In letzter Zeit frage ich mich immer wieder: Was möchte ich eigentlich bei Social Media sehen und lesen? Nehmen wir zum Beispiel Instagram. Wenn ich durch meinen Feed scrolle, wird mir alles angezeigt, was auch nur ansatzweise mit Yoga zu tun hat, weil ich es liebe und lebe. Oder das Thema Finanzen. Weil ich den einen oder anderen Börsenexpert:innen folge, spült der Algorithmus mir alles rein, was auch nur im Entferntesten mit Investments zusammenhängt. Immobilienangebote, Steuersparmodelle, Kryptoexpert:innen und vieles mehr. Am Anfang habe ich mir die hübsch gemachten Postings, Stories und Reels noch genau angesehen. Könnte ja etwas Interessantes dabei sein. Und ab und an ist es das auch.
Andere Zeiten, neue Statussymbole
Seit einigen Monaten fällt mir aber auf: Die zeigen und erzählen alle das Gleiche. Und es geht gar nicht so sehr darum, andere zu unterstützen oder zu inspirieren. Eigentlich zeigen sie genau das, was wir schon in der Sparkassenwerbung in den 1990ern gesehen haben: Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Einziger Unterschied: Die Statussymbole haben sich verändert und jede Bubble verfügt über ihr eigenes Wichtig-Thema. Mit dem wollen die „Mitglieder“ Neid und Sehnsucht erzeugen und ein Nachmach-Angebot verkaufen.
Die Yoga- und Wellness-Bubble
Ich bin selbst ausgebildete Yogalehrerin und freu mich über Flows vor schöner Kulisse. Doch es langweilt mich, das hundertsten Posting einer 20-jährigen Yoga-Elfe zu sehen, die sich unnatürlich verbiegt und dabei Werbung für die neueste rutschfeste Matte macht. Das Accessoire mag ich vielleicht sogar. Aber der Kontext nervt.
Genau so empfinde ich auch bei halsbrecherischen Flows, für die „Mann“ mindestens den Bizepsumfang einer grünen Kokosnuss braucht. Es überrascht mich, dass diese Yogamodels so viele Follower:innen haben wie mancher Popstar. Und es verstört mich, dass sie sich mehr über die Anzahl ihrer Tattoos definieren als über das Vermitteln der uralten Lehre. Die kann so viel Gutes bewirken, wenn wir mehr von ihr sehen als „coole Posen“.
Zeigen versus Nutzen
Leider fehlt diesen Postings oft der Mehrwert. Sie machen klar: „Bist du nicht biegsam, bist du nicht angesagt.“ oder „Je flexibler du dich zeigst, desto höher deine Chance auf Follower:innen und Sponsoren“. Ich warte noch auf Reels, in denen Yogastars ihre smarte Matte in einem exklusiven Studio ausrollen. Natürlich erst, nachdem sie drei Monate auf die Warteliste mussten, um überhaupt einen Fuß hineinzusetzen. Und ihre neue It-Matte misst selbstverständlich während der Praxis das Stresslevel. Nicht zu vernachlässigen, sie verbindet sich mit Fitnessuhr, die über mehr Funktionen als ein durchschnittliches Laptop verfügt: volle Atemüberwachung und automatisierte Asana-Kontrolle anhand von Mikrostromschlägen, die nicht nur die Muskeln tonen, sondern gleichzeitig die Hüftstellung berichtigen.
Luxusretreat und andere Erlebnisse für den Geldbeutel
In dieser Bubble ist Yoga mehr als nur eine Form der Bewegung. Das Praktizieren ist eine Demonstration davon, wie sehr du im Trend liegst. Bist du bereit, in das ultimative Wellness-Erlebnis zu investieren? Hier zählt nicht nur die Flexibilität des Körpers, sondern auch die des Geldbeutels. Willst du dazugehören? Dann vergiss bitte nicht, nach der Stunde ein perfekt inszeniertes Foto in deiner trendigen Yoga-Kleidung zu posten. Die kostet schließlich so viel, dass sie eigentlich ein eigenes Bankkonto verdient hätte. Es geht nicht mehr nur darum, dich für das eigene Wohlbefinden zu dehnen und zu entspannen. Es gilt zu zeigen, dass du es dir gönnen musst, extravagant und technologisch fortschrittlich zu relaxen. Im Namen der Selbstverwirklichung.
Die Luxus-Lifestyle-Bubble
Wo ich gerade über Selbstverwirklichung nachdenke. Gehörst du auch schon zu den Unternehmer:innen, die statt ihre Firma zu leiten, lieber auf Fashionweeks abhängen oder ohne ihre Rolex nicht mehr in der Lage sind, ihren Porsche durch Dubais Hochhäuser zu manövrieren?
Ich frage mich, wie deren Alltag wirklich aussieht. Währenddessen sitze ich im Coworking Space auf Bali und schiele über den Rand meines Laptops in die Reisfelder. Soll ich wirklich Texte schreiben? Oder flüchte ich lieber ins benachbarte Meditationszentrum? Erledigt die KI dann das Geschäft für mich, während ich auf Social Media abhänge und aus Kokosnüssen trinke? Ist das noch authentisch oder kann das weg?
Alles eine Frage des Mindsets
Malochen oder lieber was einwerfen – natürlich nur in Mikrodosen oder in Mexiko, vom Therapeuten überwacht. Bubatz am Strand von Thailand – dort ist das legal. Oder doch lieber auf dem Ex-Atomkraftwerkgelände in Voerde? Dort ging gerade erst ein Kühlturm in Rauch auf? Wer braucht heute noch Gespräche, wenn er sich in Soundwellen baden oder auf Pilz- oder Lianentee-Trips begeben kann?
Ganz wichtig: Zeig es in deinem Status. Damit andere davon profitieren können. Danach läuft jedes Business wie von selbst. Und du kannst ungefragt Ratschläge über das Netz verbreiten und damit Geld verdienen. So wie es alle tun, die etwas auf sich halten.
Mit dem richtigen Mindset kein Problem. Und wenn es damit nicht klappt, dann schreibst du einfach randomisiert Menschen Nachrichten auf LinkedIn: „Wärst du grundsätzlich daran interessiert, dass ich dir zeige, wie du mit Mealprep pro Woche mindestens fünf Stunden einsparen kannst?“ Die könntest du dann für Ausflüge mit dem E-Bike nutzen – alles öko-approved. Warte, das war die Nachhaltigkeits-Bubble. Über die spreche ich lieber ein anderes Mal.
Jetzt chille ich auf meiner sauteuren Yogamatte. Das neueste Thermomixmodell kocht im Schongargang vitaminbewahrende Gemüsesuppe – natürlich ganz vegan. Die Zutaten stammen aus regionalem Biowurzelresten vom Unverpacktladen in Balis Spiritualitätshochburg Ubud.
Wie sagt man so schön: Jedem Tierchen sein Pläsierchen – oder eben jeder Bubble ihre eigenen Statussymbölchen. Ich scroll dann mal weiter zum nächsten Hunde- oder Katzenvideo.