Es hilft ja nix: Die nackten Zahlen zeigen es. Die unbereinigte Entgeltlücke* zwischen Männern und Frauen in Deutschland beträgt rund 25 Prozent. Diese Zahl ist sogar höher als die vom Bundesarbeitsministerium vorgelegte Differenz von 21,6 Prozent.
*Unbereinigte Entgeldlücke bedeutet, dass keine relevanten personen- und stellenbezogenen Merkmale einbezogen werden.
Dies geht aus einer aktuellen Studie der Hamburger Vergütungsberatung Compensation Partner hervor. Analysiert wurden insgesamt 244.843 Gehaltsangaben von Männern und Frauen im Zeitraum der vergangenen zwölf Monate.
Über 244.800 Gehaltsangaben von Frauen und Männern sind eine ordentliche Datenbasis. Umso erschreckender, dass die nüchternen zeigen: Die Entgeltlücke in Deutschland liegt laut Compensation Partner bei rund 25 Prozent (24,8 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr hat sie sich damit sogar um 2,6 Prozentpunkte reduziert.
[Immerhin!]
Das Bundesarbeitsministerium gab jüngst 21,6 Prozent bekannt. Für den Unterschied ist die Datenbasis entscheidend:
„Wir berücksichtigen bei der Entgeltanalyse nicht nur Sozialversicherungspflichtige, sondern auch Arbeitnehmer, deren Vergütung oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen liegt. Dazu zählen zum Beispiel geschäftsführende Gesellschafter, Selbstständige und Beamte“, erklärt Tim Böger, Geschäftsführer von Compensation Partner.
Damit zeigt sich, dass die Entgeltlücke in den Jobs mit wesentlich höherer Entlohnung fortsetzt und nicht etwas ausgeglichener wird. Interessant auch, dass das Bundesarbeitsministerium diese Zahlen nicht berücksichtigt.
Top-Branche: Entgeltlücke in Pharmaindustrie bei 17,6 Prozent
Auch in Branchen mit Top-Gehältern herrschen hohe Entgeltlücken. Laut Studie zahlt die Pharmaindustrie die besten Gehälter. Während Männer im Median auf 63.373 Euro im Jahr kommen, erreichen Frauen 52.244 Euro. Die Entgeltlücke im Pharmawesen beträgt jedoch 17,6 Prozent. Es folgen der Bankensektor mit einem Lohnunterschied von 20 Prozent und die Luftfahrt mit einer Differenz von 17,3 Prozent. Die geringste Abweichung mit 16,2 Prozent ermittelte Compensation Partner im Softwarebereich.
Lohndifferenz nach geschlechterdominanten Branchen
Die Branche mit dem höchsten Frauenanteil ist laut Compensation Partner das Gesundheitswesen. Hier findet sich gleichzeitig eine hohe Entgeltlücke von 25 Prozent. Es folgen soziale Einrichtungen mit einer Differenz von 9,2 Prozent und der Einzelhandel mit 18,6 Prozent. Männer favorisieren vor allem den Bereich Elektrotechnik. Hier beträgt die Entgeltlücke 23,4 Prozent. Es folgen die Automobilindustrie mit einem Gehaltsunterschied von 22,3 Prozent und der Maschinenbau mit einer Lohndifferenz von 20,9 Prozent.
Logistikerinnen: „Kleiner“ Gender Pay Gap von 5,8 Prozent!
Eine Ausnahme bildet die männerdominierte Logistik- und Transportbranche: Hier beträgt die Entgeltlücke lediglich 5,8 Prozent!
„Die Löhne von männlichen Beschäftigten im Transportwesen und der Logistik befinden sich insgesamt auf einem sehr niedrigen Niveau. Frauen arbeiten in dieser Branche dagegen vorwiegend in der Verwaltung und Buchhaltung, wo sie ein ähnliches Gehalt beziehen wie ihre Kolleginnen in anderen Industrien. Dies erklärt die sehr geringe Lohnlücke“, sagt Böger.
Höchste Entgeltlücke in der Rechtsbranche mit 40 Prozent
Die größten Unterschiede stellten die Vergütungsberater in der Rechtsbranche fest. Hier beträgt die Differenz knapp 40 Prozent. Es folgen die Versicherungen mit 32,6 Prozent und die Telekommunikation mit 28,6 Prozent. „Die größten Entgeltlücken weisen mehrheitlich Branchen auf, die mit Konzern-Firmengrößen verbunden sind. Darüber hinaus zeigen sich große Lohnunterschiede in Branchen, in denen geringer vergütete Ausbildungsberufe vorwiegend von Frauen bekleidet werden – allen voran die Rechtsbranche“, so Böger weiter.
Entgeltlücke nach Bildungsabschluss: Bachelorabsolventinnen verdienen deutlich weniger
Nun könnte man aus den Daten schließen, dass die Lohnunterschiede etwas damit zu tun haben, dass Frauen insgesamt weniger hoch qualifizierte Jobs übernehmen oder nach Erziehungszeiten nicht auf ihre alten Positionen zurückkehren können. Leider zeigen sich die Unterschiede aber bereits bei den Bildungsabschlüssen.
Bei der Betrachtung der Entgeltlücke nach Bildungsabschluss wurde die größte Differenz bei Bachelorabsolventen festgestellt. Laut Compensation Partner beträgt die Lücke bei Fachkräften 30 Prozent. Den geringsten Unterschied mit 16 Prozent fanden sie nach abgeschlossener Lehre.
Bei der Berechnung der Lohnlücke von Führungskräften wurde bei Bachelorabsolventen eine Differenz von 34,1 Prozent ermittelt. Die geringste Entgeltlücke bei leitenden Angestellten gibt es mit 20,3 Prozent nach dem Fachhochschul-Diplom.
Einfluss der Unternehmensgröße: Je größer die Firma, desto größer die Lohnlücke
Mit zunehmender Unternehmensgröße steigt auch die Entgeltlücke an. Die höchste Differenz zwischen den Gehältern von Frauen und Männern existiert in Firmen mit 1.001 bis 5.000 Mitarbeitern. Dort liegt sie bei 24,7 Prozent. Im Vergleich: Kleinunternehmen mit bis zu fünf Angestellten weisen eine Lohnlücke von 10,1 Prozent auf.
Entgeltlücke nimmt im Alter zu und steigt auf über 30 Prozent an
Das Alter spielt bei der Lohnentwicklung eine relevante Rolle. So beträgt die Lohnlücke bei unter 20-jährigen Fachkräften 12,7 Prozent – bei 50 bis 59 Jahre alten Beschäftigten 32,7 Prozent. Bei jungen Führungskräften zwischen 20 und 29 Jahren liegt die Differenz bei 18,9 Prozent und steigt bis auf 34,4 Prozent bei über 60-Jährigen an.
Zwillingspaar-Bereinigung reduziert die Lohnlücke erheblich
Für eine bessere Stellenangleichung erstellten die Vergütungsberater Zwillingspärchen. Dabei wurden jeweils das Gehalt eines Mannes und einer Frau miteinander verglichen, bei denen die Faktoren „Branche“, „Alter“, „Region“, „Ausbildung“ und „Firmengröße“ berücksichtigt wurden und so vergleichbar wie möglich waren.
Die auf diese Weise berechneten Entgeltlücken fallen im Vergleich zum unbereinigten Wert deutlich geringer aus. Bei der Gegenüberstellung der Arbeitnehmerprofile wurden Lohnunterschiede von bis zu 1,4 Prozent ermittelt.
„Insbesondere in Bezug auf große Industriebranchen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und die Rechtsbranche lassen sich durch die Zwillingspaar-Bereinigung Verringerungen der Entgeltlücken besonders gut erkennen, sobald die meisten relevanten Einflussparameter mitberücksichtigt werden“, so Böger abschließend.
Zur Methodik:
Die Hamburger Vergütungsberatung Compensation Partner analysierte 244.843 Gehaltsdaten der vergangenen 12 Monate. Ermittelt wurde die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen unter Berücksichtigung der Faktoren: Branche, Abschluss, Studiengang, Alter und Firmengröße.
Linktipps:
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