Am 28. Januar 2016 hatte der Film „Ein Atem“ Premiere. Er zeigt eine kurze Zeit im Leben zweier Frauen, die eine, Elena, ist Griechin und verzweifelt auf der Suche nach Arbeit. Die andere, Tessa, verheiratet mit Jan, Mutter einer Tochter, Lotta. Sie möchte zurück an ihren Arbeitsplatz in einer Werbeagentur in Frankfurt und braucht dafür eine Kinderfrau. Als sich Elena bei ihr vorstellt, stellt sie sie ein. Sie hat scheinbar alles und reibt sich im Alltag auf zwischen Beruf und Kind.
Mittlerweile hat Elena festgestellt, dass sie schwanger ist. Sie entschließt sich, ihr Kind zu bekommen. Ihre Schwangerschaft ist von gesundheitlichen Problemen überschattet. Als Lotta verschwindet, eskaliert die Situation.
Der Film wird getragen von den beiden Schauspielerinnen Jördis Triebel (Tessa) und Chara Mata Giannatou (Elena), die eine kühl und blond, die andere mutig und zupackend – und beide oft vom Leben überfordert.
Ein Film, der einen nicht so richtig loslässt. Wir haben mit dem Regisseur und Drehbuchautor Christan Zübert und Mitautorin Ipek Zübert ein Interview geführt:
Wie seid ihr auf das Thema gekommen, gab es einen persönlichen Bezug?
Ipek: Wir waren mit unserer Tochter und ihrer Betreuerin, die die Landessprache nicht beherrschte, im Ausland. Sie wollten auf einen Spielplatz gehen und als sie nach der vereinbarten Stunde nicht zurückkamen und noch eine weitere Stunde verstrich, die uns wie eine Ewigkeit vorkam, sind wir durch die Straßen gerannt und haben nach ihnen gesucht.
Wir haben sie schließlich tatsächlich an dem Spielplatz gefunden, die Betreuerin stand allerdings in einer Telefonzelle und versuchte über eine Stunde ihre eigene Tochter zu erreichen. Die Sorge um das Kind, das Gefühl der Ohnmacht, die Angst, Selbstvorwürfe – das alles hat sich über uns ergossen. Aber auch die Einsicht, dass wir – während wir uns unnötiger weise um unser Kind gesorgt haben – die Betreuerin, selber Mutter, in Sorge um ihr eigenes Kind war und ganz ähnliche Gefühle durchmachte.
Wurde das Thema begeistert aufgegriffen oder war es schwierig, diesen Film zu realisieren?
Christian: Der Produzent Ulf Israel war sofort begeistert von dem Thema und dem Buch. Aber tendenziell ist es in Deutschland immer schwieriger ein Drama finanziert zu bekommen als eine Komödie.
Welcher Punkt war euch bei der Darstellung der beiden Frauen besonders wichtig?
Ipek: Frauen werden gerne in Schubladen gesteckt: die Powerfrau, die Sexbombe, die Hysterische, …dabei sehen wir immer nur einen Aspekt ihrer Persönlichkeit. So zum Beispiel Tessa: sie wirkt am Anfang unnahbar, geradezu pedantisch und aufbrausend. Dann erfahren wir mehr über sie und plötzlich gibt sich ein ganz anderes Bild – was natürlich auch durch die großartige Jördis Triebel unterstrichen wird.
Christian: Außerdem war mir wichtig, dass es keine Schuldige gibt, sondern dass jede der Frauen Opfer ihrer Lebensumstände ist.
Die deutsche Mutter, Jördis Triebel, fühlt sich zerrissen zwischen Beruf und Kind. Findet ihr eine solche Sicht heute eigentlich noch zeitgemäß?
Ipek: Wir haben eine Kanzlerin, erfolgreiche Frauen im Geschäftsleben – dennoch ist das Bild, das man von einer Mutter hat, sehr schwer mit dem Arbeitsleben zu vereinbaren. Es finden alle großartig, wenn man schwanger ist, aber eine Frau mit Kindern mag keiner wirklich einstellen.
Christian: Ich beobachte es immer wieder in meinem Umfeld, dass es ein Thema ist und dass berufstätige Mütter mit der Akzeptanz in der Gesellschaft zu kämpfen haben. Sobald eine Frau ein Kind hat, wird vernachlässigt, dass sie studiert hat oder jahrelang in ihrem Beruf tätig war. Oder sie wird als Karrieristin stigmatisiert. Da muss ich sagen, geht es uns Männern eindeutig besser. Und diese Außenwahrnehmung drangsaliert Mütter, führt zu einer Zerrissenheit.
Ich fand es unglaubwürdig, dass sich Elena so herumkommandieren lässt, wo sie doch eine gut ausgebildete, ehemals auch erfolgreiche, berufstätige Frau war. Wie kam es dazu?
Ipek: Elena ist angewiesen auf den Job bei Tessa, sie handelt aus einer Notlage und glaubt, die Arbeit auch nur für eine kurze Zeit aushalten zu müssen. Ich denke, wir kennen alle das Gefühl, sich kurz zusammenreißen zu müssen. Schlussendlich findet Elena ja auch wieder ihre Stimme und widerspricht Tessa und es kommt zu einem großen Streit zwischen den beiden Frauen.
Christian: Was für uns bei der Entwicklung der Geschichte aber auch wichtig war, dass zwei Frauen auf Augenhöhe aufeinander treffen bzw. wie schnell sich die Augenhöhe verschieben kann, wenn wirtschaftliche Not dazu kommt. Wenn sich die beiden Frauen an einem anderen Ort, wirtschaftlich gleichgestellt begegnen würden, dann würde das Kennenlernen und der Umgang sicherlich anders von statten gehen.
Ipek: Es ist außerdem nicht nur Tessa, die Elena nicht einwandfrei behandelt. Auch ihr Mann Jan, gespielt von Benjamin Sadler, trägt dazu bei. Ich glaube, es ist leider allzu menschlich.
Der Film: Ein Atem. Ein Film von Christian Zübert mit Jördis Triebel, Chara Mata Giannatou und Benjamin Sadler. Kinostart: 28. Januar 2016