenfolge. Viele beginnen den Weg falsch. Sie fangen beim »Haben« an und kaufen sich beispielsweise eine teure Chanel-Handtasche, die sie sich nicht leisten können. Dahinter versteckt sich der Gedanke, erst etwas besitzen zu müssen, um jemand zu sein. Wir werden immer noch viel zu häufig über das definiert, was wir nach außen zeigen.
Ich fange also mit dem »Sein« an. Wie geht das genau?
Hinter dem etwas abstrakten Begriff »Sein« verbirgt sich vor allem die persönliche Einstellung zum Geld. Dazu gehören auch Glaubenssätze, die wir durch Erziehung und unser soziales Umfeld verinnerlicht haben. Mein Vater hat mir zum Beispiel schon früh mitgegeben, dass eine Frau nicht erfolgreicher sein sollte als ihr Partner. Er war davon überzeugt, dass so die Wahrscheinlichkeit steige, verlassen zu werden. Ich habe lange gebraucht, um diesen Glaubenssatz loszulassen. Das hat meine Karriere bis dato geprägt. Meine meist selbständigen Klientinnen koppeln ihren Selbstwert häufig mit der Höhe des Verdiensts und beruflichem Erfolg. Oder sie glauben, sie dürften nicht mehr verdienen, weil sie sonst kein Teil der Familie mehr sind oder ihre Freunde sich von ihnen distanzieren. Unterm Strich geht es also erst einmal darum, seine eigenen Ängste zu identifizieren, klare Ziele festzulegen und daraus konkrete Handlungen abzuleiten.
Hier gilt übrigens das Pareto-Prinzip: 80 Prozent des förderlichen Money Mindsets macht die innere Arbeit aus – die Transformation der eigenen Identität, die Heilung von familiären Geld-Traumata etc. Und nur 20 Prozent entfallen darauf, die Fähigkeiten, also beispielsweise das Wissen über Geld und den Finanzmarkt, zu erlernen und entsprechend anzuwenden.
Das geht nun aber schon in Richtung Tun?
Wenn ich vom Tun spreche, geht es darum, das Ganze greifbar zu machen, in die Realität zu holen. Wenn du das allein nicht schaffst, kannst du dir beispielsweise bei einem Coach Unterstützung suchen. Ich arbeite mit meinen Kundinnen zum Beispiel an der Frage: Wie dient mein Produkt anderen Menschen? Im Wort verdienen steckt das Dienen ja bereits drin. Wenn ich ein Produkt oder eine Dienstleistung verkaufen möchte, die niemanden dient, kann ich sie nicht verkaufen. So einfach ist das oft. Wir arbeiten dann konkret daran, wie wir den Nutzen von Produkt oder Dienstleistung steigern können. Dazu gehören zum Beispiel auch die Fragen: Brauche ich noch weitere Fähigkeiten? Sollte ich mein Produkt noch optimieren?
Oft scheitern wir auch am Durchhaltevermögen. Wenn ich mich beispielsweise dazu entschlossen habe, einen Podcast zu starten, darf ich nicht auf die Bremse treten. Ich muss kontinuierlich dranbleiben und mich committen, auch wenn der Erfolg mal länger auf sich warten lässt als erhofft. Kein Haben ohne Tun – das gilt auch für die eigenen Finanzen.
Und wann habe ich dann endlich?
Aus den ersten beiden Schritten ergibt sich die Phase des Habens. Finanzieller Erfolg bedingt sowohl sein als auch haben. Ich habe eine Klientin, die der Nahostkonflikt so sehr beschäftigt hat, dass sie teils wie gelähmt war. Sie hat aufgehört zu tun. In solchen Situationen stellt sich immer die Frage nach dem Einflussbereich. Entweder bewegt mich so ein Konflikt so sehr, dass ich mich in den Flieger setze und humanitäre Hilfe leiste. Oder aber ich muss mich davon bewusst abgrenzen, wenn ich nichts tun kann.
Wenn ich ständig darüber nachdenke, hat niemand etwas davon. Deshalb muss so eine Gedanken-Paralyse aufhören. Wenn ich mich frage, wie ich Einfluss nehmen kann und die Antwort lautet, durch spenden, muss ich zunächst mehr haben als ich selbst brauche. So ein Anreiz kann ein starkes Triebwerk für den eigenen Erfolg sein. Denn je mehr Geld ich verdiene, desto mehr kann ich spenden, weil ich in finanzieller Fülle lebe. Mein Geld ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern bedeutet vor allen Dingen, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für sich selbst und für die eigene Lebensrealität und dafür, wie ich zukünftig leben möchte.
Unsere Interviewpartnerin Carolin Kindermann
Carolin Kindermann ist Mutter, Unternehmerin, Coach und Mentorin. Sie unterstützt Entrepreneure, Influencer:innen sowie andere Coaches, Trainer und Berater dabei, ihre Identität zu entwickeln und ihr Business ausgewogen zu führen. Ihr Coaching-Ansatz umfasst die Arbeit an (Geld-)Glaubenssätzen, auf der Seelenebene, der energetischen und der Handlungsebene.
Ursprünglich als Physiotherapeutin tätig, entschied sie sich 2016 für einen neuen Lebensweg und gründete gemeinsam mit ihrem Mann innerhalb von sieben Jahren zwei erfolgreiche Unternehmen. Während dieser Zeit bekam sie zwei Kinder und fand Wege, berufliche und familiäre Ziele miteinander zu vereinbaren. Seit nunmehr über einem Jahr ist sie mit ihrer Familie auf Weltreise und betreut ihre Kund:innen remote.